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aller Meere. Und hier stand er nun am obersten Deck eines modernen Schiffes mit einer aufregenden, erotisch sehr anziehenden Frau an seiner Seite … Beinahe empfand er so etwas Ähnliches wie Glück.

      Als Athen außer Sicht geriet, bot er ihr eine Zigarette an.

      „Rauchen habe ich mir vor drei Jahren abgewöhnt“, sagte sie.

      „Ich vor zwei Jahren. Nach diesem Schrecken ist mir jedoch nach ein bisschen Nikotin. Stört es Sie?“

      „Im Gegenteil. Ich mag nach wie vor den Geruch.“

      Er zündete sich eine an, rauchte schweigend, warf der hübschen Frau nur hin und wieder verstohlene Blicke zu. Sie gefiel ihm ausnehmend gut. So wie viele Männer mochte er blonde Frauen mit großen Brüsten und langen, schlanken Beinen. Selbst ihre unmögliche Frisur gefiel ihm. Lange Haarsträhnen hingen ihr in das ungeschminkte, sonnenverbrannte Gesicht. Das Schönste an ihr aber waren ihre hellblauen Augen.

      Er hatte bemerkt, dass sie keinen Ehering trug. Was natürlich nichts zu bedeuten hatte. Mittlerweile wusste er, dass Verheiratete in Mittel- und Nordeuropa oft keine Ringe trugen.

      „Lassen Sie mich einmal anziehen?“, bat sie ihn.

      Genüsslich zog sie an seiner Zigarette, inhalierte tief und blies ihm den Rauch ins Gesicht. Prompt musste er husten.

      „Pardon“, sagte sie, „falsche Windrichtung. Mein Name ist übrigens Laura Mars.“

      „Was für ein toller Name!“

      „Mein Vater heißt Mars und ist ein Fan von Faye Dunaway. Sein Humor ist gewöhnungsbedürftig. Er hat mich nach der exzentrischen Modefotografin benannt, die Faye Dunaway in dem berühmten Hollywoodfilm Die Augen der Laura Mars verkörpert hat. Sie können sich vorstellen, welch blöde Bemerkungen ich mir deswegen oft anhören muss. Ich habe den Namen trotzdem nach meiner Eheschließung beibehalten, weil mein Label LAMAR damals bereits ein Begriff in der Modeszene war …“

      Eheschließung? Hatte er richtig verstanden? „Ich heiße Alexander“, unterbrach er sie.

      „Der Große?“, kicherte sie. Sie schien nicht mehr ganz nüchtern zu sein.

      Er lud sie auf einen Kaffee ein.

      „Hier draußen ist es zu windig. Lassen Sie uns hineingehen“, schlug sie vor.

      Auch die alte Frau, über deren Einkäufe er vorhin gestolpert war, saß in der Bar. Ihr halbes Dutzend Säcke und Taschen hatte sie auf den Stühlen um ihren Tisch verteilt. Sie hatte ihre Augen geschlossen, schien im Sitzen zu schlafen.

      Da kein anderer Tisch frei war, stellten Alexander und Laura die Taschen und Säcke der Frau auf den Boden und setzten sich zu ihr, ohne zu fragen. Sie wollten sie nicht wecken. Beide konnten nicht ahnen, dass die Alte hellwach war und außerdem Deutsch verstand.

      Laura bestellte einen doppelten Metaxa zum Kaffee, stürzte ihn in einem Zug hinunter.

      „Den habe ich jetzt gebraucht“, seufzte sie. „Mein Flieger war total überfüllt. Die Wanderer haben mir ihre prallgefüllten Rucksäcke ständig ins Gesicht geknallt, als sie auf der Suche nach freien Gepäckablagen mit ihren schweren Bergschuhen über den Gang getrampelt sind. Ich versuche immer nahe beim Notausgang einen Platz zu kriegen. Ich fliege nicht gerne.“

      „Sind Sie mit Aegean Airlines aus Wien gekommen?“

      „Ja. Sie etwa auch?“

      Er nickte lächelnd.

      Alexander war Business Class geflogen und als einer der Ersten eingestiegen. Das hatte er sich so angewöhnt, um die mitfliegenden Passagiere beim Einsteigen abchecken zu können. Er wunderte sich, dass er sie nicht bemerkt hatte. Vielleicht hatte er gerade sein Handgepäck verstaut, als sie an ihm vorbeigegangen war?

      Sie fragte ihn, ob er Urlaub in Griechenland machen wolle. „Wie ein Wanderer sehen Sie ja nicht gerade aus. Zum Baden ist es noch zu kalt, außer Sie sind abgehärtet.“

      „Ja und nein. Ich bin in der Immobilienbranche tätig, habe auf Mykonos etwas Geschäftliches zu erledigen. Danach will ich nach Hause auf meine Insel.“

      „Ihre Insel?“

      „Ich bin vor vielen Jahren aus Ikaria weggegangen. Waren Sie einmal auf Ikaria?“

      „Nein.“

      „Dann sollten Sie demnächst unbedingt einen Besuch dort nachholen. Diese Insel ist eine der schönsten in der Ägäis. Ein schroffes, wildes Eiland mit herrlichen Stränden und von der Außenwelt bis heute ziemlich abgeschnittenen Bergdörfern. Es gibt nicht mehr viele Einwohner. Achttausendfünfhundert oder sogar weniger. Auf der Nordseite fallen die Berghänge sanft zum Meer hinab. Die Südseite ist eher schroff, eine steile, unzugängliche Felsenlandschaft. Aber am Straßenrand gedeihen Feigenbäume, und die Sandstrände sind bewachsen mit Kiefern und Oleandern.“

      „Das klingt ja richtig idyllisch. Wieso haben Sie die Insel damals verlassen?“

      „Ich hatte triftige Gründe …“

      Die alte Christina hatte ihn gleich erkannt, als er an Bord gekommen war. Natürlich verrät er der hübschen Touristin nicht, warum er abgehauen ist, dachte sie. Als er erwähnte, dass er Schiffsingenieur sei und für eine große Reederei gearbeitet habe, schnaufte sie empört und ziemlich laut. Sie hatte nicht gedacht, dass er so ein geschickter Lügner werden würde. Früher hatte sie ihm an der Nasenspitze angesehen, wenn er nicht die Wahrheit gesagt hatte. Heute kamen diese Lügen ganz glatt über seine Lippen.

      Irritiert sah sich Alexander nach ihr um.

      „Sie schnarcht ein bisschen“, sagte Laura.

      „Und Sie wollen Ihren Urlaub auf Mykonos verbringen?“, wechselte er das Thema.

      Laura schüttelte den Kopf, holte sich einen zweiten Metaxa von der Bar und wurde auf einmal gesprächiger. „Ich besuche dort Freunde, sonst lebe ich auf Samos. Ursprünglich komme ich aus Wien. In meinem früheren Leben war ich in der Modebranche tätig. Mode interessiert mich aber heute nicht mehr, ich bin Biobäuerin geworden, habe meine Zelte in Wien vor ein paar Jahren abgebrochen und mir auf Samos ein winziges Kalivi gekauft. In diesem Häuschen inmitten eines Olivenhains, in dem früher die Bauern ihre Geräte gelagert und während der Olivenernte übernachtet haben, hat es weder Strom noch Fließwasser gegeben. Ich habe dort so recht und schlecht hausen können, während ich mir ein Stückchen weiter oben einen größeren Bungalow gebaut habe. Das halbverfallene Steinhäuschen habe ich renoviert und benütze es heute als Lagerraum und Vorratskammer für Wasser, Wein und Olivenöl. Drinnen ist es im Sommer angenehm kühl, da es direkt in den Hang hineingebaut wurde. Es hat nur ein Fenster und eine Tür vorne raus. Meerblick inklusive“, sagte sie.

      Alexander hörte ihr interessiert zu. „Und wo auf Samos haben Sie sich niedergelassen, wenn ich fragen darf?“, unterbrach er sie.

      Auch Christina spitzte die Ohren.

      „Ich lebe in einer der schönsten Buchten auf der Südseite, in der Nähe von Psili Ammos. Der Ort heißt Limnionas. Seit zwei Jahren bin ich Selbstversorgerin. Ich lasse meine Ernte pressen, habe also mein eigenes Öl, meine eigenen Weintrauben, Gemüse, Feigen, Tomaten, Melanzani und Zucchini. Alles blüht und gedeiht prächtig. Den Sandstrand, unterhalb meines Olivenhains, habe ich fast für mich allein. Türkisfarbenes Meer, weißer Sand …“

      „Wie in der Karibik?“

      „Ja, es ist ein Paradies! Leider hat dieser Garten Eden meine Ersparnisse aufgefressen, deshalb habe ich nach Wien fahren müssen. Ich habe mich nach kleineren Betrieben umgesehen, die ich in Zukunft mit meinem Olivenöl und mit eingelegtem Gemüse beliefern könnte.“

      „Ich zweifle nicht daran, dass Sie Erfolg gehabt haben.“

      „Hören Sie auf, mir zu schmeicheln. Die Ausbeute war eher mäßig. Außer zwei

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