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Tages wollte sich der König des Nachbarlandes ein Schloss bauen lassen. Die Arbeit sollte königlich entlohnt werden. Eine solche Gelegenheit ließ sich der Graf nicht entgehen. Er rief seine fachkundigsten Leute zusammen und fuhr mit ihnen in das benachbarte Königreich, um dort die Arbeit an dem neuen Schloss zu beginnen. Graf Herbert befürchtete, dass seine Frau sich langweilen könnte, denn durch die Arbeit würde er sehr lange von zu Hause fort sein. Ihre Kinder waren zu dem Zeitpunkt schon erwachsen und hatten eigene Familien. Sie kamen nur gelegentlich die Eltern besuchen. Die Ehefrau war aber wegen der umfangreichen Tätigkeit ihres Mannes gar nicht traurig. Sie hatte selbst alle Hände voll zu tun. Sie machte sich schön, um den Nachbarn zu gefallen, sie bestellte neue Kleider und tanzte auf den königlichen Bällen ausgiebig und zog die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich.

      Der Weg von der Arbeit nach Hause war nun für Herbert ziemlich weit. Täglich konnte er die Strecke nicht zurücklegen. Da er aber seine Frau sehr vermisste, kam er alle sechs bis sieben Tage nach Hause, um zu sehen, ob bei ihr alles in Ordnung war und ob sie etwas brauchte. Fürsorglich und blind vor Liebe sah er nicht, dass auch seine seltenen Besuche die Gräfin gar nicht so sehr freuten. Magdalena hatte jetzt jedes Mal Kopfschmerzen, Druck auf der Brust oder sonst irgendetwas. Der Graf zeigte Verständnis für ihre Unpässlichkeiten. Da er sie maßlos liebte, war es schon eine harte Prüfung für ihn, sich ihr nicht nähern zu dürfen. Mit der Zeit ritt er seltener nach Hause und verbrachte mehr Zeit bei der Arbeit, was seinen Reichtum nur mehrte.

      Aber eines Tages geschah es, dass sein bester Zimmermann sich den Arm brach. Es gab keinen Arzt in der Nähe. Darum wollte der Graf seinen eigenen Hausarzt kommen lassen. Er schickte aber keinen Boten aus, sondern ritt selbst, denn es war eine gute Gelegenheit, wieder einmal zu Hause hereinzuschauen und seine geliebte Frau zu sehen. Der Graf suchte zuerst den Arzt auf und bat ihn, sich möglichst schnell auf den Weg zu machen, um den Verletzten zu behandeln. Dann galoppierte er zu seinem Domizil. Es war schon Nacht, als er zu Hause ankam. Er stieg ab, übergab sein Pferd dem Stallknecht und betrat ganz leise sein Anwesen, um Magdalena nicht aufzuwecken.

      Als der Graf jedoch das Schlafgemach betreten wollte, blieb er auf der Schwelle wie angewurzelt stehen. Seine geliebte Frau, nach der er sich so gesehnt hatte, lag nicht allein im Ehebett. Ihr Kopf ruhte auf der Schulter von Baron Karl, einem alten Freund des Grafen. Die beiden, die nach ihrem Liebesspiel fest schliefen, hörten nicht, wie der Hausherr eintrat. Dem armen Herbert verschwamm alles vor den Augen, das Blut stieg ihm in den Kopf, das Herz hämmerte ihm bis in den Hals. Er stieß einen Schrei aus, der das Pärchen aus dem Schlaf riss. Aufgeschreckt fuhren sie aus dem Bett hoch. Als sie des Grafen ansichtig wurden, begannen sie am ganzen Leib zu zittern, denn sie fürchteten, er werde sie auf der Stelle erschlagen.

      

      Der Graf drehte sich um und stürzte hinaus, um sich dieser zutiefst verletzenden Situation nicht länger auszusetzen. Er stürmte aus dem Haus, schwang sich auf sein Pferd und ritt in die Dunkelheit. Er hatte kein Ziel, wollte nur fort von diesem Ort.

      Baron Karl sprang sofort aus dem Bett, zog seine Kleider an und wollte fliehen. Magdalena aber versuchte ihn zurückzuhalten:

      „Lass mich nicht im Stich, ich habe Angst! Was soll ich denn meinem Mann sagen, wenn er jetzt zurückkommt? Bleib bei mir. Ich liebe dich, nicht von ungefähr habe ich mit dir im Ehebett gelegen.“

      „Ich habe aber noch viel mehr Grund, Angst zu haben!“, antwortete ihr Geliebter. „Wenn Herbert zurückkommt, wird er dich wohl nur ein wenig verprügeln, bei mir aber wird er ganz bestimmt kein Pardon kennen. Ich muss mich vor ihm verstecken.“

      Da versuchte Magdalena, ihn auf andere Weise zum Bleiben zu überreden.

      „Von mir aus soll er doch zurückkommen. Ich liebe ihn schon lange nicht mehr, seine Zärtlichkeiten sind mir zuwider. Es ist deine Liebe, die ich möchte. Geld habe ich genug, es wird für uns beide reichen. Wir könnten uns ein eigenes Haus bauen. Seit zwei Jahren sind wir schon ein Liebespaar. Wenn mein Mann mich wegen des Ehebruchs verlässt, können wir beide heiraten und müssen unsere Liebe nicht mehr geheim halten.“

      „Im Augenblick kann ich darüber nicht nachdenken“, entgegnete Karl, „ich bin vor Angst wie gelähmt. Lass mich morgen wissen, was hier im Haus weiter geschieht, danach entscheiden wir, was wir tun und wie wir uns verhalten.“

      Nach diesen Worten schlich sich Baron Karl auf Zehenspitzen aus dem Haus, damit niemand ihn hörte, denn er wusste, dass es sich nicht schickt, die Ehefrauen anderer Leute zu verführen, vor allem nicht die seiner Freunde. Doch die Gräfin war steinreich, während er selbst Löcher in den Taschen hatte und Geld sich dort nicht lange hielt. „Schön ist sie außerdem“, hatte er damals gedacht, „und ihr Mann kommt so selten nach Hause. Einen solchen Glücksfall kann ich mir doch nicht entgehen lassen! Wenn ich es nicht tue, wird sich bestimmt ein anderer finden, der die Situation für sich zu nutzen weiß. Dann schon lieber ich.“ Doch nun, da er auf frischer Tat von dem Ehemann ertappt worden war, der noch dazu sein Freund gewesen war, schämte er sich sehr und hoffte nur, dass seine Schande nicht bekannt würde.

      Inzwischen fand sich der betrogene Graf in einem dunklen Wald wieder, den er nicht kannte. Wie er dorthin geraten war, wusste er nicht. Vorsichtig kämpfte er sich durch das unwegsame Gelände. Für ihn wie auch für das Pferd war das Vorwärtskommen sehr kräftezehrend. Plötzlich stolperte sein treues Ross über eine mächtige Baumwurzel und stürzte. Das Pferd war auf der Stelle tot. Der Graf, halb unter dem Pferd begraben, verlor das Bewusstsein.

      Erst am dritten Tag nach seinem fürchterlichen Sturz kam Graf Herbert wieder zu sich und stellte fest, dass er unter dem leblosen Körper seines treuen Pferdes eingeklemmt war. Eine Weile lag er still und versuchte sich zu erinnern, warum er überhaupt an diesem völlig unbekannten Ort war. Und als ihm alles wieder einfiel, wurde ihm übel bei dem Gedanken, dass seine Ehefrau sich als niederträchtige Ehebrecherin entpuppt hatte. Irgendwann wurden seine trüben Gedanken aber durch einen aufdringlichen, unangenehmen Geruch gestört, der ihm den Atem raubte. Er stellte fest, dass dieser Gestank von seinem toten Pferd ausging.

      Der Graf brauchte mehrere Stunden, um sich unter dem Körper des Tieres hervorzukämpfen. Danach war er völlig erschöpft. Er rollte sich auf die Seite und war den Tränen nahe, so schwach und hilflos fühlte er sich. Gehen konnte er nicht, dazu war er zu schwer verletzt. Sein ganzer Körper schmerzte unerträglich. Herbert kroch von seinem Pferd weg, denn der Gestank raubte ihm den Atem. Er war zutiefst betrübt, dass er sein treues Ross nicht begraben konnte, wie es sich gehörte. Doch es war wichtiger, zu überlegen, wie es mit ihm selbst weitergehen sollte.

      Der Graf überwand seinen Schmerz und kroch durch den Wald immer weiter. Unterwegs fand er Beeren, die er essen konnte, und sammelte Morgentau, um seinen Durst zu löschen. So kroch er mehrere Tage und Nächte durch den Wald, bis er schließlich so entkräftet war, dass er nicht mehr weiterkam. Schmerz und Schwäche übermannten ihn. Auch seine trüben Gedanken kamen zurück. Schließlich wünschte er sich den Tod, denn er wusste nicht, wie er nach dem Verrat seiner Frau überhaupt weiterleben konnte. Mit diesem Gedanken bewegte er sich auf eine stattliche Birke zu, legte sich in ihren Schatten, schaute hinauf in den Himmel und begann auf den Tod zu warten.

      Er erwachte davon, dass jemand ihn kräftig an der Schulter rüttelte. Der Graf wollte den ungebetenen Störer mit lauter Stimme zurechtweisen, doch kein Ton entrann seiner Kehle. Er konnte nicht einmal flüstern. Als er die Augen öffnete, sah er eine hübsche und noch junge Frau, die vor ihm mit einem Körbchen voller Pilze und Beeren stand. Sie kam ihm vor wie eine Fee, so schön und anmutig.

      „Du lebst, Gott sei Dank!“, vernahm Herbert eine warme, sanfte Stimme. „Ich hatte schon befürchtet, dass du gar nicht mehr atmest. Du liegst da wie ein gefällter Baum, ich versuche schon ziemlich lange, dich wach zu bekommen. Was tust du hier in diesem finsteren Wald? Wer hat dich so zugerichtet? Wie kann ich deine Familie benachrichtigen? Bitte sprich lauter, ich verstehe dich nicht.“

      „Ich habe keine Familie“, flüsterte der Graf. „Ich bin ganz allein auf der Welt und ich möchte sterben. Geh, ich habe keine Kraft für leeres Geschwätz.“ Und er schloss wieder die Augen.

      „Du hast kein Recht, dein Leben

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