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ihren Lebensunterhalt zu bestreiten." Er wandte sich zu Bount um und sah ihn offen an. "Es ist im Leben wie im Geschäft, Mister Reiniger! Genau wie ich sagte: Man muss sich um alles selbst kümmern! Ich hätte mich auch selbst im Kimberley kümmern müssen."

      "Weder ich noch Sie können die Zeit zurückdrehen, Mister Morgan!", stellte Bount fest. Ein Unterton von Ungeduld war jetzt nicht mehr zu überhören. "Aber Sie könnten mir jetzt sagen, weshalb Sie so felsenfest davon überzeugt sind, dass Kimberley nicht einfach nur Urlaub macht, ohne Ihnen etwas davon gesagt zu haben!"

      "Die Schecks der letzten drei Monate hat sie noch nicht eingelöst. Ist doch merkwürdig, nicht? Sie war immer in Geldnot und es würde mich nicht wundern, wenn sie noch immer hin und wieder Kokain genommen hat - angeblich soll das ja die Kreativität fördern. Jedenfalls ist es verdammt teuer. Kimberley hat nie gelernt, sich Geld einzuteilen, weil sie immer im Überfluss davon hatte. Manchmal hat sie mich angerufen und gefragt, ob der Scheck nicht eine Woche früher kommen könnte. Sie hat keine Rücklagen, da bin ich mir so gut wie sicher. Es mag ja Leute geben, die von wenig oder gar keinem Geld leben können, aber Kimberley gehört ganz sicher nicht dazu!" Bount wurde hellhörig.

      Das mit uneingelösten Schecks war ein Punkt, der tatsächlich merkwürdig klang.

      Indessen fuhr Morgan fort: "Gestern hat mich ihr Vermieter angerufen. Sie hat ist mit der Miete im Rückstand. Die Nachbarn haben sie seit längerem nicht mehr gesehen."

      "Waren Sie in der Wohnung?"

      "Ja. Ich habe mir Zutritt verschafft."

      "Und?"

      Er zuckte die Achseln.

      "Sie war nicht dort!"

      "Wann haben Sie Ihre Tochter zum letzten Mal gesehen?"

      "Das ist fast ein halbes Jahr her. Sie brauchte mal wieder Geld. Das war nichts Ungewöhnliches, aber sie hatte sich doch in erschreckender Weise verändert. Sie trug nur noch schwarze Sachen und war im Gesicht weiß geschminkt. Wie eine Leiche. Ich war schon einiges an modischen Verrücktheiten von ihr gewohnt, aber als ich sie sah war ich doch etwas erschrocken. Wie eine lebende Leiche sah sie aus. Ich fragte sie, was mit ihr los sei."

      "Was hat sie gesagt?"

      "Ich hatte den Verdacht, dass sie wieder irgendetwas genommen hätte. Vielleicht war es auch so, sie wirkte ziemlich high und erzählte mir irgend so einen Unfug von Geisterbeschwörungen, Gläserrücken, Seancen, Stimmen auf Tonbändern, die von Verstorbenen stammen sollen und so weiter. Ich habe es nicht richtig verstanden und war auch nicht weiter neugierig darauf. Sie war ganz erfüllt von diesem Okkultismus-Zeug! So war das immer mit ihr, wenn sie auf einem neuen Trip war."

      "Haben Sie ein Photo von ihr?"

      "Ich werde Ihnen gleich eins geben, wenn wir zurück ins Haus gehen. Und dann bekommen Sie auch einen Scheck. Die Summe können Sie selbst eintragen." Er lächelte matt.

      "Ich hoffe, Sie machen mich nicht arm, Mister Reiniger!"

      "Ist das bei Ihnen überhaupt möglich?"

      "Sie müssten sich schon einige Mühe geben!" Dann atmete Harry J. Morgan erleichtert durch und stellte fest: "Ich nehme also an, dass Sie den Fall übernehmen." Bount nickte.

      "...falls es tatsächlich ein 'Fall' ist!"

      "Ich hoffe, dass sich Ihre Skepsis bewahrheitet, Mister Reiniger. Aber ich habe ein schlechtes Gefühl."

      3

      SoHo - das stand für South Houston Industrial District, aber die ehemaligen Lager-und Fabrikhallen dienten zum Großteil seit langem einem ganz anderen Zweck. Seit die Verwaltung das Viertel zum Wohnen freigegeben hatte, war hier New Yorks jüngste Künstlerkolonie entstanden, denn die zahlreich vorhandenen Hallen und Lagerräume gaben hervorragende Ateliers ab.

      Als Bount Reiniger am nächsten Tag Kimberley Morgans Adresse aufsuchte, fand er ihre Wohnung auf ungefähr hundert Quadratmetern, die von einer Lagerhalle abgetrennt worden waren.

      Für Bount war es keine Schwierigkeit, das Türschloss zu öffnen. Er blickte sich um. Der Raum war hoch. Aus den oberen Fenstern fiel das Licht herein.

      Bount konnte sich vorstellen, dass man hier gut malen konnte.

      Die Wohnung war zugleich Atelier, Schlaf- und Wohnraum. Es gab keine Trennung zwischen den drei Funktionen.

      Das Bett war eine große Doppelmatratze. Die Decke war zerwühlt, als ob Kimberley gerade erst aufgestanden wäre und gleich aus dem Bad kommen müsste.

      Aber so war es nicht.

      Es war niemand in der Wohnung.

      Bount fand ein paar kleinere Mengen Kokain und Haschisch, bei denen Kimberley sich gar nicht erst die Mühe gemacht zu haben schien, die kleinen Briefchen zu verstecken.

      Harry J. Morgans Verdacht, dass seine Tochter das Zeug immer noch nahm, war also nicht aus der Luft gegriffen. In einem mit Büchern gefüllten Regal fand Bount dann eine kleine Bibliothek des Erstaunlichen und Unerklärlichen: Okkultismus, Parapsychologie, Erdstrahlen und was sich sonst noch in diese Reihe stellen ließ. Kimberleys Interesse an diesen Phänomenen schien ziemlich ausgeprägt zu sein.

      Bount blätterte in verschiedenen Bänden etwas herum. In einem war ein Foto eingelegt, dass Kimberley zusammen mit einem jungen Mann zeigte.

      Beide waren sie ganz in schwarz gekleidet.

      Das Buch - das den Titel SATANSKULTE UND SCHWARZE MESSEN trug - enthielt auch eine Widmung: Für Kimberley - in Liebe. Morris Clansing.

      Bount fragte sich, ob der junge Mann auf dem Foto jener Morris Clansing war, der die Widmung verfasst hatte. Wahrscheinlich war es so. Leider war unter der Widmung kein Datum, so dass man nicht ermessen konnte, ob diese Bekanntschaft noch aktuell war.

      Etwas später nahm Bount sich die Kunstwerke vor, die sich in Kimberleys Wohnung stapelten.

      Gleichgültig, ob sie nun Talent hatte oder nicht Kimberley Morgan hatte eine beträchtliche Quadratmeterzahl an Leinwand vollgepinselt. Manche ihrer Werke waren fast drei Meter hoch.

      Bount sah sich kurz einige ihrer Gemälde an. Sie waren stets penibel datiert, was in diesem Fall eine Hilfe war. Bis vor einem halben Jahr, so konnte Bount bei seiner flüchtigen Durchsicht feststellen, hatte Kimberley ziemlich fleißig gemalt.

      Ihre Sachen waren keine gegenständliche Kunst, sondern abstrakte Farbgemenge. Rot, gelb und braun herrschten vor. Dann hatte sich das fast schlagartig geändert.

      Kimberley schien nur noch wenig zu Stande gebracht zu haben. Die Farben waren düster. Schwarz wurde zum wichtigsten Bestandteil. Das letzte Gemälde war ein riesiges, blutrotes Pentagramm auf schwarzem Untergrund. Danach hatte sie ganz mit dem Malen aufgehört.

      Jedenfalls fand Bount kein Bild, das später datiert war. Und die Annahme, dass ihr von einem Tag zum anderen die Galeristen auf einmal die Türen eingerannt und alles weggekauft hatten, war wohl mehr als unwahrscheinlich. Bount stolperte fast über einen Farbeimer.

      Die Farbe darin war schon völlig getrocknet, der Pinsel endgültig verdorben. Da würden auch noch so große Mengen an Nitroverdünnung nichts mehr ausrichten. Und dann fiel Bounts Blick plötzlich auf einen Fleck am Boden.

      Es gab viele Flecken - Farbflecken, die über die ganze Wohnung verteilt waren. Aber dieser Fleck sah anders aus. Blut.

      Hundertprozentig sicher konnte Bount sich da natürlich nicht sein. Aber andererseits hatte er Dutzendweise Tatorte mit solchen Flecken gesehen.

      Er ging zum Telefon und wählte die Nummer der Mordkommission.

      Vielleicht war es schon zu spät, um Kimberley Morgan noch lebend aufzufinden.

      Als er den Anruf beendet hatte, fiel Bount die Nummer auf, die in der Nähe des Telefons mit Bleistift ganz klein an die Wand geschrieben war. Bount probierte einfach und wählte

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