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den Aufstieg auf den kleineren Berg nicht vom Fluss her vornehmen zu können. Deshalb folgten sie einem Weg, der sich zwischen zwei fast gleichartigen Gipfeln hindurch zwängte. Ein Bergpfad öffnete sich und mit etwas Mut und Vorsicht gelangten sie über diesen Pfad auf den Gipfel.

      Zuerst wählten sie die größere Kuppe, die weit mehr Bebauung und noch zumal Schutz durch ein Mauerwerk aufwies. Sie stießen auf ein Tor, das in früherer Zeit seinen Zweck erfüllt haben mochte und auch jetzt noch wie ein schwer einzunehmendes Bollwerk wirkte. Den Blick entlang der Mauer schweifen lassend, erkannte Ancus Schwachstellen, die sich einem Eindringen nur unzureichend in den Weg stellten.

      Will man einen Fremden besuchen, ist es nicht ratsam durch die Hintertür einzudringen. Deshalb wählten die Römer das Tor und wurden dort von zwei Bewaffneten aufgehalten und befragt. Die beiden noch jungen Burschen verlangten von ihnen zu warten und riefen selbst einen Knaben, der sie zum Herrn der Siedlung bringen sollte.

      Die Römer führten ihre Pferde am Zügel, als sie dem Knaben folgten. Die Straße, besser der Weg, war schlammig, von Pfützen geprägt und dennoch der deutlich wichtigste Weg innerhalb der Siedlung.

      Der Bursche, der sie führte, mochte noch keine vierzehn Winter erlebt haben. Er sprang belustigt über Pfützen, lachte lauthals, wenn seine Füße nicht im Matsch landeten und kümmerte sich wenig um die ihm folgenden Fremden.

      „He Knabe…“ rief ihn Ancus zu sich. Fast widerwillig gehorchte der Bursche.

      „… wie heißt dein Herr?“ schloss der Römer die Frage an, die ihn über das Erreichen seines Zieles aufklären sollte.

      „Onkel!“ gab der Bursche Auskunft und trollte sich zu den Pfützen.

      „Das wird kaum sein Name sein…“ rief ihm der Römer verärgert nach.

      Es waren nicht die Worte, die den Burschen hinderten, seinem Spaß nachzugehen. Es war der Ton der Worte, der ihn warnte. Sprach der Onkel in diesem Ton, folgte oft die Peitsche und diesem Vergnügen zollte er weniger Begeisterung. Der Warnung seiner Erfahrung folgend, trottete er zu den Römern zurück.

      „Du wolltest mir den Namen deines Onkels nennen…“ bot Ancus die Gelegenheit zur Wiedergutmachung und der Bursche stieg ein.

      „Onkel Albanus…“ folgte Aufklärung.

      „Albanus … wer?“ stieß der Fremde nach und schien noch immer nicht vollständig begriffen zu haben.

      Der Knabe blieb stehen und dachte angestrengt nach.

      „Na Betto!“ erhellte sich sein Blick und er nickte mehrmals zu dieser Erkenntnis.

      Ancus Blick nahm die begrenzten Fähigkeiten des Knaben zur Kenntnis. Es war nicht böser Wille oder Nachlässigkeit im Verhalten des Knaben. In dessen Welt schien dieser Onkel ein Mittelpunkt zu sein und weil er wohl nicht so helle im Kopf war und auch nichts Anderes kannte, ging ihm erst dann auf, worauf der Fremde abzielte, als sich seine oft gequälte Seele heftiger Schläge erinnerte, erfüllte er einen Auftrag nicht zur Zufriedenheit dieses Onkels. Der Knabe führte wohl innerhalb der Siedlung das aus, was man einem beschränkten Geist gefahrlos überlassen konnte. Er brachte die Fremden zum Fürst.

      Ancus wunderte sich, sollte doch diese Aufgabe Klügeren übertragen sein, die Fremde aushorchten, ausfragten, beurteilten und dem Herrn, vor dem Zusammentreffen, berichten, was sie erfahren konnten. So zumindest wäre er vorgegangen… Hier aber schien alles etwas anders abzulaufen. Schon die Jugend der Torwache verblüffte, waren diese Kerle doch keinesfalls Krieger…

      Sie steuerten auf ein größeres, aus Stämmen gebautes Gebäude zu, dass sie über drei Bohlenstufen betreten konnten, wenn sie eine zwischen den Stufen und der Tür liegende Fläche überwanden. Sie gelangten bis zur Mitte dieses Vorbaus, als das große Tor zur Vorhalle des Gebäudes aufgerissen wurde. Vor Ancus stand der gesuchte Mann.

      Die Männer musterten sich. Der Knabe verschwand augenblicklich, fast unbemerkt.

      Ancus Blick blieb auf dem Handrücken der linken Hand des Fürst hängen. Jetzt wusste er genau, dass er den Mann gefunden hatte, den er aufsuchen sollte. Die Narbe war überdeutlich. Ein Wulst, noch dazu von schmutzigem Braun, hob sich aus dem Handrücken hervor. Es war die Hand, mit der Albanus Betto, gegenüber dem Legat, seinen Schwur leistete.

      „Herr…“ Ancus deutete durch das Senken seines Kopfes Ehrerbietung an. „… man sagte mir, dass du als Fürst eine beachtliche Pferdezucht betreibst…“ Betto starrte ihn an.

      „Ich bin Pferdehändler und suche gute, starke und schnelle Tiere. Kannst du mir helfen?“

      „Dann bist du hier falsch!“ knurrte der Angesprochene.

      „Stimmt nicht, was ich hörte?“ blieb Ancus hartnäckig. Er wies in seiner Frage Zweifel aus.

      „Warum glaubst du, ein Fürst beschäftigt sich mit Pferden, wenn sein Stamm andere Sorgen besitzt? Warum sollte ich meine Pflichten vernachlässigen und mich um Pferde kümmern?“ Die Antwort kam schroff und abweisend.

      „Komm Mamercus, hier scheinen wir falsch zu sein… Treverer, obwohl allgemein als gute Reiter und tapfere Männer bekannt, kümmern sich nicht um die Tiere, die zu ihrem Ruhm beitrugen.“ Ancus wandte sich ab und deutete seinen Rückweg an.

      „Warte!“ hörte er hinter sich und blickte zurück.

      „Ich bringe dich dorthin, wo du einen Züchter findest… Deine Schmähung aber vergesse ich nicht!“ Die ausgesprochenen Worte klangen nach Hilfe, der Ton aber nach einer Herausforderung.

      „Warum bist du verärgert, wenn ich der Spur des Ruhmes stolzer Pferde zu dir folgte? Verzeih mir meine Unkenntnis, aber sollte nicht der Fürst des Stammes, der solche Zucht besitzt, diese auch als sein Eigen bezeichnen dürfen? Wer, wenn nicht der Fürst entscheidet, ob ein Handel gilt, wenn es seine Stammesangehörigen sind, die sich auf die Kunst einer guten Zucht verstehen?“ Ancus kümmerte sich nicht um die zuvor vernommene Herausforderung.

      „Entweder Römer, bist du ein Schmeichler und deine Worte triefen vor Ehrfurcht, weil du gute Pferde zu niedrigen Preisen wünschst oder du bist ein Dummkopf, der glaubt, dass Pferde wichtiger sind als Männer…“

      Die Kälte und Zurückweisung in Bettos Stimme wiesen Ancus auf seine Grenzen hin. Der Fürst war voller Hass. Auf wen dieser abzielte, blieb noch im Dunkel. War es Rom, waren es die Legionen oder was auch immer… Er würde es noch herausfinden.

      „Wohin bringst du uns?“ fragte Ancus, als sie auf ihren Pferden saßen und das Tor durchritten.

      „Das wirst du sehen…“ bekam er nichtssagenden Bescheid.

      ‚Gut, wenn du so unfreundlich sein kannst, brauche ich weniger Rücksicht nehmen…’ dachte sich Ancus und bot dem Fürst die Stirn.

      „Mir scheint dein Oppidium an Macht verloren zu haben… Die Brüchigkeit deiner Mauer, die Jugend deiner Torwächter, das Fehlen starker Männer in der Siedlung sprechen…“

      „Was geht es dich an…“ unterbrach ihn Betto schroff.

      Schweigen senkte sich auf die Reiter. Betto ritt voran und Ancus folgte ihm. Mamercus hielt sich zurück.

      Eigentlich war der Pferdehandel nur der Vorwand, den Ancus zu nutzen versuchte. Er wusste nicht, ob gerade in diesem Teil des großen Stammes der Treverer eine brauchbare Pferdezucht betrieben wurde. Doch wie sollte er, ohne Verdacht zu einer anderen Absicht zu erregen, in die Nähe des Fürsten vordringen? Wollte er etwas über Tutor erfahren, musste er den schwelenden Zorn zwischen dem Fürst und dem Präfekt ausnutzen. Um dies aber ausführen zu können, brauchte er erst einen gewissen Einfluss auf Betto und zumindest einen geringen Grad von dessen Vertrauen…

      Ancus lag nichts am Schweigen. Wie sollte er auch wissen, ob sich weitere Begegnungen mit Betto ergaben… Also war er gezwungen, gleich welcher unangenehmen Erfahrungen seiner harrten, das Eisen bei diesem ersten Aufeinandertreffen zu schmieden.

      „Du Fürst, bist ein ungewöhnlich schroffer und zum Teil auch beleidigender

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