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steckte ich das Handy in meine Tasche und machte mich mit Pepper auf den Weg zu meinem Auto. Ich setzte den Hund nach hinten und fuhr schleunigst nach Westerland. Dieses Mal nahm ich den schnellsten Weg und wählte in Wenningstedt am Kreisel die zweite Ausfahrt in Richtung Süden.

      In Westerland angekommen, parkte ich in einer der Nebenstraßen. Dann zog ich ordnungsgemäß einen Parkschein an einem der Parkscheinautomaten und ging mit großen Schritten durch die Fußgängerzone dem verabredeten Treffpunkt entgegen, dem ›Café Wien‹ in der Strandstraße. Ich machte mir Sorgen um meine beste Freundin. Sie hatte am Telefon merkwürdig geklungen. Hoffentlich war niemandem etwas zugestoßen. So bedrückt hatte ich Britta selten erlebt. Ich betrat das Café mit unwohlem Gefühl und blickte mich nach ihr um. Heute hatte ich gar kein Auge für die herrlichen Torten, Kuchen und anderen Köstlichkeiten, die den Besucher beim Betreten des Cafés durch die gläserne Theke anlächelten. Ganz hinten an der Wand saß Britta an dem Tisch unter dem großen Bild mit der roten Mohnblüte. Ich erkannte sie sofort an ihrem hellblonden Haar. Sie winkte und lächelte, als sie mich näher kommen sah. Ich bahnte mir den Weg zwischen den anderen Stühlen und Tischen hindurch. Pepper hatte Britta ebenfalls entdeckt und begrüßte sie schwanzwedelnd. Dabei hätte er vor lauter Freude beinahe eine Serviette vom Nachbartisch gefegt. Das Ehepaar an dem Tisch amüsierte sich darüber. So viel Verständnis wurde einem nicht von jedem entgegengebracht.

      »Danke, dass du gleich kommen konntest«, begrüßte mich Britta.

      Anschließend streichelte sie Pepper flüchtig über den Kopf.

      »Ja, klar. Was ist denn los?«, wollte ich endlich wissen, zog meine Jacke aus und hängte sie über die Stuhllehne.

      Dann nahm ich Britta gegenüber Platz und sah sie erwartungsvoll an. Bevor sie allerdings zu sprechen begann, stand eine Bedienung an unserem Tisch, um unsere Bestellung entgegenzunehmen. Britta bestellte einen großen Milchkaffee und ich einen Earl Grey. Als absoluter Teeliebhaber war ich auf Sylt genau richtig. Überall gab es Teegeschäfte. Ein wahres Paradies für jeden Teefreund mit allem, was das Herz eines Teetrinkers höher schlagen ließ.

      »Ich glaube, Jan hat eine andere«, sagte Britta geradeheraus und bekam nasse Augen.

      Ich war zutiefst schockiert über ihre Worte, da ich mit allem gerechnet hatte, aber nicht damit. Ich wusste im ersten Augenblick überhaupt nicht, was ich sagen sollte.

      »Aber Britta, wie kommst du darauf? Bist du dir sicher?«

      »Nein, sicher nicht, aber er ist in letzter Zeit so komisch und tut so geheimnisvoll. Ich habe ihn darauf angesprochen, ob es irgendetwas gibt, was ihn bedrückt oder er mir sagen will.«

      »Und? Was hat er geantwortet?«

      »Er hat mich nur ungläubig angesehen und es rigoros abgestritten. Ich würde mir das alles einbilden, er wäre ganz normal. Wie immer eben. Ich solle mir keine Gedanken machen.«

      »Und warum denkst du dann, dass der Grund für sein Verhalten eine andere Frau sein könnte? Das kann doch alles Mögliche sein. Vielleicht hat er sehr viel zu tun im Moment oder hat sich über irgendetwas sehr geärgert.«

      Britta schüttelte verneinend mit gesenktem Blick den Kopf.

      »Nein, das hätte er mir sicher erzählt. Das ist es nicht. Heute Morgen habe ich gehört, wie er ›das ist ja wunderbar‹ und ›ich freue mich drauf‹ gesagt hat. Er hat gedacht, ich sei im Badezimmer und könne ihn nicht hören, aber ich war auf dem Weg in die Küche.« Ich hörte ihr aufmerksam und zugleich fassungslos zu. »Du hättest ihn mal hören sollen, wie er gesäuselt hat. So spricht er nicht mit gewöhnlichen Geschäftspartnern oder Angestellten. Da steckt etwas anderes dahinter, das steht völlig außer Frage. Außerdem benutzt er ein neues Aftershave.«

      Eine dicke Träne lief Britta über die Wange, doch sie wischte sie sofort energisch weg. Schwäche zu zeigen, war nicht ihre Art.

      »Hast du irgendetwas von dem verstanden, was gesprochen wurde?«, wollte ich wissen.

      »Nein, ich habe nur gehört, dass er sich sehr freuen würde. Das reicht ja wohl!«

      »Aber Britta, das kann alles Mögliche gewesen sein! Vielleicht ging es um eine Angelegenheit, die das Hotel betrifft. Eine Bestellung zum Beispiel. Dahinter muss nicht gleich eine andere Frau stecken. Und was das neue Aftershave betrifft, da kann er was Neues ausprobieren. Du hast doch auch hin und wieder ein anderes Parfüm, oder?«

      »Meinst du? Aber ich habe trotz allem so ein ungutes Gefühl. Dann hätte er doch klipp und klar sagen können, mit wem er gesprochen hat. Stattdessen tut er so, als wäre es nicht wichtig. Warum frage ich dich? Und das alles kurz vor unserem zehnten Hochzeitstag!«

      Britta saß wie ein Häufchen Elend zusammengesunken auf ihrem Stuhl und legte die Hände in den Schoß. Die Kellnerin brachte unsere Getränke und wäre dabei beinahe auf Pepper getreten, der neben meinem Stuhl, halb unter dem Tisch schlief.

      »Der Tee muss drei Minuten ziehen«, betonte sie, als sie die kleine Teekanne mit der Tasse vor mir abstellte.

      Ich nickte dankend. Dann entfernte sie sich von unserem Tisch.

      »Also, Britta«, fuhr ich fort, während ich nach einem Stück Kandis aus dem Schälchen auf unserem Tisch angelte, »ich weiß nicht. Sehr überzeugend klingt das alles nicht, wenn du mich fragst. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jan dich betrügen sollte. Das passt so gar nicht zu ihm.«

      »Das hast du von Marcus zu Beginn auch nicht gedacht, wenn ich dich erinnern darf, oder?«

      »Marcus! Den kannst du unmöglich mit Jan vergleichen. Da prallen zwei völlig verschiedene Welten aufeinander. Marcus war sich immer selbst am nächsten. Die Worte Verantwortung und Treue gehören nicht in seinen Wortschatz. Ich wollte das nur von Anfang an nicht wahrhaben. Aber wo wir beim Thema sind. Stell dir vor: Marcus hat gestern bei meinen Eltern angerufen.«

      Britta sah mich entgeistert an. Sie hätte sich fast an ihrem Kaffee verschluckt.

      »Das ist nicht dein Ernst?«

      »Doch, mein voller Ernst sogar.«

      »Und was wollte er? Der ruft doch nicht an, um zu hören, wie es allen geht. Schon gar nicht nach so langer Zeit. Da steckt mit Sicherheit mehr dahinter. Da könnte ich wetten.«

      »Natürlich nicht. Angeblich will er mir irgendwelche Erinnerungsstücke schicken, die er beim Aufräumen gefunden hat. Außerdem benötigt er dringend eine Unterschrift von mir eine Versicherungspolice betreffend.«

      Britta setzte eine skeptische Miene auf und legte dabei die Stirn in tiefe Falten.

      »Ja, mir ist eingefallen, dass wir seinerzeit eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen hatten. Sie lief jedoch nur auf Marcus, ich war nur als Begünstigte eingetragen, falls ihm etwas zustoßen sollte. Es handelt sich dabei allerdings um eine geringe Summe, wenn ich mich richtig erinnere. Wahrscheinlich geht es darum. Ach, was weiß ich, wird schon nicht so wichtig sein«, ergänzte ich.

      »Marcus und Geld. Da müssten bei dir alle Alarmglocken läuten, Anna!«, sagte Britta und verzog den Mund.

      »Wie könnte ich das vergessen! Wir hatten ständig Sorgen, weil Marcus unser Geld für alles Mögliche ausgegeben hat, ohne es vorher mit mir abzusprechen. Viel schlimmer war, dass wir es gar nicht hatten. Aber ich habe mit ihm nicht mehr das Geringste zu tun. Es ist mir völlig egal, was Marcus jetzt macht. Das habe ich Nick gesagt.«

      »Nick?« Britta zog überrascht eine Augenbraue hoch.

      »Er war gestern komisch und hat wissen wollen, ob ich oft an Marcus denke. Scheinbar bringt der nahende Frühling unsere Männer etwas aus dem Konzept.«

      Ich schüttelte lachend den Kopf und goss mir Tee in die Tasse. Der Kandis knisterte laut und zerfiel in viele kleine Stücke, bevor er sich gänzlich auflöste. Ein angenehmer Duft von Bergamotte stieg mir aus der dampfenden Tasse in die Nase.

      »Nick liebt dich über alles, Anna, und will dich nicht verlieren. Das ist doch klar, dass er da hellhörig wird, wenn plötzlich der Ex zur Sprache kommt«,

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