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300 Mann Infanterie und 56 800 Mann Kavallerie: hinzu kamen 1584 Geschütze. Dazuzurechnen waren die Besatzungs- und Ersatztruppen mit 363 890 Mann Infanterie, Kavallerie und Festungsartillerie. Sie alle waren zum Teil Berufssoldaten, vor [32]allem aber gut gedrillte Wehrpflichtige und Landwehrmänner. Theodor FontaneFontane, Theodor schrieb bereits 1873 voller Stolz:

      Es ist nahezu überflüssig, über den moralischen Wert zu sprechen, welche die preußische Armee durch die Vertretung aller Stände und Klassen der Bevölkerung in ihren Reihen erhält und durch das Bewusstsein, dass stehendes Heer und Landwehr das ganze Volk in Waffen bilden.

      Allgemeine Bildung und Pflicht waren in seinen Augen zwei wichtige Eckpfeiler, die dieses Volk in Waffen stützten.

      Die Armee war in dem Jahrzehnt zuvor erheblich modernisiert worden: Die aktive Truppe, die sogenannte Linie, wurde zu Lasten der Landwehr gestärkt. Die Truppen hatten etwa – ungeachtet der Streitereien darüber im Parlament – neue Gewehre und Geschütze erhalten, und für den Aufmarsch konnte nunmehr moderne Technik verwendet werden. Die Infanterie freilich war in taktischer Hinsicht über den Status quo der Befreiungskriege kaum hinausgekommen. Zwar erfolgte der Angriff inzwischen in Kompaniestärke (Kompaniekolonne) statt mit einem ganzen Bataillon; in Zeiten moderner Waffen war jedoch auch dies ein Anachronismus, für den die preußischen Truppen in den Gefechten des bevorstehenden Krieges teuer bezahlen sollten.

      Vor allem verfügte diese Armee über einen Generalstab, der hinsichtlich Organisation, Ausbildung und Stellung seiner Offiziere dem der französischen Armee überlegen war. In Frankreich galten die Generalstabsoffiziere lediglich als bessere Adjutanten. Ganz anders in Preußen: Dort plante der Generalstab die Feldzüge und übernahm seit 1866 auch deren Führung. Entsprechend gut war die Ausbildung der Generalstabsoffiziere bei den jeweiligen Einheiten, denen sie zugeordnet waren. Diese Zuordnung stellte sicher, dass der Generalstabschef jederzeit auf dem Laufenden blieb und die jeweiligen Kommandeure dessen Pläne ausführten, ungeachtet der Meinungsverschiedenheiten, zu denen es vor Ort immer wieder kommen sollte.

      Der Große Generalstab der preußischen Armee 1870/71. In der Mitte mit verschränkten Armen stehend General Helmuth Graf von MoltkeMoltke, Helmuth Graf von. Das Foto entstand 1871.

      Die Armee Napoleons III.Napoleon III. (Kaiser der Franzosen) mit nur 336 000 Mann war den aufmarschierenden preußischen und süddeutschen Truppen zahlenmäßig unterlegen. Daran änderten auch die rein rechnerisch ebenfalls zur Verfügung stehenden Einheiten der Gendarmerie, der rückwärtigen Depots [33]oder die in Algerien stationierten Truppen in Höhe von ca. 230 500 Soldaten sowie die in Aufstellung befindlichen, aber weitgehend unausgebildeten Mobilgarden in Höhe von 150 000 bis 180 000 Mann nichts. Dieses Ungleichgewicht verschärfte sich erst recht bei einem längeren Krieg, in dem auf deutscher Seite allein aufgrund der höheren Zahl an Einwohnern erheblich mehr Reserven mobilisiert werden konnten als in Frankreich.

      Im Gegensatz zu den deutschen Truppen bestand die französische Armee im Wesentlichen aus Berufssoldaten. Eine allgemeine Wehrpflicht gab es nicht. Dazu war das Misstrauen gegenüber der »Nation in Waffen« seit der Restauration der Bourbonen 1815 viel zu groß. Hinzu kam aber auch, dass Napoleon III.Napoleon III. (Kaiser der Franzosen) versprochen hatte, ein Kaiser des Friedens, nicht der Kriege zu sein. Eine zu große Armee hätte daher seinen eigenen Anspruch in der Öffentlichkeit unglaubwürdig erscheinen lassen. Da Frankreich sich eine große Berufsarmee angesichts des geringen Überschusses an Männern, aber auch mangels Finanzmitteln nicht [34]leisten konnte und wollte, entschied nach einem komplizierten Verfahren letztlich das Los, wer Soldat werden musste. Diejenigen, die es traf, konnten sich jedoch freikaufen oder einen Vertreter stellen. Der gezogene Soldat – oder sein Stellvertreter – musste sieben Jahre dienen, blieb dann aber meist länger in der Armee, da er auf dem zivilen Arbeitsmarkt kaum noch Chancen hatte. 1870 machten die 200 000 Stellvertreter die Mehrheit der Soldaten aus, die in den Krieg zogen.

      Wer eine geringe Kampfkraft bei dieser auf den ersten Blick so merkwürdig zustande gekommenen »Truppe« vermutet, täuscht sich allerdings. Viele Soldaten waren kriegserfahren, manche zudem Elitesoldaten, etwa die Zuaven, Turkos und Zephyrs sowie die berittenen Spahis [35]aus den nordafrikanischen Kolonien oder die Fremdenlegionäre. Diese Schlagkraft, der Geist der Offensive und die Fähigkeit, auf dem Schlachtfeld geschickt zu manövrieren, reichten in den Augen französischer Generale aus, auch größere Armeen zu besiegen. Die Kriege Napoleons I.Napoleon I. (Kaiser der Franzosen) hatten dies ebenso bewiesen wie die Feldzüge unter Napoleon III.Napoleon III. (Kaiser der Franzosen)

      Französische Offiziere und Zuave. Fotografie von Roger FentonFenton, Roger aus dem Krimkrieg, 1855. Der legendäre Ruf der Corps des Zouaves geht auf die Erfolge dieser Infanterieeinheiten im Krimkrieg zurück. Zu Beginn des Krieges 1870 waren deutsche Zeitungen und Illustrierte voll von Zeichnungen und Karikaturen französischer Kolonialtruppen.

      Doch so professionell die französische Armee agierte, so notorisch waren auch ihre Defizite. Dazu gehörten neben chronischer Disziplinlosigkeit im Alltag wie im Kampf das Fehlen einer Organisation oberhalb der Regimentsebene sowie die mangelnde Effizienz des Kriegsministeriums. NapoleonsNapoleon III. (Kaiser der Franzosen) Kriege gegen Österreich oder Mexiko hatten diese Mängel deutlich gemacht, doch Reformen waren vor 1870 nur mühsam in Gang gekommen.

      1868 hatte Napoleon III.Napoleon III. (Kaiser der Franzosen), nicht zuletzt unter dem Eindruck der Erfolge der preußischen Armee, mühsam ein neues Wehrpflichtgesetz durchgesetzt, das die Aufstellung einer Mobilgarde vorsah. Diese Reformen hätten die reguläre Armee bis 1875 zwar auf eine Kriegsstärke von 800 000 Mann einschließlich Reserven gebracht; darüber hinaus waren 500 000 Mann Mobilgarden vorgesehen. Die Umsetzung der Reformen erwies sich angesichts der großen Vorbehalte gegenüber dem Wehrdienst, aber auch der fehlenden Bereitschaft der Kammern, dafür ausreichend Gelder zur Verfügung zu stellen, jedoch als schwierig. Als der Krieg ausbrach, war die Zahl der ausgebildeten Garden noch sehr gering.

      Ausrüstung und Bewaffnung

      Die Zahl der zur Verfügung stehenden Soldaten ist nur ein Faktor bei der Führung eines erfolgreichen Krieges. Kaum weniger bedeutsam sind Ausrüstung und Bewaffnung, allen voran die Gewehre. Das preußische Zündnadelgewehr hatte bei Königgrätz bewiesen, dass moderne Waffen den Verlauf einer Schlacht entscheidend beeinflussen konnten. Diese Überlegenheit besaßen die preußischen Truppen 1870 jedoch nicht mehr. Das französische Chassepot-Gewehr, ebenfalls ein Hinterlader, war dem Zündnadelgewehr hinsichtlich der Reichweite und Treffsicherheit überlegen. Der heftige Rückstoß bereitete den Soldaten allerdings erhebliche Probleme. Sie schossen daher häufig aus der Hüfte, zu Lasten der Treffsicherheit.

      [37]Die französische Armee verfügte nicht nur über das bessere Infanteriegewehr, sondern auch über die Vorform des modernen Maschinengewehrs, die Mitrailleuse. Dabei handelte es sich um einen Zwitter zwischen Maschinengewehr und Artilleriegeschütz. Ein auf eine Geschützlafette montiertes Rohr enthielt im Innern 25 Läufe, die durch das Drehen einer Kurbel an dessen Ende ihre Patronen abfeuerten. Mit 3000 Metern war ihre Reichweite groß, ebenso die Feuergeschwindigkeit von 125 Schuss pro Minute. Angesichts der Schwerfälligkeit der Lafette war die Streuung jedoch gering, und angreifende Infanteristen konnten sie leicht umgehen. In den Kämpfen spielte die Mitrailleuse nur eine geringe Rolle, auch weil die Franzosen sie zumeist taktisch wenig zweckmäßig einsetzten.

      Ganz anders verhielt es sich bei den Geschützen. Der Übergang vom Vorder- zum Hinterlader sowie vom glattläufigen zum gezogenen Rohr hatte die Reichweite und Treffsicherheit der Artillerie erheblich erhöht. Nur so schien die Artillerie in der Lage, angreifende Infanterie mit verbesserten und weiter reichenden Waffen wirkungsvoll zu bekämpfen. Die effektive Reichweite bisheriger Geschütze von 300 bis 500 Metern reichte dazu nicht mehr aus.

      Das von der Essener Firma Krupp entwickelte Gussstahlgeschütz ermöglichte sogar Reichweiten von bis zu

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