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die Schultern. »Was soll ich hier noch? Du legst auf meine Anwesenheit offensichtlich nicht mehr viel Wert, sonst würdest du dich anders verhalten. Und wenn du erst mit Manon verheiratet bist, dann ist ja ohnehin wieder eine Frau im Haus.«

      In diesem Moment fiel bei Dr. Daniel der Groschen. Seine bevorstehende Hochzeit mit Manon war der Grund für Irenes eigenartiges Verhalten.

      Spontan ergriff Dr. Daniel die Hände seiner Schwester und hielt sie fest. »Irenchen, was redest du da nur für einen Unsinn? Wir brauchen dich doch. Wie sollte Manon ganz allein Praxis und Haushalt bewältigen? Ohne dich läuft hier überhaupt nichts.«

      Hoffnungsvoll sah Irene ihn an. »Ist das wirklich wahr?«

      »Natürlich!« bekräftigte Dr. Daniel. »Du bist doch unser Goldstück. Ohne dich würden wir uns ja nur noch von belegten Broten und Tiefkühlkost ernäh-ren.«

      »Du übertreibst schamlos«, brummte Irene. »Manon ist eine ausgezeichnete Köchin.«

      »Ja, wenn sie Zeit hat, aber die fehlt ihr doch fast immer. Irene, du kannst nicht einfach nach Kiel gehen und uns hier im Stich lassen.«

      Irene wollte nicht zeigen, wie glücklich sie über diese Worte ihres Bruders war. Mit gesenktem Kopf zuckte sie die Schultern.

      »Na ja, wenn du meinst, dann werde ich eben doch hierbleiben«, stimmte sie zu und tat dabei, als würde es sie ziemlich große Überwindung kosten, ihre Rückreise nach Kiel nicht anzutreten.

      Dr. Daniel küßte sie auf die Wange. »Danke, Irenchen. Damit rettest du uns das Leben.«

      Da gab Irene ihm einen sanften Stoß. »Ach, du. Übertreib nicht wieder so schamlos. Und jetzt geh hinüber, sonst wird der Eintopf wirklich noch kalt.« Sie schwieg kurz, dann fügte sie drohend hinzu: »Ich wärme ihn dir nicht auf! Das ist die Strafe fürs Zuspätkommen.«

      Dr. Daniel schmunzelte. »Strafe angenommen.« Dann legte er einen Arm um Irenes Schultern. »Aber dein Eintopf schmeckt notfalls sogar kalt.«

      »Hinaus mit dir«, befahl Irene und versuchte vergeblich, sich ihre Freude nicht anmerken zu lassen.

      Dr. Daniel kehrte ins Eßzimmer zurück.

      »Und? Was war nun?« wollte Manon wissen.

      »Ich fürchte, unsere Heirat wirft überall Probleme auf«, antwortete Dr. Daniel leise. »Irene hatte Angst, hier überflüssig zu werden. Das hat sie zwar nicht offen zugegeben, aber ich kenne meine Schwester gut genug, um zu wissen, was sie meint, auch wenn sie etwas anderes sagt.«

      »Du konntest ihr diesen Unsinn doch hoffentlich ausreden.«

      Dr. Daniel nickte. »Glücklicherweise.« Er schmunzelte. »Als sie eingewilligt hat, doch nicht nach Kiel zu gehen, hat es sich angehört, als würde sie mir damit einen Gefallen tun, dabei war sie in Wirklichkeit heilfroh, daß sie hier noch gebraucht wird.«

      Manon schüttelte den Kopf. »Wie kommt sie überhaupt auf einen solchen Gedanken? Es ist ja nicht so, daß wir völlig überstürzt heiraten würden. Immerhin sind wir schon seit einer ganzen Weile zusammen, und auch bei der Verlobung gab es in dieser Hinsicht keine Probleme. Unsere Hochzeit ist jetzt eigentlich nur noch eine Formsache.«

      »Mit weiblicher Logik müßtest du dich eigentlich besser auskennen«, meinte Dr. Daniel lächelnd. »Von mir kannst du da keine Antwort erwarten.«

      Manon runzelte die Stirn. »Vielleicht haben wir Irene irgendwie zu verstehen gegeben, daß sie künftig überflüssig wäre – natürlich ohne es zu wollen.« Sie überlegte einen Moment. »Ich werde bei Gelegenheit mit ihr sprechen.« Dann warf sie einen Blick auf die Uhr. »Jetzt muß ich aber wirklich los. Meine Sprechstundenhilfe hat mir eine ganze Liste mit Hausbesuchen aufgeschrieben.« Sie beugte sich zu Dr. Daniel und küßte ihn. »Wir sehen uns zur Nachmittagssprechstunde oder spätestens heute abend.«

      Dr. Daniel erhob sich ebenfalls. »Ich muß auch los. In der Waldsee-Klinik wird man schon auf mich warten.«

      *

      Niedergeschlagen saß Elke Bremer bei ihrer Freundin Barbara Falk.

      »Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll«, erklärte Elke traurig. »Seit Monaten renne ich von Arzt zu Arzt, aber keiner kann mir helfen.«

      Mit ehrlichem Mitleid sah Barbara ihre Freundin an.

      »Deine ständigen Unterleibsschmerzen müssen aber doch einen Grund haben«, meinte sie.

      Elke nickte deprimiert. »Manchmal denke ich, daß es doch Krebs ist. Die wollen es mir wahrscheinlich nur nicht sagen.« Sie zuckte die Schultern. »Vielleicht ist es ja bereits aussichtslos.«

      »Das ist doch Unsinn, Elke!« widersprach Barbara energisch. »An so etwas solltest du nicht einmal denken.«

      Mit einem tiefen Seufzer strich Elke ihr langes blondes Haar zurück. »Lange halte ich diese Ungewißheit nicht mehr aus.« Sie schwieg einen Moment. »Weißt du, was das Schlimmste an allem ist?« Sie gab die Antwort gleich selbst. »Meine Ehe geht allmählich in die Brüche. Seit Martin die neue Arbeitsstelle hat, ist er ohnehin nur noch selten daheim, und wenn… seit Wochen ist bei uns absolute Funkstille, weil ich ständig diese seltsamen Schmerzen habe. Anfangs zeigte Martin dafür Verständnis, aber inzwischen hält er das alles nur noch für eine Ausrede.«

      »Ist es denn eine?« hakte Barbara vorsichtig nach.

      »Nein! Natürlich nicht!« entgegnete Elke energisch. »Ich habe wirklich Schmerzen.« Wieder seufzte sie tief auf. »Aber allmählich weiß ich nicht mehr, zu wem ich noch gehen könnte. Der letzte Arzt, bei dem ich war, hat mich sogar ins Krankenhaus überwiesen. Ich wurde von Kopf bis Fuß durchgecheckt, aber die haben auch nichts gefunden. Angeblich bin ich völlig gesund.«

      »Wie wär’s, wenn du mal zu Dr. Daniel gehen würdest?« schlug Barbara vor.

      Elke mußte lächeln. »Ist das dein Wunderdoktor?«

      »Unsinn«, wehrte Barbara

      energisch ab. »Dr. Daniel ist ein erstklassiger Arzt, der sich vor allem anderen auch noch Zeit für seine Patientinnen nimmt.«

      Doch Elke winkte ab. »Ich war schon bei lauter erstklassigen Ärzten. Trotzdem hat keiner was gefunden.«

      »Dann schadet es aber nicht, wenn du es bei Dr. Daniel ebenfalls versuchst«, meinte Barbara. »Aber ich weiß schon – was dich davon abhält, ist der weite Anfahrtsweg.«

      »Na ja, das mußt du doch verstehen. Seit Martin und ich in Ulm wohnen…«

      »Natürlich ist es nicht gerade ein Katzensprung«, fiel Barbara ihr ins Wort. »Aber jetzt bist du doch sowieso schon in München. Da hättest du die Möglichkeit…«

      Elke schüttelte den Kopf. »Ich muß heute noch wieder nach Ulm zurück. Martin kommt abends nach Hause. Eigentlich hätte ich nicht einmal zu dir fahren können, aber ich mußte einfach mal wieder mit jemandem sprechen.«

      »Hör zu, Elke, ich mache dir einen Vorschlag. Wenn du mich das nächste Mal besuchen willst, rufst du vorher an, und ich vereinbare dann gleich einen Termin bei Dr. Daniel.« Ihre Stimme wurde jetzt sehr eindringlich. »Ein Versuch schadet doch nichts, und du wirst sehen – er ist ein wundervoller Mensch.«

      Elke zögerte noch immer, dann nickte sie. »Also schön, ich bin einverstanden.« Sie zuckte die Schultern. »Insofern hast du ja recht – einen Versuch ist es tatsächlich wert… wenn ich auch nicht allzuviel Hoffnung habe.«

      *

      Als Elke die kleine Mansardenwohnung am Stadtrand von Ulm erreichte, war Martin bereits zu Hause.

      »Liebling, du bist schon hier?« fragte Elke erstaunt. »Ich dachte…«

      »Komme ich dir vielleicht ungelegen?« wollte Martin wissen, und in seiner Stimme schwang ein aggressiver Unterton mit.

      »Nein, überhaupt nicht«, entgegnete Elke. »Aber wenn ich das gewußt hätte, wäre ich früher von Babs zurückgefahren.«

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