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Rücksicht auf uns.“ Fast klang es, als spräche Maria von einem Wunder.

      Aber konnte man hier seine Gedanken und Gefühle denn aufschreiben? Zweifel tauchten in Silvia auf. „Ich kann es nicht wegschließen. Es wird doch bestimmt von irgendjemand gelesen?“

      „Wer kann das schon wissen? Aber bisher hatte noch keine von uns das Gefühl, dass die Schublade angerührt würde.“

      Es war eine vage Beschwichtigung, aber besser als keine. Und weshalb sich um heimliche Leser sorgen, da sie hier in diesem Haus ja sowieso das Innere nach außen stülpen würde, wie Silvia fürchtete. Sie nahm den rubinroten Füller zur Hand, der ebenfalls in der Schublade lag, und ließ sich wieder im Sessel nieder, vergaß nicht das Gewand zu lüpfen und zögernd öffneten sich die Knie. Auch die anderen Mädchen begannen sich zu beschäftigen, Jasmin und Isabel schrieben Briefe, Claudia las in einem Buch, Maria entnahm ihrer Schublade einen Zeichenblock und Farbstifte, auch das offenbar eine Gabe der großherzigen Herrin.

      Nach kurzem Überlegen begann Silvia mit dem ersten Eintrag ins „Buch des Mädchens“, wie es zu nennen sie bereit war. Gleichmäßig floss die blaue Tinte aus der Feder, es war ein guter Füller, den man ihr da überließ, und überquellend sprudelten die Gedanken. Sie hatte viel erlebt in den letzten Stunden, mehr als in drei Jahren Ehe, und es waren Dinge, die sich tief in ihre Seele gruben, die das Leben grundlegend änderten, die unbekannte, aufregende Gefühle weckten. – Aber halt! Das Maß ihrer Erniedrigung sprengte alle Dimensionen, es gab wahrlich keinen Grund, sich plötzlich gut zu fühlen, wie von einer schweren Last befreit, nein, müsste sie nicht eigentlich bitterlich klagen und ihr hartes Los bedauern?

      Ihr Blick schweifte aus dem Fenster in den Park. Es war eine prachtvolle Anlage mit schnurgeraden kiesbestreuten Wegen, sorgsam gepflegten Blumenrabatten und nicht weit vom Haus entfernt einem Springbrunnen mit überlebensgroßer Figurengruppe. Drei verwegen dreinblickende muskulöse Männer schleppten nackte Frauen mit sich fort. Einer hatte sich seine Beute über die Achsel geworfen wie einen Mehlsack, einer hielt sie mit beiden Armen umschlungen und hob sie hoch, sodass ihre Füße in der Luft strampelten, der Dritte hielt sie an der Hand und zeigte in die Ferne, versprach ihr wohl eine große Zukunft. Offenbar sollte die Gruppe den Raub der Sabinerinnen symbolisieren, passend zum Haus, oder doch nicht, da die Mädchen hier ihrem Mann nicht geraubt, sondern von ihm geschickt wurden, wie verschleppt konnten sie sich allerdings tatsächlich fühlen.

      Die Gedanken schweiften zurück zum Daheim. Auch dort hatte sie vor dem Fenster ihr Tagebuch geschrieben. Allerdings richtig bekleidet und nicht in solch obszöner Stellung, auch nicht unter den Augen eines Aufsehers, nein, niemals hätte sie so etwas für möglich gehalten. – Aber hätte man sie gefragt, wo sie sich jetzt lieber befände, dort im heimischen Wohnzimmer oder hier in dieser sonderbaren Lage, fiele die Antwort nicht eindeutig wie erwartet aus, vielleicht müsste sie sich ihrer gar schämen. Zum Glück aber fragte man nach ihrem Wollen nicht, ließ ihr keine andere Wahl, als sich in ihr Schicksal zu fügen.

      Ob es den anderen Mädchen ebenso ging, die ja eigentlich Frauen waren, zu Mädchen durch den Willen ihrer Männer geworden, die man Gebieter nannte, eine Bezeichnung, die unendliche Demütigung barg, nicht für die Gebieter natürlich, sondern für ihre Sklavinnen. Ob auch sie sich mehr als nur arrangierten, ob es auch in ihnen diesen unbegreiflichen Reiz an ihrer Rolle gab? Kaum konnte Silvia es glauben, eher dachte sie allein zu sein mit ihren seltsamen Gefühlen, eine Schande für ihr ganzes Geschlecht. Mit einem schweren Seufzen klappte sie das Tagebuch zu. Drei der blütenweißen Seiten waren vollgeschrieben und sie fragte sich bangen Herzens, was sie ihm noch alles anvertraut würde in der kommenden Zeit. Sicherlich würde es das merkwürdigste aller ihrer Bücher werden.

      Kurz vor halb elf Uhr räumten die Mädchen ihre angefangenen Briefe, die Bücher und Zeichenutensilien weg, ohne dass man sie dazu auffordern musste. Silvia folgte ihrem Beispiel, verstaute das Tagebuch und das Buch der Regeln in ihrer Schublade. Blieb nur zu hoffen, dass tatsächlich niemand darin kramte und man nicht ihre Seele ebenso wie ihren Leib entblößte. Als die Uhr halb schlug mit ihrem tiefen warmen Gong, standen die Mädchen parat, um ihrem Aufseher in den Korridor zu folgen wie Schafe dem Hirten. Er führte sie zur Eingangshalle und dort die Treppe hinab ins Untergeschoss. Hier unten gab es keinen Flur, sie gelangten direkt in einen kleinen Raum und durch eine massive Eichentür in den sogenannten „Mädchenraum“.

      Silvia stockte der Atem. Versteckt angebrachte Lampen beleuchteten mit rotem Schummerlicht eine Art Krypta mit mächtigen Säulen und romanischen Bögen. Ein dunkelroter Teppich bedeckte den Boden und rot tapeziert waren die Gewölbe zwischen den weiß gekalkten Rippen. Es gab sechs Zellen, geräumige rechteckige Käfige mit soliden Gitterstäben, jeder vom anderen getrennt und auch ein Stück von der Wand entfernt, sodass man rundum gehen konnte. In jeder Zelle gab es eine Pritsche mit einem schwarzen Laken und einer dünnen schwarzen Decke, mehr nicht, und über jeder Gittertür hing ein Schild mit dem kunstvoll geschriebenen Namen der „Bewohnerin“.

      Mitten im Raum hing von einem Flaschenzug an der Decke eine dicke Kette herab und eine Sammlung weiterer Ketten baumelte an der Wand von einer metallenen Schiene. Darüber dräute an zwei Haken eine lederne Peitsche mit kurzem, gedrungenem Griff. In einer Ecke stand eine schwarze Kommode, davor ein Tisch mit sechs Stühlen, und in der Nähe des Eingangs gab es einen weiteren, kleineren Tisch mit zwei Sesseln. Ratten und Spinnen waren keine zu sehen, auch war die Luft nicht feucht und klamm, sondern warm und trocken, trotzdem aber war dieses Gewölbe ein Kerker, ein Verlies ohne Fenster, angefüllt mit Furcht.

      Über einer der Zellen prunkte Silvias Name, höhnisch, wie sie meinte, und neben der halb geöffneten Gittertür war eine metallene Ablage an die dicken eisernen Stäbe geschraubt mit einigen höchst befremdlichen Dingen darauf. Ein schwarzer, seltsam geformter Dildo stand da, rundlich war seine Spitze, zur Mitte hin verdickte er sich, wurde dann dünner und endete in einer ovalen Gummiplatte, die ihm stabilen Halt gab. Noch nie hatte Silvia ein solches Ding gesehen, doch gehörte nicht viel Fantasie dazu, in ihm den „Poformer“ zu erkennen, von dem im Buch der Regeln die Rede war und der auf die „speziellen Wünsche des Gebieters“ vorbereiten sollte. Solche Wünsche gab es in Wolfgang aber gar nicht, jedenfalls hatte er sie nur ein einziges Mal halbherzig dazu überreden wollen und nach ihrem entrüsteten Nein nie wieder damit angefangen.

      In einer Vertiefung daneben lagen zwei silbern schimmernde Kugeln, etwas kleiner als Tischtennisbälle und von einem silbernen Kettchen miteinander verbunden. Sie also sollten die intimen Muskeln trainieren, auch so etwas hatte Silvia noch nie gesehen, wie unbedarft sie in solchen Dingen doch war. Natürlich war ihr auch der „Freudenslip“ unbekannt, nie wäre sie auf die Idee gekommen, dass es so etwas Perverses geben könne. Er war aus schwarzem Leder, der Bund glich einem Gürtel mit silberner Schnalle, das vordere Dreieck wurde nach hinten zu einem dünnen Band wie bei einem String, und daran befestigt war ein mächtiger Godemiché mit wulstiger Spitze und faltigem Schaft, nach innen gerichtet. Damit sollte man essen? Unvorstellbar!

      Anspornend klatschte der Aufseher in die Hände. „Auf, Mädchen! Macht euch fertig fürs Bett!“

      Es gab drei Türen rechts des Eingangs, eine führte zu den hell beleuchteten Toiletten. Cremefarben gefliest waren der Boden und die Wände und es gab sechs Kabinen, drei rechts und drei links, jede mit dem Namen eines Mädchens an der gläsernen Tür. Jasmins Kabine lag der Silvias gegenüber und sie konnten sich gegenseitig sehen beim Sitzen auf der rosafarbenen Schüssel. Fast war es Silvia egal, dass auch der Aufseher hereinschaute, der auf und ab ging, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, sollte er halt sein zweifelhaftes Vergnügen an ihrem Anblick finden, daran, dass es vor diesem Mann kein Verstecken gab, musste sie sich wohl gewöhnen. So ganz egal aber war es ihr doch nicht, jedenfalls dauerte es eine Weile, bis sie endlich pinkeln konnte, fast war es, als habe sie ein großes Werk vollbracht.

      Von den Toiletten gab es einen Zugang zum Duschraum. Auch dieser wurde von Neonlicht hell beleuchtet und auch er war cremefarben gefliest. Es gab sechs Duschkabinen mit gläsernen Wänden, sechs Waschbecken und sechs Bidets, auf denen sich die Mädchen niederließen, wie das nach jedem Besuch auf der Toilette zu geschehen hatte, so wurde Silvia erklärt. Natürlich waren all die rosafarbenen sanitären Einrichtungen mit Namensschildern gekennzeichnet, wie nicht anders zu erwarten in diesem

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