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streifte, leistete Alexander den anderen Taxifahrern Abbitte.

      Ihr Chauffeur hielt auf einem überdimensionierten Parkplatz, auf dem zwei Geländewagen standen. Alexander sah sich erstaunt um. Weit und breit war kein Hotel zu sehen. Allerdings hatte man von hier oben einen fantastischen Blick auf die Chora, das Meer und die benachbarten Inseln.

      „Wo ist das Hotel?“, fragte er.

      „Rechts, am Rande des Parks“, sagte Laura, die offensichtlich schon mal hier gewesen war.

      Erst jetzt sah er zwischen den Bäumen einen weißen zweistöckigen Kubus durchschimmern. Er hätte sie gerne zum Haus gebracht, zögerte aber, als sie sich ihren Rucksack und ihre Tasche schnappte und ihm die Hand hinstreckte.

      So schnell wollte er sie nicht gehen lassen. Hastig bat er sie um ihre Handynummer. Da sie nicht gleich reagierte, wurde er nervös. „Oder ich gebe Ihnen meine? Dann können Sie mich anrufen oder nicht … ich meine … ho…hoffe, Sie we…werden …“

      Laura verzog den Mund.

      Alexander interpretierte ihre Grimasse als Versuch eines Lächelns.

      Er hatte sich nicht getäuscht. Sie lächelte tatsächlich, als sie ihm ihre Handynummer verriet. Obwohl … es war eher ein sehr schräges Grinsen.

      Wie ein verliebter Schuljunge schrieb er sich die Nummer auf den Handrücken, anstatt sie in sein Handy einzutippen. „Vielleicht werde ich Morgenabend bei Ihnen vorbeischauen, um mit Ihrem Freund über einen eventuellen Verkauf zu reden.“

      „Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber wie gesagt, er wird nicht verkaufen. Theo liebt sein Domizil über alles, glauben Sie mir.“

      Laura küsste ihn zum Abschied auf die Wangen. Er strahlte sie an.

      Sie lächelte nicht zurück.

      „Darf ich Sie morgen gegen Mittag anrufen?“

      „Wenn Sie unbedingt wollen …“

      „Ich will“, sagte er.

      Laura platzte mitten in die Siesta. Theo und Philip dürften auf keinen Fall bei ihrer Mittagsruhe gestört werden, teilte ihr der junge Asiate, der ihr geöffnet hatte, mit und brachte sie auf ihr Zimmer.

      Das Hotel Flamingo über den Dächern von Mykonos hatte zweiundzwanzig Suiten mit geräumigen Bädern und riesigen Balkonen. Schlaf- und Wohnraum waren durch eine gläserne Schiebetür getrennt. Von der Badewanne aus konnte man durch ein französisches Fenster auf das Meer blicken. Allerdings war man vom Pool und von der Hotelterrasse aus in der Badewanne zu sehen, falls man die Jalousien nicht schloss. Diese Suiten kosteten, soviel sie wusste, vierhundertsechzig Euro pro Nacht.

      Als sich Theo eines Sommers in dieses hübsche Fleckchen Erde verliebt hatte, gab er seine Galerie in der Wiener Innenstadt auf und ließ sich hier ein Hotel bauen. Er führte das Flamingo gemeinsam mit seinem griechischen Freund Philip, der ihm zu dem Grundstück verholfen hatte. Theo hatte ein kleines Vermögen für das karge Stück Land hingelegt, das sich im Besitz von Philips Großeltern befunden hatte.

      Laura war froh, den beiden nicht sofort gegenübertreten zu müssen. Ihr Flug war sehr früh gegangen, die ganze Reise anstrengend und sehr aufregend gewesen. Sie sehnte sich nach einer Verschnaufpause.

      Ohne zu duschen, legte sie sich aufs Bett.

      Der charmante Fremde und die menschlichen Leichenteile im schmutzigen Hafenwasser von Piräus geisterten durch ihren Kopf. Sie fühlte sich relativ nüchtern, hatte den ganzen Tag nur ein Glas Wein und zwei Metaxa getrunken, der Alkohol hatte sich bestimmt längst verflüchtigt. Kurz überlegte sie aufzustehen und sich aus der Bar unten einen Schlummertrunk zu holen, war aber zu faul. Sie hoffte, auch ohne Drink in Morpheus’ Arme flüchten zu können.

      ***

      Sie schlief vier Stunden durch. Als sie erwachte, versank die Sonne gerade in der Ägäis.

      Theo empfing Laura unten auf der Terrasse wie eine langvermisste Geliebte. Er herzte und küsste sie mehrmals. Auch sie freute sich, den alten Freund wiederzusehen, obwohl sie seinen Gefühlsausbruch übertrieben fand. Aber so war Theo eben. Spontan und liebevoll, andererseits auch ungeduldig und jähzornig. Als sich Philip zu ihnen gesellte, versteifte sich Theo und ließ sie los.

      Der junge Grieche umarmte sie ebenfalls stürmisch, fing jedoch zu jammern an, als sie ihn fragte, wie es ihm gehe.

      „Halt endlich den Mund. Ich kann dein Gejeier nicht mehr ertragen“, schnauzte Theo seinen Freund an, als dieser begann, Laura all seine Allergien zu schildern.

      „Glaub ihm kein Wort. Ja, er ist ständig verschnupft, aber von wegen allergisch, er kokst wie ein Verrückter.“

      Sie betrachtete Philip genauer. Er hatte abgenommen, war gertenschlank, fast zu dünn. Die dunklen Schatten unter seinen Augen ließen ihn alt aussehen. Obwohl er fünfzehn Jahre jünger war als Theo, wirkten die beiden fast gleich alt.

      „Da redet der Richtige. Ich bin mit einem Alkoholiker verheiratet“, wehrte sich Philip.

      „Verheiratet? Habe ich da was verpasst?“, fragte Laura.

      „Als wir letztes Jahr ein paar Tage in Kopenhagen waren, haben wir uns vermählt. Ohne großes Tamtam, nur im kleinen Kreis“, murmelte Theo. „War ein Riesenfehler, seither habe ich ein zickiges, ewig greinendes Eheweib am Hals.“

      Die Ehekrise der beiden ließ sich beim besten Willen nicht ignorieren.

      „Bitte reißt euch zusammen, ihr beiden Streithansl. Mir zuliebe“, bat Laura.

      Was ist bloß mit Theo los, fragte sie sich. Er hatte im Gegensatz zu den meisten Menschen, die sie kannte, seine Träume realisiert, lebte in einer Art Paradies und wirkte trotzdem unheimlich frustriert.

      „Wir haben dich zum Mittagessen erwartet. Die Fähre hatte wieder einmal eine ordentliche Verspätung, oder?“ Theo erwartete keine Antwort, sondern winkte einen Bediensteten heran. Es war derselbe Mann, der Laura empfangen und auf ihr Zimmer gebracht hatte.

      „Worauf hast du Lust? Tintenfisch, Garnelen oder Steak? Ich halte momentan Diät, esse nur Salat, harte Eier und einmal in der Woche ein mageres Steak.“

      „Ein Griechischer Salat wäre wunderbar, und gegen ein Steak hätte ich auch nichts einzuwenden.“ Laura hatte seit dem jämmerlichen Sandwich im Flieger noch keinen Bissen gegessen.

      Der Bursche brachte eine Flasche Dom Pérignon und einen Kübel voller Eis.

      „Oh, là, là. Mir zu Ehren? Das ist lieb von dir“, sagte sie zu Theo.

      „Ich muss dich enttäuschen. Den macht er nicht für dich auf. Seit er auf Diät ist, säuft er nur mehr Champagner, Whisky und Gin Tonic“, lästerte Philip.

      Theo hatte tatsächlich ziemlich zugelegt. Sein Bauch war nicht zu übersehen, obwohl er ein langes weitgeschnittenes Hawaiihemd über seinen hellblauen Jeans trug. Er war nicht sehr groß und wirkte eher gedrungen. Mittlerweile hatte er richtige Hamsterbacken. Außerdem hatte er sich einen Vollbart zugelegt. Ein bisschen erinnerte er sie an einen Waldschrat oder einen von den sieben Zwergen. Seine schmalen Augen wirkten winzig in dem runden Gesicht. In Gedanken verglich sie ihn mit dem schlanken, sportlich-elegant gekleideten Mann, den sie auf der Fähre kennengelernt hatte. Alexander und Theo waren ungefähr im gleichen Alter. Fit und dynamisch der eine, schlapp und fertig der andere.

      Auch Philip war in ihren Augen unmöglich angezogen. Seine dünnen langen Beine steckten in hautengen weißen Röhrenjeans, und sein rosafarbenes mit Comics bedrucktes T-Shirt hätte wohl besser einem kleinen Jungen als einem fünfunddreißigjährigen Mann gepasst. Außerdem trug er eine lange schwere Kette mit bunten Steinen um den Hals. Mehrere Armreifen und Armbänder baumelten an seinen Handgelenken. Alles farblich völlig unpassend in ihren Augen.

      Als das Essen kam, befahl Theo dem Boy, eine zweite Flasche Champagner zu bringen.

      ***

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