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wohnte im Mietshaus gegenüber in einem möblierten Zimmer, die Wohnungsnot war damals sehr groß. Auf dem Balkon spielte er öfter Skat mit seinen Freunden. Sein Interesse für sie, hatte sie längst bemerkt, Ungeduld erfasste sie, sie malte sich aus, wie es wohl im Kino mit ihm sein würde? Ganz dicht würde sie neben ihm sitzen … Vielleicht seine Hand halten. Als er in den Laden kommt, fragt sie ihn, ob er auch gern ins Kino geht? Da er nicht gleich antwortete, hakt sie nach. Hans sagte: „Dass er schon die Gelegenheit gesucht habe, immer aber sei einer ihrer Brüder aufgetaucht; es hätte sich auch schon herumgesprochen, dass sie wie eine Nonne gehalten würde!“ Das war ihr sehr unangenehm: „Pah, ich hatte schon genug Freunde, alles wissen die zu Hause auch nicht!“ Gleichzeitig war sie über ihre Worte erschrocken – was musste er nun von ihr denken?! Bald lud er sie ein, zu einem Tanzabend. Endlich ihr erstes, richtiges Rendezvous! Mit entsprechenden Ermahnungen ihrer Eltern und einem wahnsinnig aufregenden engen, schwarzen Kleid machte sie sich auf den Weg. Hatte die zehn cm hohen, schwarzen Pumps mit den Pfennigabsätzen gewählt, Hans war sehr groß. Einmal nur durfte sie zu einem Tanz, das war der Abschlussball nach ihrer Lehrzeit! Was für ein Unterschied, es tanzten die Mädels miteinander, das hatte sie abgelehnt! Hans wartete schon, er sah hinreißend aus! Sein gut gestählter, durchtrainierter Körper, er war Judomeister mit allen Graden, begeisterte Christina. Sie tanzte selbstvergessen mit ihm, als hätte sie nie etwas anderes getan. Hans war ein hervorragender Tänzer. Insgeheim wunderte sie sich, nie hatte sie tanzen gelernt, wo auch? Ihr Körper macht ganz von allein jede Bewegung mit. Es war atemberaubend! Um ein Uhr sollte sie spätestens zu Hause sein. Sie musste dann erst mal durchs elterliche Schlafzimmer! Das fällt ihr zum ersten Mal auf, und sie ist verärgert darüber. Hans wohnte bei einer frommen, hellhörigen, alten Wirtin, die keinen Damenbesuch duldete. Und Christina duldete keinen Aufschub mehr!! Heute muss es passieren, so dachte sie. Die Küsse, die sie schon ausgetauscht hatten, ließen sie erschauern. Sie war völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Nun wollte sie alles! Ihr junger, unberührter Körper verzehrte sich nach ihm. Auf diesen Tag hatte sie lange gewartet. Er hatte sie wild und leidenschaftlich geküsst, Gefühle wallten in ihr auf, die sie noch nicht kennengelernt hatte. Hans tat sich schwer, was wenn die „Alte“ sie hören würde. Christina schmiegte sich an ihn, suchte wieder seine Lippen. Hans zog sie in den stockdunklen Flur mit nach oben. Von den Stöckelschuhen hatte sie sich schon längst befreit. Ohne Licht zu machen, und ganz leise erreichten sie den 2. Stock. Fast geräuschlos schloss er die Tür auf. Die alten Holzdielen knarrten unter ihren Schritten. Hans, bist du es? In letzter Sekunde schaffte er es, Christina in sein Zimmer zu schieben. Sie geriet in Panik! Der Rausch war erst mal verflogen; Wut stieg in ihr auf! Verdammt … leise trat sie auf den Balkon hinaus, von wo aus sie die beiden durch das angrenzende Küchenfenster sehen konnte. Da saß sie nun, die alte, neugierige Wirtin in ihrem aufgeplusterten Rüschennachthemd. Die langen Glastroddeln der alten Lampe berührten fast ihre aufgetürmte Spitzenhaube. Die Zeit rann ihr davon. Gegenüber im 1. Stock brannte im Wohnzimmer noch Licht. Die Eltern warteten noch auf ihre Tochter. Mein Gott, wüssten sie, wo ihre Tochter sich gerade aufhält und in welcher grotesken Lage sie sich befand? Lange hielt sie es in dem “Plüsch und Plunder“, der nach altem Staub und Mottenpulver roch, nicht mehr aus. Hans saß ebenfalls auf glühenden Kohlen. Er musste erst noch ihr neu erprobtes Rezept verkosten – dann ließ sie ihn endlich gehen. Wie kam sie nur unbemerkt und unbeschadet wieder hier heraus. Wenn sie wenigstens unbemerkt herauskam. Der Mond schien ins Zimmer, es war Vollmond. Der Mann im Mond lächelte ihr verheißungsvoll zu, lag es vielleicht daran, dass Christinas Leidenschaft wieder aufflammte? Sie forderte ihr Schicksal heraus. Nebenan war ein Schnarchen wie ein mittleres Erdbeben zu hören. Die Gefahr war erst mal gebannt. Alles Starre, Beengende fiel von ihr ab. Das alte Plüschsofa fiel schon fast auseinander. Sie zog ihn auf den Teppich und küsste ihn mit der verzweifelten Intensität einer Ertrinkenden. Hans fragte sie: „Willst du es wirklich?“Wovor hatte er Angst, doch nicht vor ihren Brüdern?! Er war doch Judomeister, an Körpergröße ihnen noch überlegen – aber sie waren drei! Ihre Freundinnen hatten es lange hinter sich gebracht, das erste Mal. Nein, sie würde nicht gehen, die Vorwürfe von den Eltern entgegennehmen, falls es später werden sollte. Schwer atmend beugte er sich über sie, streichelte sie zärtlich, liebkoste sie, auch ihn packte das Verlangen und die Lust nach diesem schönen, jungen Körper. Ihre Erregung besiegte jede Vernunft. Er verführte sie mit seinen Lippen, Christina war einer Ohnmacht nahe. Diese Augenblicke wollte sie für immer festhalten. Hans war ein aufregender, zärtlicher Liebhaber. Sie liebte ihn mit der ganzen Hingabe und Leidenschaft einer erwachten Frau. Dass sie ihm etwas vorgemacht hatte in puncto „Männererfahrungen „hatte er wohl bemerkt. Es gab noch keine Babypille und er machte sich bereits Gedanken, ob diese erste Nacht mit ihr eventuell Folgen haben könnte?! Sie hatte, nach neun Monaten genau, gebar Christina, Marc, einen wunderschönen Knaben. Ihre Eltern wunderten sich, sie hatten sich plötzlich verlobt. Als sie fast im sechsten Monat schwanger war, bemerkte ihre Mutter erst ihren Zustand; der Familienrat beschloss, es müsste schnell geheiratet werden. Hans war bereit dazu. Täglich wartete sie nun auf dem Balkon auf seine Rückkehr nach getaner Arbeit. Immer häufiger wartete sie vergebens. Auf ihre Fragen antwortete er ausweichend, schob Freunde und Kollegen vor. Den Eltern gefiel das gar nicht. Zur allgemeinen Verwunderung blieb er sogar dem Polterabend fern und alle Verwandten entsetzten sich darüber. Wozu hatte man alles “ Verderbliche „so lange von Christina ferngehalten. Übermorgen sollte die Hochzeit sein. Mutters Schwestern waren schon angereist, in der Küche wurden u.a. zahlreiche Hühner gerupft, fürs Hochzeitsmahl. Alle legten Hand an, es sollte doch ein schönes Fest werden. Vater schwoll mächtig der Kamm, er nahm seine Tochter beiseite und bat sie, Hans nicht zu heiraten; sie würde ins Unglück rennen. Er habe vier Kinder großgezogen, auf eins mehr käme es nicht mehr an. Sie war sprachlos und freute sich über diese Aussage des Vaters. Sie hatte früher andere Sätze vernommen. Ihr waren auch schon Zweifel gekommen, womöglich hatte der Vater recht.

      Das schöne Hochzeitskleid, die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren! Die ganze Straße nahm Anteil, sie kannten Christina von klein an, und mochten sie alle. Der Schlächter hatte mit einem Riesenpaket zum Festschmaus beigetragen. Vor allem aber wollte sie ihren Sohn, ihr Gefühl sagte ihr, dass es ein Sohn werden würde, nicht unehelich auf die Welt bringen. Sie wollte auch um ihre kleine Familie kämpfen. Mit viel Geduld und ein wenig Glück hatte sie sich schon eine kleine Wohnung erkämpft. Die ganze Verwandtschaft half bei der Einrichtung. Ihr Bruder Hardy hatte ihr die ganze Wohnung renoviert. Es wurde ein gemütliches Heim und selbst die Babywiege stand schon bereit. Endlich war sie frei, abgenabelt von zu Hause!

      Die Hochzeit war wunderschön, sie freute sich auf die Zukunft. Hans im Smoking, sein Anblick, ließ sie alle Querelen vergessen. Alle, die sie kannten, brachten Geschenke und Blumen, es war wunderbar. Doch noch ein guter Anfang!

      Drei Tage nach der Hochzeit kam Hans nicht nach Hause. Christina war krank vor Sorge … das passierte jetzt öfter. Er fing an zu trinken, oder trank er schon früher, sie kannte ihn ja kaum richtig. Schreckliche Szenen spielten sich ab, auch schon während der Schwangerschaft. Er bleibt jetzt immer öfter weg; endlich vertraut sie sich den Eltern an. Sie sind erschüttert, haben es kommen sehen. Als noch herauskam, dass er schon lange eine ältere Freundin hatte, die einen großen Einfluss auf ihn ausübte; und nicht bereit war, auf ihn zu verzichten, reichte Christina die Scheidung ein. So einen Vater wollte sie ihrem Sohn nicht erhalten. Leider zog sich das hin, in der DDR ließ man sich nicht scheiden, die Partei gaukelte Harmonie in allen Lebenslagen vor. Dadurch erlebt sie noch viele, hässliche Auftritte, wenn er betrunken ist. Niemand kann das verstehen, er hat so einen, wunderbaren, hübschen Sohn. Einmal ist sie nachts um zwei Uhr mit dem Kinderwagen zu den Eltern gefahren, ihr Sohn sollte das nicht mitbekommen. Nach einem weiteren Jahr wurde die Ehe geschieden. Hans hatte nichts besessen, auch keine Verwandten – aber er räumte fast die ganze Wohnung aus, brachte alles zu seiner Liebsten. Wie konnte sie sich so irren und täuschen lassen? Sie hat nur ein verächtliches Lächeln für ihn. Christina hatte ihm nicht lange nachgetrauert, zu groß war der Verrat gewesen; dennoch war sie ihm dankbar für diesen wunderbaren Sohn! Außer der Statur hatte er wenig von seinem Vater, darüber war sie froh. Für ihr kleines „Mutzelmännchen „muss sie nun allein geradestehen – das will sie auch! Ihren Laden hatte sie aufgegeben. Nach einer kurzen Babypause bemüht sie sich um eine neue Stelle. Marc wird bei den Eltern bleiben, die Wochenenden verbringen sie gemeinsam.

      In Neukölln ist eine Stelle

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