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zog sich zurück, hetzte den Korridor entlang.

      Ich folgte ihm, tastete mich zunächst zur Tür vor, die mit einem hydraulischen Türschließer versehen war, der den Spalt langsam kleiner werden ließ.

      Ich tauchte aus der Deckung hervor. Ein paar Kugeln empfingen mich aus dem Korridor heraus, in dem soeben das Licht ausgegangen war. Die Projektile wurden größtenteils durch die sich schließende Tür aufgefangen. Ich zuckte zurück, setzte nur einen Fuß in den Türspalt.

      Ricky Balbo feuerte wie wild in meine Richtung. Die schnellen Schritte verrieten, dass er gleichzeitig lief und dementsprechend schlecht zielen konnte. Ich zählte die Schüsse mit.

      Irgendwann musste er nachladen.

      Der Geschosshagel verebbte.

      Ich riskierte es und rannte in den Korridor, die SIG in der Rechten.

      Von Balbo war keine Spur zu sehen.

      Ich tastete mich vorwärts, spurtete schließlich zum Ende des Korridors.

      Dort befand sich ein Raum, von dem aus die Fahrstühle abgingen.

      Aber keiner der Fahrstühle war in den letzten Minuten in Gang gesetzt worden. Das wäre sonst an der Leuchtanzeige zu sehen gewesen. Ich öffnete die Kabinen und sah mir auch kurz an, ob die Deckenplatten gelockert worden waren und Balbo vielleicht die Liftkabine verlassen hatte. Jugendliche machten sich daraus immer häufiger einen Sport. Sie nannten das Lift Surfing. Man löste die Kabinenverkleidung, kletterte an den Stahlseilen hinaus und ließ sich dann auf dem Kabinendach nieder. So mancher war schon bei dem Versuch, von einer Kabine zur anderen zu springen, buchstäblich zerrissen worden.

      Aber in diesen Liftkabinen schien mir alles in Ordnung zu ein.

      Schließlich hätte Balbo auch nur wenige Augenblicke Zeit gehabt, um die Platten wieder so in die Verkleidung der Liftkabine einzusetzen, dass man nichts sah. Und das hielt ich für extrem unwahrscheinlich.

      Ich kehrte zurück.

      Der Zugang zum Treppenhaus war abgesperrt. Eigentlich ist das seit den Ereignissen des 11. Septembers 2001 nicht mehr erlaubt, als zwei von Terroristen gekaperte Flugzeuge ins World Trade Center rasten.

      Seit jenem Tag war man zu der Ansicht gelangt, dass es wichtiger war, im Katastrophenfall den Rettungsweg offen zu halten, als eventuell Unbefugten den Zugang zu erschweren. Aber je weiter der 11. September zurücklag, desto mehr schien das in Vergessenheit zu geraten.

      Wenn Balbo das Schloss geöffnet hätte, so wäre das kaum möglich gewesen, ohne dass ich davon etwas gehört hätte.

      Er war also wahrscheinlich noch hier oben.

      Totenstille herrschte.

      Lautlos lief ich über den frisch gebohnerten Boden, was gar nicht so einfach war, denn auf dem Parkett hörte man jeden Schritt.

      Ich nahm mir die Zimmer vor. Bei einem stand die Tür einen Spalt offen. Es handelte sich um Clubzimmer für eine kleinere Gesellschaft. Vermutlich fand hier auch illegales Glücksspiel statt. Jedenfalls wäre der Raum hervorragend dafür geeignet gewesen. Ein offener Lastenaufzug war in die Wand eingelassen, der zur Seite geschobene Vorhang ließ den Blick auf den etwa ein Meter fünfzig mal ein Meter fünfzig großen Stauraum frei, über den wohl vorwiegend der Getränkenachschub heraufgeschafft wurde.

      Ich nahm mir den nächsten Raum vor. Es war mit dem ersten zu fast hundert Prozent identisch – einschließlich des Lastenaufzugs. Der Boden glänzte, alles war Tipp Top hergerichtet.

      Im dritten Raum fiel mir auf, dass der Vorhang des Lastenaufzugs geschlossen war. Ich ging hin, riss ihn zur Seite.

      Aber offenbar handelte es sich wohl doch nur um die Nachlässigkeit eines Mitarbeiters im Buena Vista. Der Aufzug war leer.

      Aus dem Nachbarraum hörte ich plötzlich ein Geräusch. Ein surrender Elektromotor.

      Ich stürmte dorthin, wo ich die Ursache dieses Geräusch vermutete. Ins Nachbarzimmer! Jemand hatte den Lastenaufzug betätigt. Er war auf dem Weg nach unten.

      Ich rannte zum an der Wand befindlichen Schaltpult. Der Aufzug ließ sich stoppen.

      Ich blickte in den Schacht und sah, wie die Drahtseile vibrierten.

      Balbo war gefangen.

      Ich sah hinab in die Tiefe.

      Schüsse krachten durch die aus dünnem Sperrholz gefertigte Deckenverkleidung hindurch und schlugen fingerdicke Löcher. Ich zuckte zurück.

      „Hier ist das FBI! Geben Sie auf, Balbo!“, rief ich. „Sie haben keine Chance da herauszukommen! Wenn Sie noch einmal feuern, werde ich zurückschießen müssen! Und dass das Sperrholz nicht kugelsicher ist, haben Sie ja wohl gemerkt!“

      Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen.

      „Okay!“, rief Balbo schließlich. „Nicht schießen!“

      „Ich hole Sie jetzt rauf!“, kündigte ich an.

      18

      Ricky Balbo ließ sich widerstandslos festnehmen. Ich nahm ihm die Waffe ab und legte ihm Handschellen an. Per Handy verständigte ich Milo. Der hatte inzwischen Verstärkung gerufen. Die Kollegen Clive Caravaggio, Orry Medina und Fred LaRocca waren auf dem Weg hier her.

      „Sie haben Robin Carlos den Auftrag gegeben, zusammen mit Rick Mendoza einen Mordanschlag auf James Gutierrez zu verüben“, warf ich Balbo vor.

      „Wer sagt dass? Carlos? Das ist nicht wahr!“

      „Aber Sie kennen ihn, wie ich sehe…“

      „East Harlem ist ein Dorf, da kennt jeder jeden.“

      „Und da weiß man auch genau, wer vielleicht einen dreckigen Killerjob übernimmt. Sie konnten ja nicht ahnen, dass gerade an dem Abend, an dem Sie Gutierrez’ ausschalten wollten, ein paar FBI-Beamte in der Nähe waren. Ich bin gespannt, was Gutierrez dazu zu sagen hat, dass Sie…“

      „Der bringt mich um, wenn Sie ihm diese Lüge erzählen.“

      „Warum sollte Robin Carlos lügen? Der hat nichts mehr zu verlieren. Und Sie auch nicht. Also packen Sie aus! So etwas ist doch nicht auf Ihrem Mist gewachsen? Wer hängt noch mit drin? Hueldez vielleicht? Oder arbeiten Sie für Gutierrez’ Konkurrenz?“

      „Ich sage kein Wort mehr“, erwiderte er. „Jedenfalls nicht, bevor nicht ein Anwalt anwesend ist.“

      19

      Zur selben Zeit trafen sich unsere Kollege Jay Kronburg im New Vanguard mit ihrem Informanten Greg Tambino.

      „Ich kann Ihnen Benny Duarte auf dem Silbertablett servieren“, erklärte er. „Er trifft sich in Kürze mit einem neuen Lieferanten und nimmt von ihm eine Probelieferung entgegen. Ich weiß genau wann und wo.“

      „Dann packen Sie aus, Tambino!“, forderte Jay Kronburg unmissverständlich.

      „Ich möchte, dass Sie ein paar Dollar drauflegen und außerdem die Zusicherung, dass nicht gegen mich ermittelt wird…“

      „Haben Sie sich denn was zu schulden kommen lassen, Tambino?“, fragte Leslie Morell.

      Tambino verzog das Gesicht. „Wenn ich ein Engel mit lupenreiner Weste wäre, würde ich nicht an die Informationen herankommen, die Sie brauchen.“

      „Also über einen Extra-Bonus können wir reden, wenn Sie uns helfen, Benny Duarte nicht nur bei der Übergabe einer Probelieferung zu erwischen, sondern dann, wenn es um das erste größere Kokain-Geschäft geht!“

      „Das dachte ich mir schon“, nickte Tambino. „Sie hören von mir!“

      „Alles andere wäre Sache des District Attorney“, fuhr Leslie

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