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dünne Striche unter der Stirn an.

      Aus Erfahrung achtete Alexander sehr auf seine Hände. Kurze dicke Hände mit wurstigen Fingern. Der ganze Mann machte auf ihn einen weichlichen, fast weibischen Eindruck. Seine rechte Hand war mit zwei großen Ringen verziert, das Hemd hatte ein Blumenmuster, und auch sonst war er eher affig als modisch gekleidet. Alexander zog einen Vergleich zu Dr. Proud, doch der war anders, eher wie ein Casanova und Playboy. Hiller hingegen gehörte zu einer anderen Kategorie Mann.

      Er sprach mit seltsam gutturaler Stimme und begleitete seine Worte mit lebhaften Handbewegungen. Oft lachte er unmotiviert, sodass es albern wirkte. Jedoch hatte Proud ihn als guten Internisten bezeichnet. Weitere Äußerungen waren aus Proud nicht herauszukriegen gewesen.

      „Wir sind leider gestört worden, Doktor, also noch einmal: Sie haben mit Sicherheit den Tod des Patienten Koog feststellen können, als man Sie gerufen hatte?“

      „Absolut … äh … ohne jeden Zweifel. Ich war empört, muss ich Ihnen sagen, empört darüber, dass so etwas in unserem Institut …“

      „Doktor, ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie mir jetzt nur mit Ja oder Nein antworten würden.“

      Er zuckte nervös mit den Schultern und schien beleidigt zu sein. Ohne den Baron anzusehen, murmelte er: „Wie Sie wollen.“

      „Haben Sie Dr. Ferrenc in der Zeit gesehen, als er in Koogs Zimmer ging oder aus ihm heraustrat?“

      „Nein.“ Er musste sich beherrschen, es nur bei diesem kurzen Wort zu belassen.

      „Verstehen Sie sich gut mit Dr. Ferrenc?“

      Er zögerte mit der Antwort. Die Frage war ihm wohl etwas zu vielschichtig. Um es ihm leichter zu machen, fragte Baron Strehlitz präziser: „War das Arbeitsklima zwischen Ihnen und Dr. Ferrenc normal?“

      „Ja, völlig normal. Wir ergänzen uns.“

      „Richtig, er ist der Chirurg, Sie der Internist. Nun weiß ich aber, dass sich diese beiden Zweige der Medizin nicht immer grün sind. War das auch hier der Fall?“

      Er lächelte, bekam aber wieder diese nervösen Zuckungen in den Schultern und antwortete ausweichend: „Na ja, so wie eben überall.“

      „Hat Dr. Ferrenc eine Freundin oder Braut?“, erkundigte sich der Baron weiter, obgleich er Mikes Privatverhältnisse ziemlich gut kannte.

      „Ja, hähä.“ Wieder dieses alberne Kichern, das dem Baron sehr an diesem Manne missfiel.

      „Wer ist das?“

      Er lachte wieder meckernd. „Da fragen Sie mal besser die Schwestern.“

      „Miss Keil?“

      Er hob abwehrend die Hände. „Aber nicht doch. Die fliegt doch wie verrückt auf Dr. Proud. Nein, die nicht.“

      Jetzt folgte ein langer Vortrag über die Verbindungen und Querverbindungen zwischen den Ärzten, Schwestern und Krankenwärtern. Es gab wohl niemanden im Hause, von dem Hiller nicht irgend etwas wusste, mit wem er „ging“, was er in seiner Freizeit trieb und so weiter. So, wie Hiller es vortrug, musste das ganze Personal der Klinik am Rande von Sitte und Moral wandeln. Und es schien ihm sichtlich Freude zu machen, das alles in breitester Form auszuwalzen.

      Der Baron brauchte kein Mediziner zu sein, um zu wissen, dass er einen Paranoiker vor sich hatte. Eine recht gewagt erscheinende Diagnose, aber wenn man so oft wie er mit dem abnormen Teil der Menschheit zu tun hatte – und Verbrecher gehören dazu –, bekommt man einen Blick für alles das, was aus dem Rahmen fällt. Dr. Hiller fiel auf seine Art auch aus dem Rahmen.

      Dennoch glaubte der Baron nicht, dass er trotz seiner Veranlagung in irgendeiner echten Beziehung zu den begangenen Verbrechen stand.

      So verabschiedete er sich von ihm und ging nach draußen. Dort stand Freund James neben dem Auto und unterhielt sich mit einer gutaussehenden jungen Dame. Er war ja im Umgang mit netten Mädchen geübt, dazu gab er sich noch recht überlegen.

      Die Dame war groß. Sie war attraktiv, und das schien sie auch recht gut zu wissen. Auf die Idee, eine Schwester vor sich zu haben, kam Alexander nicht eine Sekunde lang, denn sie trug nicht nur ein blaues Kleid und ein kesses weißes Hütchen, sondern sie sah auch gar nicht aus wie eine Schwester. James, der sich lässig halb umdrehte und Alexander entgegenlächelte, belehrte ihn eines anderen.

      „Da haben wir den großen Boss. Miss Gillmore, erste OP-Schwester im Jackson Hospital.“

      Der Baron drohte James warnend mit dem Finger und begrüßte Miss Gillmore.

      „Oh, Mr. Morris hat ja bestimmt nicht übertrieben“, sagte sie mit dunkler, schwingender Stimme. Dabei sah sie den Baron an, als wolle sie bis in sein Inneres blicken. Er hielt ihrem Blick stand, dem Blick zweier leuchtend blauer Augen, in denen etwas lag, das er nicht sogleich ergründen konnte. Aber so sehr ihn diese Frau faszinierte, gleichzeitig riet ihm eine innere Stimme, vor ihr auf der Hut zu sein. Sie war nicht unerfahren, diese Miss Gillmore, bestimmt nicht. Soviel er aus der Aufstellung von Hartman wusste, war sie Ende der Zwanzig. Und auch das wusste er von Hartman: Ihre Männerbekanntschaften sollten einem häufigen Wechsel unterworfen sein.

      „Es ist gut, dass wir uns treffen, Miss Gillmore. Ich nehme an, Sie opfern mir ein paar Minuten?“

      Sie lächelte tiefgründig und meinte: „Ich habe jetzt dienstfrei. Und am Beach wartet man auf mich. Um diese Zeit ist das Segeln schöner als ein Verhör.“

      „Kein Verhör, Miss Gillmore, nur ein paar Fragen. Wir könnten Sie währenddessen zum Strand fahren. Wollen Sie?“

      Es passte ihr offenbar nicht, doch sie willigte schließlich ein. Sie nahmen sie in die Mitte und fuhren los.

      „Wenn Sie eine Einladung anbringen wollen, dann liegen Sie schief, Baron“, erklärte James. „Ich trage meinen Korb schon mit mir herum.“

      „Meine Zeit ist knapp, Mr. Morris“, erwiderte Miss Gillmore entschuldigend.

      „Ich hatte nicht an eine Einladung gedacht, Madam“, sagte Alexander ironisch.

      „Vielleicht fangen wir an. Sie waren also während der Operation dabei. Sie bereiten ja so etwas auch vor. Wer außer Ihnen kann an den notwendigen Narkosegeräten etwas verändern?“

      Sie lachte dunkel. „Die Frage hat mir schon Mr. Hartman gestellt. Der Narkotiseur, Dr. Hokinson, kann etwas daran tun. Ich befasse mich mit den Narkosegeräten nie. Es fällt auch nicht in meinen Bereich. Jeder kann etwas daran tun, denn wir haben im OP schließlich keine Wache aufgestellt.“

      „Das ist aber recht fachmännisch gemacht worden, Madam. Das kann nicht jeder. Sicherlich kommen in diesem Falle nicht zu viele Leute dafür in Frage.“

      „Vielleicht, ich habe selbst darüber nachgedacht. Fragen Sie doch Dr. Ferrenc.“

      Der Baron sah sie an. Wenn er geglaubt hatte, sie meinte das hintergründig, so revidierte er seine Ansicht. Sie sah ihn völlig gleichmütig an.

      „Wissen Sie, dass er in Haft ist?“

      Jetzt erschrak sie. „In Haft? Aber, warum denn das?“

      „Mr. Koog ist bekanntlich vergiftet worden.“

      Sie nickte. „Ja, aber was hat Dr. Ferrenc damit zu tun?“

      „Er war kurz vor Koogs Tod bei ihm.“

      Sie atmete tief ein und hörbar aus. „Und das ist Ihnen Beweis genug? Unsinn, Baron Strehlitz! Glatter Unsinn!“

      „Wissen Sie etwas?“, fragte Alexander, da es ihm so vorkam, als wüsste sie mehr darüber zu sagen.

      Wider Erwarten verneinte sie es nicht, zögerte aber mit der Antwort, bis James eine Kreuzung überquerte und sich auf den Verkehr konzentrieren musste. Dann beugte sie sich so weit zum Baron herüber, dass der Duft ihres seidig blonden Haares in seine Nase stieg. „Kommen Sie heute Abend zum Miami

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