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Daniel lächelte. »Das freut mich, Frau Schütz, und ich kann Ihnen auch versichern, daß ich Ihre Behandlung übernehmen werde.« Er begleitete seine Patientin hinaus und wandte sich dann an die junge Sprechstundenhilfe. »Frau Schütz muß umgehend in die Waldsee-Klinik. Ich werde gleich den Krankenwagen bestellen. Vielleicht findet sich in der Zwischenzeit ein ruhiges Plätzchen, wo sich die Patientin ein bißchen hinlegen kann.«

      Fürsorglich nahm Sarina von Gehrau Waltraud beim Arm. »Kommen Sie, Frau Schütz, da hinten sind Sie ungestört, und der Wehenschreiber, der da steht, muß Sie gar nicht kümmern.« Sie half Waltraud auf die Untersuchungsliege und breitete noch eine Decke über sie. »Wenn Sie etwas brauchen, dann rufen Sie mich, ja? Ich bin immer hier in der Nähe.«

      »Danke«, flüsterte Waltraud, dann sah sie sich unwillkürlich um, doch da trat Dr. Daniel schon zu ihr und drückte einen Augenblick lang ihre Hand. »Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Schütz. Wir kriegen das schon wieder hin.«

      Dabei verschwieg er, daß Waltrauds Symptome möglicherweise die Begleiterscheinungen einer weitaus gefährlicheren Krankheit waren…

      *

      Dr. Manon Daniel, Ärztin für Allgemeinmedizin, stand auf dem großen Messingschild, und darunter waren die Sprechzeiten verzeichnet.

      Mit einem fast liebevollen Lächeln betrachtete Manon das Schild, das in Kürze draußen an der Praxis angebracht werden würde – direkt unter dem Schild von Robert.

      Die Gemeinschaftspraxis von Manon Carisi und Dr. Daniel bestand ja schon seit geraumer

      Zeit. Ursprünglich hatten sie damit vorwiegend medizinische Zwecke im Auge gehabt. Natürlich hatten sie sich da bereits ausgezeichnet verstanden, aber der Hauptgrund war eine umfassendere Behandlung ihrer oftmals auch gemeinsamen Patienten gewesen. Doch dann war die attraktive Ärztin plötzlich schwer erkrankt, und Dr. Daniel hatte erkannt, wieviel ihm Manon tatsächlich bedeutete. In den Wochen zwischen Bangen und Hoffen war zwischen ihr und Dr. Daniel eine tiefe Liebe gewachsen, die dann auch nach ihrer Genesung Bestand gehabt hatte.

      »Manon, du bist ja noch hier.«

      Dr. Daniels Stimme riß sie aus ihren Gedanken. Mit einem zärtlichen Lächeln sah sie ihn an, dann drehte sie das Schild um.

      »Schau mal, Robert, das wurde heute geliefert«, erklärte sie.

      »Dr. Manon Daniel«, las er, dann ging er zu seiner Verlobten und küßte sie. »Das klingt wunderbar.«

      Manon nickte. »Finde ich auch.« Sie legte das Schild zur Seite und schlang ihre Arme um Dr. Daniels Nacken. »Ich wünschte, es wäre schon soweit.« Sie seufzte glücklich. »Manchmal kann ich unseren Hochzeitstag gar nicht mehr abwarten.«

      »Nur manchmal?« entgegnete Dr. Daniel schmunzelnd, dann streichelte er liebevoll durch Manons dichtes, kastanienbraunes Haar und gestand: »Ich kann es auch nicht mehr erwarten, bis du endlich meine Frau sein wirst.« Er mußte lachen. »Stell dir vor, heute wurden schon die ersten Bedenken gegen unsere Ehe geäußert.«

      »Wie bitte?«

      »Gewisse Damen aus dem Ort befürchten, daß ich meine Patientinnen vernachlässigen könnte, wenn ich erst mal mit dir verheiratet bin«, erzählte Dr. Daniel amüsiert.

      »Soso, gewisse Damen befürchten das.« Manon grinste schelmisch. »Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wer das sein könnte.« Dabei bewies die leise Ironie in ihrer Stimme nur zu deutlich, daß sie sehr genau wußte, welche Damen Dr. Daniel wohl gemeint hatte.

      Es klopfte an der Tür, Sarina von Gehrau schaute herein.

      »Entschuldigen Sie die Störung, aber Frau Hansen hat über die Hausleitung in die Praxis heruntergerufen und gefragt, ob Sie heute noch zum Essen kommen oder nicht«, erklärte sie.

      »Wir sind schon unterwegs«, behauptete Dr. Daniel, dann legte er einen Arm um Manons Schultern. »Komm, Liebling, beeilen wir uns besser, bevor mein geliebtes Schwesterlein grantig wird.«

      »Robert!« entgegnete Manon tadelnd. »So solltest du über Irene wirklich nicht sprechen. Immerhin führt sie dir schon seit Jahren den Haushalt und verwöhnt dich dabei nach Strich und Faden.«

      »So? Verwöhnen nennst du das?« scherzte Dr. Daniel. »Die meiste Zeit werde ich von ihr doch wie ein kleiner Schuljunge ausgeschimpft… weil ich nicht pünktlich bin, weil ich nicht genügend esse, weil…«

      »Meine Güte, geht’s dir aber schlecht«, fiel Manon ihm lächelnd ins Wort. »Wenn ich mal Zeit habe, werde ich dich gebührend bemitleiden.«

      »Danke. Und jetzt komm lieber, bevor Irene noch wirklich sauer wird.«

      Das war inzwischen auch schon passiert. Als Manon und Dr. Daniel die Wohnung im ersten Stockwerk betraten, stand seine ältere, verwitwete Schwester Irene Hansen mißmutig in der Küche und würdigte die beiden keines Blickes.

      »Irenchen«, sprach Dr. Daniel sie vorsichtig und besonders liebevoll an. »Es tut mir leid, daß wir so spät kommen, aber in der Praxis war wirklich die Hölle los.«

      »Ach, immer dasselbe«, grummelte Irene ärgerlich zurück, dann knallte sie einen Topf mit Gemüse auf den Tisch im Eßzimmer. »Etwas anderes gibt’s heute nicht.« Und schon war sie wieder draußen, wobei sie die Tür sehr nachdrücklich hinter sich schloß.

      »Heute ist sie aber wirklich wütend«, stellte Manon fest. »So habe ich sie ja noch nie erlebt.« Sie stand auf. »Vielleicht sollte ich mit ihr reden.«

      Doch Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, Manon, das ist wohl eher meine Aufgabe. Irene war ja schon manchmal ärgerlich, wenn ich recht spät aus der Praxis gekommen bin, aber ich schätze, da steckt diesmal noch was anderes dahinter.« Er berührte für einen Moment Manons Hand. »Du entschuldigst mich bitte einen Augenblick.«

      Er verließ das Eßzimmer und ging in die Küche hinüber, wo Irene voller Elan das Geschirr abspülte, und es war ein Wunder, daß dabei nichts zu Bruch ging.

      »Was ist denn los, Irene?« wollte Dr. Daniel wissen.

      Sie hielt es nicht einmal für nötig, sich umzudrehen.

      »Nichts«, knurrte sie. »Jetzt mach, daß du wieder hinüberkommst, sonst wird das Essen kalt.«

      »Hör mal, Irene, ich habe gesagt, daß es mir leid tut, daß wir so spät gekommen sind«, erklärte er. »Die Sprechstunde hat fast bis eins gedauert.«

      »Und jetzt ist es halb zwei!« hielt Irene ihm vor, dann winkte sie ärgerlich ab. »Was rede ich überhaupt! Dir ist es doch völlig egal, ob ich stundenlang in der Küche stehe und mein Essen dann wegwerfen kann, nur weil ihr…«

      Dr. Daniel nahm seine Schwester bei den Schultern und drehte sie sachte zu sich herum. Obwohl sie rasch den Kopf senkte, bemerkte er die Tränen in ihren Augen.

      »Das sind doch alles nur Ausreden, Irenchen«, entgegnete er sanft. »Um das Essen geht es überhaupt nicht, habe ich recht?«

      »Unsinn«, widersprach Irene wenig glaubhaft. »Natürlich geht es ums Essen.«

      »Du konntest noch nie lügen«, stellte Dr. Daniel fest, dann drückte er Irene mit sanfter Gewalt auf den Stuhl in der kleinen Eßecke und setzte sich ihr gegenüber. »Was ist wirklich los? Haben Stefan oder Karina dich vielleicht geärgert?«

      Heftig schüttelte Irene den Kopf. »Deine Kinder sind anständiger zu mir als du.«

      Dr. Daniel zog die Augenbrauen hoch. »Wenn du so weitermachst, dann kriege ich noch richtig Angst vor dir.«

      »Schön wär’s«, grummelte Irene. »Ein bißchen Angst könnte dir nicht schaden.«

      Dr. Daniel seufzte. »Irenchen, wenn du schon so böse auf mich bist, dann sag mir wenigstens, was ich eigentlich verbrochen habe.«

      Irene schwieg eine Weile, dann platzte sie heraus: »Ich gehe nach Kiel zurück.«

      Dr. Daniel war jetzt völlig perplex. Das

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