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      „Hat er einen Namen genannt?", fragte ich.

      Carlovich nickte. „John Smith."

      „Nicht besonders originell."

      „Habe ich auch gedacht, Agent Trevellian. Aber wenn Bridger, Garland & Associates einen Termin mit einem gewissen John Smith vereinbart hat und in der Eingangshalle taucht jemand mit diesem Namen auf, dann habe ich keinen Grund, denjenigen daran zu hindern, das Gebäude zu betreten."

      „Es macht Ihnen auch niemand einen Vorwurf", versicherte ich.

      „Wer hätte auch schon ahnen können, dass es sich bei diesem Typ um einen Killer handelt! Schließlich können wir unmöglich bei all den Mandanten der in diesem Haus residierenden Anwälte Leibes- und Gepäckvisitationen durchführen. Dann hätten wir sehr schnell deren gesamte Mandantenschaft verprellt."

      Wenig später statteten wir der Kanzlei Bridger, Garland & Associates einen kurzen Besuch ab. Wir bekamen dort die Auskunft, dass tatsächlich ein Mann namens telefonisch um einen Termin gebeten hatte. Er wollte angeblich Rechtsauskunft in einer Erbschaftsangelegenheit.

      Wie unsere Kollegen Leslie Morell und Jay Kronburg herausfanden, hatte dieser ominöse "John Smith" auch in zwei anderen Kanzleien angerufen, um einen Termin zu bekommen, war dort jedoch auf spätere Termine vertröstet worden.

      Inzwischen traf unser Zeichner Agent Prewitt ein, der zusammen mit dem Security Guard Carlovich, Milo und mir ein Phantombild erstellte. Dazu benutzte er natürlich schon lange nicht mehr Block und Bleistift, sondern ein hochmodernes Laptop mit einer speziellen Software zur Erstellung brauchbarer Phantombilder.

      Da in diesem Fall niemand besonders viel vom Gesicht des Verdächtigen gesehen hatte, blieb das Ergebnis trotz eines Top-Bildprogramms und dem unbestreitbaren Können Agent Prewitts eher dürftig.

      Wir waren gerade damit fertig, als uns ein sehr interessantes Ergebnis der SRD-Kollegen erreichte.

      Es war Miles Pendros, der mir die Neuigkeit per Handy mitteilte.

      „Am Schloss der Glastür, die zu den Räumen von Watson & Partners sind keinerlei Spuren eines Einbruchs erkennbar. Da wir davon ausgehen, dass der mutmaßliche Täter über diesen Weg an den Tatort gelangt ist, muss man daraus eigentlich den Schluss ziehen, dass er wahrscheinlich einen Schlüssel hatte oder ihn jemand hereingelassen hat, Jesse."

      „Ich danke dir, Miles."

      Wenig später besprach ich die Sache mit Milo und Clive.

      „Wenn ihr mich fragt, dann gibt es da nur zwei Möglichkeiten, wie er an den Schlüssel herangekommen sein kann", sagte Clive. „Entweder er hatte einen Helfer bei den Wachleuten oder bei Watson & Partners.“

      „Dürfte auf jeden Fall interessant sein, diese Kanzlei mal unter die Lupe zu nehmen", fand ich.

      5

      Es war später Nachmittag. James Gutierrez saß mit zwei dunkelhaarigen Schönheiten in den Armen an einem Tisch im Buena Vista Club in der 110. Straße Ost, einer Latino-Disco, die als Tummelplatz von Kokain-Dealern für den gehobenen Bedarf bekannt war. James Gutierrez kontrollierte diesen Laden über einen Strohmann namens Rex Hueldez. Der Buena Vista Club diente ihm vor allem zur Geldwäsche. Gewinn brauchte der Club ansonsten kaum abwerfen. Tat er es doch – um so besser.

      Wichtig war nur, dass der Umsatz möglichst hoch war. Je höher der Umsatz, desto mehr schwarzes Geld konnte man durch ihn hindurch schleusen und zu schneeweißem Kapital machen, mit dem sich ganz legale Geschäfte machen ließen. Und genau darauf waren sie alle aus, die mit illegalen Geschäften ihr Geld machten. Die Drogenbarone ebenso wie die Paten der Müll-Mafia oder Falschgeldhändler, die mit dem Export von falschen Dollar-Noten nach Südamerika oder in die ehemaligen GUS-Staaten ein Vermögen machten.

      Das Problem blieb immer dasselbe - und Männer wie James Gutierrez hatten die Lösung dafür.

      Die Drogenhändler, die allabendlich im Club herumhingen und ihren Stoff an Rechtsanwälte, Yuppies aus der Wall Street und andere Kunden verhökerten, die bereit waren, für guten Koks etwas mehr auszugeben, als man an den Straßenecken der Bowery oder in der South Bronx dafür hinblättern musste, nahm Gutierrez eigentlich nur in Kauf. Im Grunde stellten sie eine Gefahr für sein Geschäft dar - wenn auch nicht ihn persönlich, denn im Zweifelsfall musste sein Strohmann für alle rechtlichen Folgen den Kopf hinhalten.

      Gutierrez waren diese schmierigen Typen, die allabendlich an den Tresen herumhingen oder ihre Hüften zu den Latino-Rhythmen wiegten, die im Buena Vista gespielt wurden, zuwider.

      Aber da es die Leute von Benny Duarte waren, dem Koks-König von East Harlem, der es geschafft hatte, so etwas wie der Generalvertreter eines kolumbianischen Drogensyndikats im Big Apple zu werden, konnte James Gutierrez die Koksdealer nicht aus dem Buena Vista und anderen seiner Clubs verbannen. Schließlich war Benny Duarte einer seiner wichtigsten Kunden. Davon abgesehen hatte er mehr Männer unter Waffen als sonst irgendjemand in East Harlem, dem Latino-Viertel von New York, in dem Puertoricaner, Exil-Kubaner, Kolumbianer und Mexikaner lebten. Die Puertoricaner stellen dabei die weitaus größte Gruppe dar. Gutierrez’ Eltern waren auch von der Insel gekommen. Er selbst war allerdings bereits in East oder auch Spanish Harlem geboren worden, das im Süden an Yorkville, im Westen an das schwarze Harlem und im Osten an den East River grenzte.

      Richtung Norden trennte es der Harlem River von der South Bronx, die inzwischen ebenfalls eine sehr starke puertoricanische Gemeinde besaß.

      Für Gäste hatte das Buena Vista um diese Zeit noch gar nicht geöffnet. Aber bevor der Publikumsverkehr losging, wolle der Boss sich noch etwas amüsieren. Eine Champagnerflasche stand auf dem Tisch. Die Gläser schäumten über und die beiden Girls, die Gutierrez im Arm hielt, schienen bester Laune zu sein.

      Rex Hueldez, Gutierrez’ Strohmann stand hinter dem Schanktisch und beobachtete misstrauisch die Szene. Hueldez war Mitte dreißig, hatte dunkel gelocktes Haar und sehr hager. Er hatte bei Gutierrez als Türsteher angefangen. Jetzt konnte er sich Clubbesitzer nennen, auch wenn ihm durchaus klar war, dass er seine Existenz auch jetzt noch zu hundert Prozent Gutierrez verdankte.

      „Auf die Zukunft, Muchachas!“, rief Gutierrez, der bereits mehrere Champagnergläser gelehrt hatte.

      Die Girls kicherten.

      Aber dieses Kichern erstarb von einem Augenblick zum anderen, als die Eingangstür um Buena Vista zur Seite flog.

      Ricky Balbo, der breitschultrige und fast zwei Meter große Türsteher des Buena Vista, taumelte durch den Raum und flog der Länge nach zu Boden. Mit einem Fluch auf den Lippen wischte er sich das Blut von der Nase.

      Ein unglaublich dicker Mann Anfang vierzig und in einen schneeweißen Maßanzug gekleidet, betrat den Raum. Das blauschwarze Haar war nach hinten gekämmt.

      Drei Kerle mit schwarzen Rollkragenpullovern und Bodybuilderfigur begleiteten ihn. Sie trugen Maschinenpistolen vom Typ MP 7 der Firma Heckler und Koch im Anschlag.

      „Mister Duarte!“, stieß Gutierrez völlig verblüfft hervor.

      Mit allem hätte er jetzt gerechnet, nur nicht damit, dass ausgerechnet Benny Duarte ihm einen Besuch abstattete.

      Der Koks-König von East Harlem deutete auf den am Boden liegenden Balbo.

      „Lausige Bodyguards beschäftigen Sie, Gutierrez!“, tadelte er den Mann hinter den Champagnergläsern.

      Die Girls saßen jetzt auf einmal ziemlich steif da. Ihre Gesichter erbleichten.

      Benny Duarte trat näher.

      Hueldez machte eine unbedachte Bewegung, die damit quittiert wurde, dass gleich zwei von drei MP7-Läufen auf ihn gerichtet wurden.

      „Hey, keine Panik! Am besten, wir bleiben alle ganz ruhig!“, zeterte Hueldez.

      Duarte steckte sich eine Zigarre in den Mund und zündete sich an.

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