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Keinen Schritt zurück! - The sad story of brave Maggy Stuart. Florian Juterschnig
Читать онлайн.Название Keinen Schritt zurück! - The sad story of brave Maggy Stuart
Год выпуска 0
isbn 9783347151826
Автор произведения Florian Juterschnig
Жанр Учебная литература
Издательство Readbox publishing GmbH
„Bist du dann endlich fertig mit deinen Träumen?“
„Die hat uns die liebe Elisa heute wohl zerstört.“ Sie mussten lachen. Ihr Treiben hatte sie vor den Festsaal der Reichsbank geführt. Neben der Oper und dem Regierungspalast „das“ Gebäude der feinen Leute. Trotz der Verdunkelungspflicht war der Saal hell erleuchtet, sogar die Fenster im Erdgeschoss waren geöffnet. Der Gedanke, dort einen Stein hineinzuwerfen oder gar einen Schreckschuss abzugeben, gab ihnen einen gewaltigen Auftrieb. Geduckt schlichen sie an das Fenster heran und warfen einen verächtlichen Blick auf die Bourgeoisie. Generäle, Parlamentarier und faltige alte Damen gaben sich die Ehre. In der Mitte der pittoresken Atmosphäre nahmen gerade Akademiemädchen für die nächste Ehrenbekundung Aufstellung. Lotte sah die kleinen Mädchen lange an, wie sie da Spalier standen, wie sie alle so fröhlich und unbefangen das Geschehen erwarteten. Lotte bereute nicht, was heute passiert war, sie hatte Elisa immerhin gewarnt. Sanft fasste sie ihn am Arm und führte seinen Blick auf die Mädchen. Die beiden Freunde ließen sich an der kühlen Mauer hinabsinken. Die abendliche Kälte hüllte sie ein.
„Solche Mädchen können doch nichts dafür, und für den Krieg können sie schon gar nichts.“ Lotte verbarg ihr Gesicht. „Diese Mädchen sind Tanzaffen. Trotzdem können wir das nicht so stehen lassen. Es wird sie auch treffen!“
„Wir haben das Richtige getan.“
Lotte stürzte sich auf ihn und drückte ihm die Kehle zu. „Das ist nicht das Richtige, das war nicht das Richtige!“ Wilhelm verpasste ihr einen kräftigen Tritt. Fassungslos landete sie auf den kalten Pflastersteinen. Die Logik der schrecklichen Konsequenzen fing an einzusickern. Er nahm sie in den Arm. Lotte begann zu schluchzen. „Wie soll das denn alles enden? Was hat sich Elisa nur dabei gedacht? Das war völlig sinnlos! Das war nicht mutig, sondern einfach nur dumm, und alle wird es jetzt treffen! Was soll denn jetzt mit uns passieren?“
„Wir kriegen das schon wieder hin. Elisa wird schon einen Rat wissen.“
„Und das hier?“
„Das müssen wir ganz dringend den anderen sagen.“
II. Teil – Auswege
Der ungewöhnlich kalte Morgen trug leichten Nebel über die alte Stadt. Kraftlos lehnte Lotte ihren Kopf gegen die Fensterscheibe und malte kleine Figuren, während die klapprige Straßenbahn am Parlament vorbeizog. Der Bau war noch immer festlich beflaggt, einige Straßenkehrer säuberten den Platz von Papiermüll und Konfetti, welches die große, heuchlerische Jubelfeier hinterlassen hatte. Die Straßenbahn hingegen fuhr nur noch ausgedünnt, mit alten Wägen, als Schaffner und Fahrer gab es nur mehr Frauen, die Tunnel der Unterpflasterstraßenbahn hatte man für alle Fälle zu Luftschutzräumen umfunktioniert. Ging man auf diese kleinen Details ein, dann musste man Elisas Einschätzung der Lage leider recht geben.
Panik bekam Lotte nur, wenn sie daran dachte, dass die Misere, die sie nun ebenfalls in die Todeszelle bringen konnte, weit außerhalb ihres Einflusses gelegen hatte. Ob sie es gewollt hatte oder nicht, ihr glückliches Leben endete in dem Moment, als Elisas Vater an der Front von einer feindlichen Kugel getroffen in den Morast stürzte. Als man einen von Tausenden vorgefertigten Sterbebriefen ausfüllte, der niemals an seinem Bestimmungsort ankam, weil eine feindliche Granate den Boten vom Motorrad riss.
Als die ganze Armee in einem Stahlgewitter unterging und die wenigen, ausgemergelten Überlebenden ohne Gewehr und Schuhe auf die feindlichen Gräben zuliefen, in der Hoffnung auf Schonung in der Gefangenschaft.
Als sich der Generalstab seine Niederlage eingestand und den Rundfunk anwies, eine Meldung über den Heldentod der Soldaten zu bringen.
Als Maggy in der Schlossbibliothek ihre Bilder malte, während Elisa wimmernde Verwundete durch den Dreck trug. Als Richard zu der Ansicht kam, man müsse die tapferen Soldaten vor den Fehlentscheidungen der zivilen Politiker schützen. Als die Meldung im Radio kam und Elisa begriff, dass ihr autoritärer, ja sogar herrischer Vater nicht mehr wiederkommen würde. Als sie begriff, dass ihre Chance gekommen war, dem System den Kampf anzusagen.
Doch sie, Lotte, sie begriff es erst an diesem Abend vor dem Ballsaal. Elisa hatte sie alle unter Zugzwang gebracht, und es gab keine Möglichkeit mehr zurück. Gerade sie, die sich doch nach allem nichts mehr gewünscht hatte, als endlich Ruhe und ein gutes Leben zu haben. Eigentlich hätte sie sich schon lange von Elisa lossagen müssen, um genau jenem Treiben zu entgehen, das irgendwann scheitern musste.
Doch Elisa hatte auch sie nicht im Stich gelassen, als sie vollkommen hilflos war, sie war ihr zu Dank verpflichtet, auch wenn das nun hieß, alle Konsequenzen mittragen zu müssen.
Der angeschlagene Staat war ein träges und unflexibles Wesen, aber er würde erwachen, aktiv werden und seine Schergen aussenden.
Sie konnten kämpfen und zeitweise siegen, aber am Ende würden sie untergehen, ihr Haupt auf einen Bock legen müssen. Es war zu spät.
Die fehlerhafte und brutale Erziehung hatte die Stuart-Kinder impulsiv gemacht, und die Propaganda hatte überhaupt allen ein falsches Bild vermittelt, was sich im Dienst der guten Sache zustande bringen ließ.
Die Tram kam unvermittelt zum Stehen, Militärlastwagen zogen vorbei. Lotte stieg lustlos aus und lief den Rest des Weges zu Fuß weiter. Die Innenstadt, die Altstadt, die biederen Menschen, die Bettler und die Spendensammler der Partei, alles ignorierte sie.
Keine Sekunde hatte sie mehr schlafen können, nie vergingen die Gedanken.
Ihr war vollkommen klar, dass es kein Entkommen mehr gab. Sie war also in absolutem Gegensatz zu Elisa und Richard, die alles immer noch für konsequenzenlos hielten, sie war aber auch keine Schwarzmalerin. Sie wusste, dass man unter Opfern durchaus überleben konnte, die Frage war nur, wie lange.
„Guten Tag, Mutti! Ich bringe dir einen Korb, dass du uns nicht verhungerst! Du musst ja wieder gesund werden! Richard schickt dir schöne Grüße aus der Kaserne.“
„Lotte, Kind, ich habe dich ja ewig nicht gesehen! Du bist auch so dünn.“
„Ich habe viele gute Sachen dabei, Räucherspeck und Tiroler-Käse und Brot und sogar einen Schnaps.“
Die alte Mutter hatte einen traurigen Blick, dennoch versuchte sie, sich irgendwie zu freuen. „Ich habe alle meine Kinder gern. Du hast auch immer dazu gehört, weißt du …“
„Soll ich etwas mitnehmen?“
„Hat sie denn alles, was sie braucht?“
„Das weiß ich leider nicht genau, aber ich glaube, dass sie gut zurechtkommt.“ Lotte senkte ihren Blick.
„Sie werden schon wiederkommen, alle.
Dann kochen wir auf und es gibt ein schönes Familienessen. Aber weißt du was, ich gebe dir noch was mit.“ Sie richtete sich mühsam auf, stieg von der Pritsche und holte einen kleinen Korb mit Fressalien.
„Sie hat nicht gesagt, wann sie wiederkommen wird, und der Richard, der hat auch gesagt, dass er jetzt vielleicht länger beim Militär sein muss.“
Die alte Mutter brach in Tränen