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Davor war alles anders, danach auch. ISIS Ehbauer
Читать онлайн.Название Davor war alles anders, danach auch
Год выпуска 0
isbn 9783347102590
Автор произведения ISIS Ehbauer
Жанр Биографии и Мемуары
Издательство Readbox publishing GmbH
Mara tanzt das erste Mal. Christina kommt sich ein wenig verloren vor; sie zündet sich eine von Maras langstieligen Zigaretten an. Das Vergnügen ist nur kurz, ein Hustenanfall beendet vorzeitig dieses Laster!
So in Gedanken, schöne Frau, darf ich bitten? Ein etwas schwammiger Mann steht vor ihr, zwei Sekunden zögert sie; dann erhebt sie sich doch, besser als allein herumzusitzen.
Schwere süße Parfüms schwängern die Luft, und von den Samtvorhängen der Bühne weht jener eigenartige Duft herunter, den Christina als Kind in den alten Kinos so geliebt hatte. Den „Zauberberduft „nannte sie ihn immer, der hatte sie mehr angezogen, als der jeweilige Film. Hier hat sie ihre Erinnerung daran wiedergefunden. Einen Moment lächelt sie versonnen vor sich hin. Das verbucht ihr Tänzer offenbar für sich, zieht sie eng an sich, sein heißer Atem streift ihre Wange. Daraufhin versteift sie sich noch mehr, lockert die Umklammerung. Das gefällt ihm gar nicht. Er sagt zu ihr, wenn sie keinen Spaß haben wollen, wären sie doch lieber zu Hause geblieben. Uns trennen Welten, antwortet sie, und was die Definition Spaß angeht, haben wir wohl sehr verschiedene Auffassungen! Dann lässt sie ihn stehen, geht zurück an ihren Tisch. Mara hat die Szene kurz mitbekommen, fragt, was war denn das für ein Heini? Eklig! Spottend und zynisch ziehen sie über einige ihrer bisherigen Tänzer her. Vorerst wird sie nicht tanzen.
Die wunderbaren Melodien, gespielt von einem fabelhaften Orchester, verbunden mit den riesigen Wasserfontänen, zaubern ein ganz besonderes Flair! In Ruhe genießt sie das.
Mit dunkler weicher Stimme singt eine Sängerin: „So oder so ist das Leben, ewige Ebbe und Flut!“ Das passt gerade gut zu ihr. Während sie noch immer ein wenig über ihre Tänzer spotten –
erschrickt Christina sehr. Eine Rohrpost kommt mit gewaltigem Getöse angesaust. Der Schreck fuhr ihr so in die Glieder, das sie ihr Glas fallen lässt; alles um sie herum lacht. Der Text ist leider englisch, mit russisch kommen sie hier nicht weit, diese Sprache hatten sie nicht fürs Leben gelernt. Das Telefon steht nicht still – und sie tanzen … tanzen! Dann wieder die Rohrpost! Der gleiche Absender: Mister Harriet o.ä.
Vergeblich blicken sie in alle Richtungen, bis sie endlich eine achtköpfige Herrengruppe entdecken, die wild gestikulierend auf sich aufmerksam macht. Ihre Zeichensprache verstehen sie. Als die Musik wieder einsetzt, stehen zwar eindeutig mehr Tanzpartner vor ihnen, sie entscheiden sich für zwei Herren aus der Gruppe. Es sind Schweden, wie sich später herausstellt. Unglaublich! Sie sehen wie Italiener aus! Dunkelhaarig, braun gebrannt. Als der Tanz zu Ende ist, bitten sie darum, sich einen Moment an ihren Tisch setzen zu dürfen. Einer der Herren spricht etwas deutsch, er bittet Christina um den nächsten Tanz für einen anderen Herrn aus ihrer Gruppe. Sie freut sich sehr, denn dieser Tanz ist der, auf den alle schon sehnsüchtig warten, der Tanz unter der Kugel um Mitternacht „Faszination „! Ein Englishwaltz, den wollte sie unbedingt tanzen. Mara wird wieder mit ihrem weltmännischen Traumtänzer tanzen, er hat so was von „Generaldirektor Krause „meint sie.
Mitternacht, alle Lichter gehen aus, nur die große Kugel ist beleuchtet. Das Licht bricht sich in ihr tausendfach. Langsam setzen sich die Wasserspiele in Bewegung. Ein Raunen geht durch den Saal. Welch ein Zauber … und diese Musik! Jetzt nahen auch wieder einige Herren, die mit Ihnen diesen ganz besonderen Tanz tanzen möchten. Auf diesen Tanz wartete auch sie, die beiden Schweden stehen ebenfalls vor ihnen. Blitzschnell schiebt Maras Tänzer den einzigen blonden Herrn, er sieht wirklich wie ein Schwede aus, an Christinas Seite, während er mit Mara entschwindet. Die beiden setzen sich ebenfalls in Bewegung. Ihr Tänzer wirkt etwas hilflos, Christina merkt sehr schnell, dass er überhaupt nicht tanzen kann. Sie verständigen sich in Ton und Bild, doch ein Tanz kommt nicht zustande. Immer wieder sagt er: sorry, sorry! Ihr kommt das sehr seltsam vor. Er aber strahlt sie so vergnügt und dankbar an, dass sie ihm auch nicht böse sein kann. Immer wieder zieht er sie ganz behutsam an sich, will sie nur im Arm halten. Manch lustigen Blick bemerkt sie. Sie, die vorhin so wunderbar getanzt hat, sie steht mit diesem Mann unter der Kugel … das sieht urkomisch aus, findet sie.Und so müht sie sich weiter ab, ihm ein paar Schritte wenigsten beizubringen, ohne jeglichen Erfolg. Wie zwei lustige Hühner hüpfen sie nun umher. Er ist unbeschreiblich glücklich, man sieht es! Sein Gesicht spiegelt die ganze innere Freude wider. Selten hat sie in so gütige Augen geblickt; das ist keine Pose, das ist rein und echt, denkt sie so bei sich. Er ist sehr nett und seeeehr sympathisch. Gäbe es einen „Vater Maria „, sie würde ihn so nennen. Es ist nicht der Typ Mann, wo man alle Hüllen fallen lassen möchte, um miteinander sofort zu verglüh’n! In seinen Augen liegt keine Begierde, eher eine Art Glückseligkeit, als hätte er soeben im Spielcasino den Jackpot geknackt. Der Tanz ist aus, Mara sagt, ihr Tänzer habe sie im Namen seines Chefs – der Einfachheit nennen wir ihn nun „Mister H. „mit der ganzen Gruppe in eine Bar eingeladen.
Wegen der Verständnisproblematik lehnt Christina dies ab. Mara würde gern mitgehen.Nach einem kurzen Wortwechsel zwischen ihnen und auch der beiden Herren, sieht Mister H. Christina sehr traurig an. Er ringt um Fassung, sie kann das gar nicht begreifen. Er nimmt ihre beiden Hände, küsst sie und bittet sie, natürlich wieder in englisch – doch bitte, bitte mitzukommen. Für ihn wäre es sehr wichtig und der schönste Tag in seinem Leben! Das kann sie nicht glauben. Total durcheinander, denkt sie, gibt es Zufälle? Wieso lernt sie sofort einen anderen Mann kennen, sie will das doch gar nicht, ihre Verletzungen sind so groß, dass sie nicht mehr an Wunder glaubt. Dieser hier ist in der Tat ein ganz anderer Mensch, sie ist versucht, ihm zu vertrauen. Ist das nicht längst aufgebraucht? Unschlüssig sitzt sie rum, erhebt sich, will gehen. Als sie aber wieder in seine Augen sieht, kann sie es ihm nicht abschlagen. Mara will noch schnell die Rechnung bezahlen, unsichtbare Geister haben sie längst beglichen. Mit drei Taxen fahren sie in die Old Fashand-Bar. Von einem sehr großen, seriösen Portier werden sie auf Klopfzeichen eingelassen. Einen Moment lang beschleicht Christina ein ungutes Gefühl. Das hatte sie so noch nicht erlebt, wieso werden sie auf besondere Klopfzeichen reingelassen? Merkwürdig!! Das will sie nicht, wieder will sie gehen. Mister H., der sie keine Sekunde mehr aus den Augen lässt, bemerkt es, schützend legt er seinen Arm um sie.
Sie schaut ihn an und fühlt sich unendlich wohl; so, als hätte er einen weiten, warmen Mantel um sie gebreitet. Sie genoss es, schloss die Augen und lehnte sich an ihn. Mehr wollte sie nicht, ewig hätte sie so sitzen mögen. Es war ein neues, nie gekanntes Gefühl – „Davor war alles anders! „
Dann wurde einander vorgestellt. Mister H. ist Generaldirektor der größten schwedischen Oel-Kompanie, Maras Tänzer, sein Sekretär und Dolmetscher. Christina kann nicht mehr an sich halten, sie muss laut lachen. Nur Mara weiß warum! Ein Segen, dass solche kleinen „Nebensächlichkeiten „nicht übersetzt werden müssen. Mara durfte noch einmal, vorerst, mit ihrem „Herrn Sekretär „tanzen. Danach zitierte Mister H. ihn an seine Seite, dort musste er für den Rest der Nacht zu seiner vollen Verfügung stehen. Das gefiel Mara unendlich! Für Christina war es auch nicht gerade leicht, sie musste jetzt stets beide Herren ansehen, denn beide hatten ihr ständig etwas zu sagen. Nur die Hände, die küsste nur einer! Am Anfang führte das Ganze zu den größten Lacherfolgen, der Sekretär sagte ständig: Christina, ich liebe dich sehr, das hörte sie nun in Schwedisch, Englisch und Deutsch. Scheinbar verwirrt und erstaunt, fragte sie dann jedes Mal, Sie auch? Es war ein verwirrendes Spiel! Wie sich aber bald herausstellte, steckte sehr viel mehr Ernst dahinter, als Christina vermutete. Seit ca. drei Jahren suchte Mister H. eine deutsche Frau, die mit ihm nach Schweden gehen würde. Christina war diese Frau, auf die er ewig gewartet hatte, so versicherte der Sekretär immer wieder.