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BismarckBismarck, Otto Fürst von und MoltkeMoltke, Helmuth Graf von waren überzeugt, dass die französische Seite, »welche sogar von Anderen gegen Andre errungene Erfolge zum Gegenstand einer Anklage gemacht hatte, eine selbst erlittene Niederlage nicht verschmerzen [würde], noch weniger eine gegen sie geübte Großmut«.

      Die Verhandlungen zwischen MoltkeMoltke, Helmuth Graf von und WimpffenWimpffen, Emanuel Félix de blieben daher ohne Ergebnis, obwohl preußische Offiziere dem französischen Oberbefehlshaber sogar die eigenen Artilleriestellungen oberhalb der Stadt zeigten, um ihm die Aussichtslosigkeit weiteren Widerstandes vor Augen zu führen.

      Aushandlung der Kapitulationsbedingungen in einer Villa in Donchery am Abend des 1. September 1870. Das Gemälde von Anton von WernerWerner, Anton von aus dem Jahr 1885 zeigt u.a. den siegreichen preußischen General Helmuth Graf von MoltkeMoltke, Helmuth Graf von (1800–1891), stehend rechts neben dem preußischen Ministerpräsidenten Otto von BismarckBismarck, Otto Fürst von (1815–1898), und den französischen General Emmanuel Félix de WimpffenWimpffen, Emanuel Félix de (1811–1884), der auf der linken Tischseite sitzt.

      [9]Auch der für BismarckBismarck, Otto Fürst von überraschende Besuch Napoleons IIINapoleon III. (Kaiser der Franzosen). am Folgetag und die Gespräche in einer ärmlichen Weberhütte in dem kleinen Ort Donchery am Rande Sedans änderten an der Haltung der Preußen wenig. BismarckBismarck, Otto Fürst von verwies den geschlagenen Kaiser vielmehr an die verantwortlichen Generale. WimpffenWimpffen, Emanuel Félix de und MoltkeMoltke, Helmuth Graf von nahmen ihre Verhandlungen daraufhin wieder auf. Erst als MoltkeMoltke, Helmuth Graf von mit der erneuten Beschießung der französischen Stellungen drohte, unterzeichnete WimpffenWimpffen, Emanuel Félix de die Kapitulationsurkunde. Mehr als die Entlassung der Offiziere auf Ehrenwort, nicht mehr gegen Preußen zu kämpfen, hatte er nicht aushandeln können; alle anderen französischen Soldaten sollten in Gefangenschaft gehen. Erst jetzt war Wilhelm I.Wilhelm I. (preuß. König und dt. Kaiser) bereit, den geschlagenen französischen Kaiser zu empfangen. Ob Napoleon III.Napoleon III. (Kaiser der Franzosen) ihm dabei tatsächlich seinen Degen symbolisch übergab, wie manche zeitgenössischen Bilder glauben machen wollen, ist unklar. Wie dem auch sei: Allein die Tatsache, dass Napoleon III.Napoleon III. (Kaiser der Franzosen) den Sieger persönlich aufsuchte, um sich ihm zu ergeben, war ein unübersehbares Zeichen dafür, dass er die Niederlage eingestand.

      Vor dem Weberhäuschen. Druck um 1900, nach einem Gemälde von Wilhelm CamphausenCamphausen, Wilhelm, 1878. An den preußischen Kapitulationsbedingungen änderte auch ein Besuch Napoleons III.Napoleon III. (Kaiser der Franzosen) bei BismarckBismarck, Otto Fürst von nichts. Seine Gefangennahme zuvor hatte eine Staatskrise ausgelöst, die zum Sturz der Monarchie führte. Nach Ausrufung der Dritten Republik am 4. September 1870 ging der Krieg weiter.

      [10]Zur gleichen Zeit trat die französische Armee nach einem festgelegten Plan den Weg in die Gefangenschaft an – insgesamt 104 000 Mann, darunter 4000 bis 5000 Offiziere. Nur 500, darunter der zeitweilige französische Oberbefehlshaber während der Schlacht, General Auguste-Alexandre DucrotDucrot, Auguste-Alexandre, gaben ihr Ehrenwort, nicht mehr zu kämpfen. Diese Offiziere galten nicht als Kriegsgefangene, sondern durften ihre Waffen und ihr Privateigentum behalten, um sich an einen Ort ihrer Wahl im eigenen Land zu begeben. Nicht alle, darunter auch DucrotDucrot, Auguste-Alexandre, sollten sich später an ihr Ehrenwort halten.

      Der Auszug der Besiegten aus der Festung Sedan und das Strecken der Waffen machten noch einmal deutlich, wie wichtig den Geschlagenen im Zeichen der Niederlage ihre »Ehre« war:

      [11]Die Gemeinen schleudern dieselben [die Waffen] überall in den Straßen zur Erde, ziehen also unbewaffnet zum Tor hinaus, nur die Offiziere tragen noch ihren Degen. Auf der Brücke ziehen einige dieser Herren plötzlich blank, zerbrechen, die Augen gen Himmel rollend, genau wie im letzten Akte einer tragischen Oper, ihre Waffen und schleudern sie über das Brückengeländer ins Wasser. Und bravo! Bravo! Schallt es von den Wällen am Thor – hier spielen auch die Zuschauer Komödie!,

      schrieb der preußische Schlachtenmaler Georg BleibtreuBleibtreu, Georg in sein Tagebuch. Und der französische Kaiser? Während seine Truppen in Gefangenschaft gingen, war er, begleitet von preußischen Reitern, bereits auf dem Weg nach Wilhelmshöhe bei Kassel. Dort sollte er den Friedensschluss abwarten. Seinen eigenen Soldaten hatte er nicht mehr gegenübertreten wollen. Zu groß waren die Schmach der Niederlage und die Angst.

      Eigentlich hätte der Krieg, der am 19. Juli 1870 mit der französischen Kriegserklärung an Preußen begonnen hatte, damit bereits nach sechs Wochen zu Ende sein können. Schneller als erwartet stellte sich aber heraus, dass noch nicht alles vorbei war. In Paris stürzten die Massen, angeführt von radikalen Republikanern, die Monarchie. Zugleich riefen sie wie ihre Vorväter 1792 angesichts der Bedrohung des Landes zur Levée en masse auf, zur allgemeinen Volksbewaffnung. Aus dem Kabinettskrieg wurde somit innerhalb weniger Tage ein Volkskrieg, der sich noch Monate hinziehen und viele Opfer auf beiden Seiten fordern sollte.

      Die Schlacht von Sedan hatte nicht allein für Frankreich erhebliche Folgen. In Deutschland war sie Ausgangspunkt für Verhandlungen unter den verbündeten Königen und Fürsten über die Bildung jenes einheitlichen Nationalstaats, den sich viele Deutsche seit dem Ende der Kriege gegen Napoleon I.Napoleon I. (Kaiser der Franzosen), den Onkel des geschlagenen Kaisers Napoleon III.Napoleon III. (Kaiser der Franzosen), ersehnt hatten.

      Die Gewichte im Spiel der Mächte hatten sich verschoben. Die Folgen dieser Veränderungen waren für beide Staaten, aber auch für Europa von kaum zu überschätzender Bedeutung. Fortan war Deutschland die größte Nation auf dem Kontinent. Damit untrennbar verknüpft war die Frage: Konnte es gelingen, das Gefühl der Schmach und den verletzten Stolz der Verlierer auf der einen sowie die überschäumende Freude [12]der Sieger nach Jahrhunderten vermeintlicher Demütigung durch den Nachbarn auf der anderen Seite so zu kanalisieren, dass ungeachtet aller Emotionen der Friede in Europa erhalten blieb?

      Umso mehr gilt es, das Augenmerk darauf zu richten, warum dieser so folgenreiche Krieg zwischen zwei Großmächten – Preußen und Frankreich – überhaupt ausgebrochen war. Wie war der Krieg verlaufen? Warum waren die verbündeten deutschen Armeen, die erstmals seit vielen Jahrzehnten wieder mit- und nicht gegeneinander in den Krieg gezogen waren, fast überall siegreich aus den Kämpfen hervorgegangen? Und welche Folgen sollte ihr Sieg langfristig haben?

      [13]2 Der Weg in den Krieg

      Germania auf der Wacht am Rhein. Historiengemälde von Lorenz ClasenClasen, Lorenz, 1860. Die Personifikation der deutschen Nation, Germania, blickt nach Frankreich. Der außenpolitische Kurs des Zweiten Kaiserreichs rief Misstrauen und Missfallen bei der deutschen Bevölkerung hervor. Der Titel des Bildes verweist auf das damals populäre Lied »Wacht am Rhein«. Rechts sind die Insignien des Heiligen Römischen Reichs zu sehen.

      Frankreich und Preußen 1859–1870

      Die Rivalität um Macht und Einfluss in Europa hatte das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich von jeher bestimmt. Wechselseitige Ansprüche auf Italien, Burgund, Flandern und vor allem die Rhein[14]grenze hatten immer wieder Kriege in unterschiedlichen Konstellationen und mit wechselnden Ergebnissen zur Folge gehabt. Im kollektiven Gedächtnis der Franzosen war die Einkreisung des Landes durch die Habsburgermonarchie haften geblieben, die im 16. Jahrhundert nicht nur den deutschen, sondern auch den spanischen Thron innehatte. Ebenso hatten viele Deutsche die Raubzüge Ludwigs XIV.Ludwig XIV. (König von Frankreich) (1638–1715), das demütigende Ende des alten Reiches unter dem Druck Napoleons I.Napoleon I. (Kaiser der Franzosen) 1806 sowie die jahrelange Besetzung und Ausplünderung des Landes durch dessen Truppen nicht vergessen.

      Damit nicht genug: Während Frankreich ungeachtet der Niederlagen 1814/15 seinen Platz im Konzert der Mächte bald wieder einnehmen

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