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Die Abdrücke auf dem hellblauen Teppichboden zeigte genau an, wo die einzelnen Möbelstücke gestanden hatten.

      Beide Fenster waren geschlossen.

      Ich schnellte zurück, machte Milo ein Zeichen.

      Diesmal war er dran, die Tür aufzustoßen und den Raum als erster zu betreten, während ich auf dem Flur sicherte.

      Mit der SIG in der Faust machte er einen Schritt in den Nachbarraum, dessen Tür nur angelehnt gewesen war. Das Fenster stand offen. Anders als in den ultramodernen Bürotürmen, die sich dreißig, vierzig oder noch mehr Stockwerke in den Himmel über Manhattan erheben, bei denen sich die Fenster oft aus Angst vor Selbstmördern gar nicht mehr öffnen lassen und Frischluft einzig über die Klimaanlage in die Räume gebracht werden kann, waren hier ganz herkömmliche Schiebefenster zu finden, wie sie in den meisten amerikanischen Häusern üblich sind.

      Milo senkte die Waffe.

      Dies war also der Ort, von dem aus geschossen worden war.

      „Los, lass uns die anderen Räume noch kurz durchsuchen“, sagte Milo.

      „Warte!“

      „Was ist?“

      „Hier stimmt was nicht.“ Ich deutete auf den Vorhang am Fenster. Er hing schlaff herunter, bewegte sich nicht. „Mister Conroy, öffnen Sie die Glastür!“, rief ich.

      „Steht offen!“, gab Conroy einen Augenblick später zurück.

      Milo sah mich verständnislos an. „Worauf willst du hinaus, Jesse?“

      „Kein Durchzug, Milo! Der Kerl ist nicht durch die Glastür zu den Aufzügen gelaufen!“

      „Sondern?“

      Ich rannte über den Flur, stieß die Tür gegenüber auf. Sie war nur angelehnt. Mit der SIG in der Hand trat ich ein. Eines der zum Hinterhof ausgerichteten Fenster stand offen. Zugluft entstand und ließ die Tür hinter mir zuschlagen.

      Ich lief zum Fenster und blickte in den Hinterhof. Ein Mann mit Baseball-Kappe und einer Sporttasche über der Schulter ging eiligen Schritts auf die etwa hundert Meter entfernte Ausfahrt des von mehrstöckigen Brownstone-Bauten eingerahmten Hinterhofs zu, der vor allem als Parkplatz diente.

      Über eine Feuertreppe konnte man hinab gelangen. Ich zögerte keine Sekunde, schwang mich aus dem Fenster, erreichte den ersten Absatz der Feuertreppe und rannte sie hinunter.

      „Stehen bleiben! FBI!“, rief ich dem Kerl mit der Baseball-Cap hinterher.

      Der Kerl drehte sich um.

      LAKERS stand in Großbuchstaben auf seiner Mütze. Die Augen waren durch eine Sonnebrille mit Spiegelgläsern verdeckt, sodass man von seinem Gesicht lediglich Nase und Kinnpartie sehen konnte.

      Der Mann mit der LAKERS-Mütze griff unter seine blousonartige Jacke, riss eine Waffe hervor und feuerte sofort in meine Richtung.

      Schüsse peitschten, kratzten Funken sprühend am Metallgestänge der Feuertreppe entlang oder gruben sich in das vergleichsweise weiche Brownstone-Mauerwerk.

      Ich feuerte zurück.

      Milo hatte inzwischen das Fenster erreicht und gab mir ebenfalls Feuerschutz.

      Der Kerl rannte auf die Ausfahrt zu.

      Ich sah zu, dass ich hinunter kam, nahm mehrere Stufen mit einem Schritt, sprang und rutschte, bis ich schließlich den Asphalt des Hinterhofs unter den Schuhen hatte.

      Wieder peitschten Schüsse in meine Richtung. Ich duckte mich hinter einer parkenden Limousine, feuerte zurück, ohne jedoch zu treffen.

      Der Mann mit der LAKERS-Mütze hatte jetzt die Einfahrt zum Hinterhof erreicht.

      Ein Wagen bremste.

      Es handelte sich um einen Ford in Silber Metallic. Der LAKERS-Mann richtete die Waffe auf den Fahrer, umrundete die Motorhaube, riss die Fahrertür auf und zerrte den etwa fünfzigjährigen Mann am Steuer grob heraus.

      „Nicht schießen!“, zitterte der Ford-Fahrer.

      Der Killer gab ihm einen Schlag mit dem Lauf seiner Pistole, der ihn niedersinken ließ. Dann setzte er sich ans Steuer. Er setzte den Wagen zurück. Rücksichtslos fuhr er auf die sich an die Einfahrt anschließende Straße. Ein Wagen bremste mit quietschenden Reifen.

      Ich rannte hinterher, zielte auf die Reifen des Ford. Den vorne rechts erwischte ich. Der LAKERS-Mann startete trotzdem durch. Funken sprühten und ein Geruch von verbranntem Gummi verbreitete sich, als der Ford nach vorne schoss.

      Der LAKERS-Mann vollführte mit dem Ford einen riskanten Fahrbahnwechsel. Ein Chevrolet musste bremsen. Zwei weitere Fahrzeuge fuhren auf. Ein Fahrradkurier konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen.

      Mit aufheulendem Motor und über den Asphalt kratzender Felge vorne rechts dröhnte der Ford die Fahrbahn entlang.

      Ich erreichte die Straße, sprang auf den Kofferraum eines parkenden Wagens, legte die SIG Sauer P226 an und feuerte.

      Zwei Schüsse.

      Einer traf den Reifen hinten rechts.

      Es war ohnehin schon ein Wunder gewesen, wie der LAKERS-Mann es geschafft hatte, den Ford trotz des zerschossenen Vorderreifens in der Spur zu halten.

      Jetzt brach er hinten aus, schabte an einer Reihe parkender Fahrzeuge entlang und blieb schließlich an einem von ihnen hängen.

      Die beiden verbleibenden Reifen drehten durch.

      Die Metallfelge sprühte Funken wie ein Schweißgerät.

      Der LAKERS-Mann öffnete die Tür, riss die Waffe empor und feuerte in meine Richtung. Ich duckte mich, sprang vom Wagen und rannte hinter ihm er.

      Keine fünfzig Meter entfernt befand sich eine Subway-Station. Der LAKERS-Mann rannte die Stufen hinab, die in die Tiefe führten. Hinunter in die unterirdische Stadt aus Subway-Bahnhöfen, Schienentunnels und Abwasserkanälen, von denen nur noch ein Bruchteil in Gebrauch war. Zehn Stockwerke tief reichte dieser Maulwurfsbau, wie er von New Yorkern oft liebevoll genannt wurde, unter die Oberfläche.

      Ich setzte dem flüchtigen LAKERS-Mann, den ich für den Mörder Ray Azzaros hielt, weiter nach. Ein Strom von Menschen kam mir entgegen, hielt mich auf und es nützte mir auch nichts, dass ich mit meiner FBI-Marke herumwedelte. Es waren einfach zu viele. Schon nach wenigen Augenblicken hatte ich den LAKERS-Mann aus den Augen verloren. Aber noch war ich nicht bereit aufzugeben.

      Schließlich erreichte ich den Bahnsteig.

      Ein Zug fuhr gerade weg.

      Der Bahnsteig war voller Menschen. Eine Minute später stand ich fast allein dort. Milo sah ich die Treppe hinunter kommen, die SIG in der einen und die FBI-Card in der anderen Hand.

      Er sah sich suchend um.

      Von dem LAKERS-Mann war nirgends eine Spur zu finden.

      Ich steckte meine Pistole weg und griff stattdessen zum Handy, um sicherzustellen, dass der gerade Richtung Central Park abgefahrene Zug bei der nächsten Station von Kollegen des New York Police Department unter die Lupe genommen wurde. Meine knappe Täterbeschreibung sollte dabei helfen: Der Killer war mindestens einsachtzig groß, männlich, Baseball-Cap mit der Aufschrift LAKERS und eine Sporttasche der Firma Nike.

      „Danach könnte man nicht einmal ein Phantombild fabrizieren, Jesse“, tadelte mich Milo, der alles mitbekommen hatte. Auch er steckte jetzt die SIG zurück ins Holster und ließ die FBI-Marke in der Jackentasche verschwinden.

      „Sehr witzig, Milo! Leider hat der Kerl auf meine Aufforderung seine Brille nicht abgenommen, damit ich ihn besser sehen kann!“

      4

      Wir kehrten zurück zum Tatort.

      Nur eine Viertelstunde später

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