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      Sie wollte damit das Gespräch beenden, doch sie hatte nicht mit Herrn Greiner gerechnet. Der bekam jetzt wirklich Angst, er entschuldigte sich, und er versprach Roberta hoch und heilig, nicht mehr renitent zu sein, sich peinlichst an deren Anweisungen zu halten.

      »Ich habe nicht geglaubt, dass es so ernst mit mir ist«, sagte er, »wenn jemand es in den Griff bekommt, dann doch Sie, Frau Doktor. Bitte, behandeln Sie mich weiter.«

      Roberta überlegte einen Augenblick, dann sagte sie klipp und klar, unter welcher Voraussetzung sie ihn weiterhin behandeln würde, und Herr Greiner war unendlich dankbar.

      Als er ging, war sich Roberta sicher, dass er es endlich kapiert hatte. Er gehörte zu den Männern, die sich nicht eingestehen wollten, dass sie wirklich krank waren, die glaubten, wenn sie nur fest daran glaubten, gesund zu sein, dass es dann auch so war. Sie hatte ihm schonungslos gesagt, wie es um ihn stand, und sie hatte ihm in tiefschwarzer Farbe ausgemalt, welche Folgen auf ihn zukommen würden, wenn er nicht endlich ihre Anweisungen befolgte. Normalerweise sagte es Roberta nicht in einem solchen Tonfall, doch manchmal half halt nur die Holzhammermethode.

      Die nächste Patientin war einfach. Eigentlich müsste sie nicht so häufig in die Praxis kommen. Roberta wurde mittlerweile das Gefühl nicht los, dass die Frau einsam war und ein wenig Ansprache brauchte, die sie bei ihr zu finden hoffte. Roberta nahm sich fest vor, mehr über diese Patientin zu erfahren, mehr, als in der Krankenakte stand. Es gab leider viele Menschen, die sehr einsam waren, und es war schon erschütternd zu wissen, dass sie zum Arzt gingen, um reden zu können.

      Um nicht zu vergessen, dass sie nachforschen wollte, machte Roberta sich direkt einen Vermerk. Schade, dass Teresa von Roth bereits die Praxis verlassen hatte, dass sie vor der Patientin da gewesen war, mit der hätte sie reden können. Teresa kannte nicht nur eine Menge Leute, nein, sie und ihre Tochter waren auch unglaublich engagiert und hilfsbereit. Von solchen Menschen müsste es mehr geben.

      »Frau Lehmann, was kann ich denn heute für Sie tun?«, erkundigte Roberta sich freundlich.

      Frau Lehmann war eine kleine, zarte Frau, und Roberta fragte sich unwillkürlich, ob sie auch genug aß. An ihren Werten war nichts erkennbar, doch das besagte nichts.

      Frau Lehmann begann sofort über ihre derzeitigen Wehwehchen zu sprechen, und Roberta wurde sofort klar, dass sie sich nicht geirrt hatte. Der Frau fehlte nichts, sie war nur allein. Wobei das Wort ›nur‹ schlimm war. Allein sollte sich niemand fühlen.

      Roberta ging auf Frau Lehmann ein, sie nahm sie ernst, doch sie hatte nicht alle Zeit der Welt.

      »Frau Lehmann, nehmen Sie bitte von diesen Tabletten, die ich Ihnen jetzt gebe, jeweils morgens und abends eine. Das ist ein Aufbaupräparat, damit werden Sie zu Kräften kommen.«

      Frau Lehmann war überglücklich.

      Roberta bestellte die Patientin für die nächste Woche. Das machte Frau Lehmann erkennbar glücklich. Roberta war sich sicher, dass sie dann über die Frau eine Menge erfahren hatte und dass es für deren Probleme auch eine Lösung geben würde.

      Ja, so etwas gehörte für Roberta ebenfalls zu ihrem Beruf. Das machte zwar mehr Arbeit, brachte kein Geld, aber so dachte sie zum Glück nicht. Sonst hätte sie sich vermutlich auch nicht im Sonnenwinkel niedergelassen. Eine große Praxis in der Stadt war einfacher zu händeln, brachte viel mehr Geld. Aber hier war sie näher am Patienten dran. Für sie war es erfüllender, und sie wollte mit niemandem tauschen.

      Zufriedenheit, Glück, Erfüllung, das alles konnte man mit Geld nicht kaufen.

      Ihr Leben war schön …

      *

      Um es nicht wieder zu vergessen, stürmte Roberta sofort zu Alma in die Küche, die am Herd hantierte. Es roch köstlich.

      »Schön, dass Sie da sind, Frau Doktor. Das Essen ist fertig, und ich hoffe, dass Sie es genießen können, ohne abgerufen zu werden und ich es wieder aufwärmen muss.«

      »Alma, ehe wir essen, muss ich Ihnen etwas erzählen.« Und dann sprach Roberta über den Kunsthändler, der zufällig in ihre Praxis hereingeschneit war, der auf der Durchreise gewesen war und sich so sehr für das Bild begeistert hatte, das Alma gemalt hatte.

      »Er hält Sie für ein sehr großes Talent, er möchte mit Ihnen in Kontakt treten, er möchte Ihnen abkaufen, was Sie gemalt haben, er möchte Sie vertreten.«

      Alma hatte ungerührt zugehört, sie trug für die Frau Doktor und für sich das Essen auf. Das war ein schönes Ritual, dann setzte sie sich ebenfalls.

      Nun verstand Roberta überhaupt nichts mehr.

      Warum sagte Alma nichts?

      »Alma, haben Sie mir eigentlich zugehört? Haben Sie verstanden, was ich Ihnen da gerade gesagt habe?«

      Alma aß zunächst ein wenig von der köstlichen Fischpfanne, dann sagte sie: »Ich habe zugehört, und ich habe verstanden. Doch was soll ich dazu sagen? Ich bin keine Malerin, ich will keine werden, und ich bin mit einem Leben mehr als zufrieden. Ich möchte kein anderes haben. Mein Job macht mir Freude, ich habe eine wunderschöne Wohnung, ich reise mit unserem Gospelchor herum, ich habe Freunde. Bislang hat mir die Malerei ebenfalls Freude gemacht, doch wenn ich andauernd bedrängt werde, dann lasse ich es.«

      »Alma, bei Ihrem damaligen Lehrer war ich mir nicht so sicher, ob er Ihr Talent meint oder ob es sein Interesse an Ihnen ist. Aber dieser Kunsthändler. Dass der dieses Bild im Wartezimmer gesehen hat, das war ein Zufall. Der Mann wirkte seriös. Es ist eine Chance, die Sie sich nicht entgehen lassen sollten, Alma.«

      Ungerührt trank Alma einen Schluck, dann blickte sie Roberta an.

      »Frau Doktor, Sie sind nicht nur ein ganz besonderer Mensch, nein, Sie sind auch eine ganz besondere Ärztin. Sie hätten alle Möglichkeiten dieser Welt, und dennoch haben Sie sich für den Sonnenwinkel entschieden. Da könnte man auch sagen, dass Sie Ihre außergewöhnliche Begabung verschwenden.«

      Das war ein Argument, auf das Roberta zunächst keine Antwort hatte. Etwas sagen konnte sie schon. »Aber ich arbeite in meinem Beruf, der mir Freude macht, der meine Erfüllung ist. Sie könnten mit Ihrer Malerei vieles bewegen, vor allem könnten Sie sehr viel Geld verdienen, und wenn Sie …«

      Alma unterbrach ihre Chefin einfach, und das kam wirklich so gut wie überhaupt nicht vor.

      »Frau Doktor, ich weiß ja, dass Sie es gut meinen, aber geben Sie sich bitte keine Mühe, ich bin nicht umzustimmen, weil das nicht mein Leben wäre, es sei denn, Sie wollen mich nicht mehr um sich haben.«

      Roberta war so verblüfft, dass ihr die Gabel aus der Hand rutschte, auf dem Tellerrand landete.

      »Alma, haben Sie den Verstand verloren? Sie sind das Beste, was mir passieren konnte. Ich bin so unendlich froh, dass es Sie gibt.«

      Alma nickte zufrieden.

      »Dann lassen Sie uns bitte mit diesem Thema aufzuhören. Es nervt, ehrlich gesagt.«

      »Und der Kunsthändler, der erwartet Ihren Anruf, ich habe es versprochen.«

      Alma seufzte.

      »Also gut, geben Sie mir die Nummer, ich werde ihn anrufen und absagen. Am liebsten würde ich Sie bitten, das für mich zu erledigen, doch dann könnte er glauben, Sie hätten mir nichts erzählt. Und feige bin ich nicht … Möchten Sie einen kleinen Nachschlag haben?«

      »Ja, bitte, Alma, Sie haben sich heute wieder einmal übertroffen. Diese Fischpfanne erinnert mich an etwas.«

      Alma lachte.

      »An den ›Seeblick‹, Roberto Andoni hat mir das Rezept vor seiner Abreise gegeben, weil er weiß, wie verrückt Sie nach der Fischpfanne sind.«

      Ja sicher, dass sie nicht direkt darauf gekommen war.

      »Das war wirklich nett von Roberto, er hat ja normalerweise seine Rezepte gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Aber Sie hatten ja auch einen sehr guten Draht zu ihm.«

      Alma

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