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standen Rander und Parker vor dem erhängten Deering.

      „Wenn Sie erlauben, werde ich Mister Deering jetzt vom Baum lösen“, sagte Parker und ließ den Stockdegen aus dem Universal-Regenschirm hervorschnellen.

      „War da wirklich nichts mehr zu machen?“ Rander fühlte sich unbehaglich, „hätte eine Beatmung vielleicht doch noch helfen können?“

      „Daran hatte ich selbstverständlich gedacht, Sir, ich möchte jedoch ergänzen, daß Mister Deering nicht nur erhängt wurde.“

      „Sondern …?“

      „In Mister Deerings Rücken stak zusätzlich und leider noch eine Harpune. Sehr tief übrigens …!“

      „Scheußlich!“

      Rander sicherte, während Josuah Parker den Toten barg. Dann umstanden sie Deering, der wohl aus einem sehr triftigen Grund – vom Mörder aus gesehen –ums Leben gebracht worden war. Parker durchsuchte die Taschen des Toten, konnte jedoch nichts finden.

      „Wonach mag er auf der ‚Seejungfrau‘ gesucht haben, Parker? Haben Sie nicht irgendeine Vorstellung, die uns weiterbringen könnte?“

      „Ich muß ungemein bedauern, Sir.“

      „Dann kann man nichts machen. Wohin bringen wir ihn? Zurück ins Lager?“

      „Man sollte ihn an Ort und Stelle belassen, Sir … Vielleicht könnte man Mister Deering ein wenig dort unter den Busch legen.“

      Als Rander und Parker dies taten, löste sich der Schuh aus Segeltuch.

      Parker beförderte ihn mit der Spitze seines Schirms hinüber zum Busch. Rander bückte sich plötzlich, hob etwas auf und rief seinen Butler leise zu sich.

      „Das hier ist aus dem Schuh gefallen“, sagte er leise, „sehen Sie sich die Geschichte mal an, Parker!“

      Parker drehte und wendete den flachen Tresorschlüssel in der Hand.

      „Gehört zu einem Tresor, nicht wahr?“ Rander nahm den Schlüssel wieder in seine Hand und wog ihn nachdenklich.

      „Ob man unterstellen sollte, Sir, daß dieser Schlüssel aus der ‚Seejungfrau‘ geholt wurde …?“

      „Mag schon sein, warum hat der Mörder ihn dann nicht gefunden?“

      „Suchte der Mörder diesen Schlüssel, Sir?“

      „Stimmt! Sinnlos, in reiner Theorie zu machen … Wir müßten den Schlüssel als Köder anbieten, dann wissen wir’s genau!“

      „Ich kann nicht umhin, Sir, diesen Vorschlag als ausgezeichnet zu bezeichnen. Man sollte …

      Er legte seinen Zeigefinger vor die Lippen und deutete dann in das dunkle Buschwerk hinein.

      Rander verstand sofort.

      Er und Parker huschten wie zwei Eichhörnchen von der Fundstelle weg und warteten auf Besuch …

      *

      „Was soll denn dieses Herumstolpern?“ John Forests Stimme war ärgerlich und kritisch zugleich, „hier kann man sich ja glatt den Hals brechen, Ethel!“

      „Ich werde schon aufpassen …“ erwiderte Ethel Forest, „ich weiß genau, daß der Schrei aus dieser Richtung gekommen ist …“

      „Na, und …?“

      „Wenn sich ein Mensch in Not befindet, John? Müssen wir dann nicht helfen?“

      „Müssen …? Ich habe keine Lust, umgebracht zu werden.“

      „Ich bin ja bei dir“, sagte Ethel salbungsvoll, aber unnachgiebig, „komm, wir müssen bald da sein!“

      Es war ein seltsames Bild, das man allerdings fast erraten mußte, zumal die Dunkelheit immer noch im Palmenwald nistete. Die große, magere Ethel Forest ging voraus, der wesentlich kleinere, etwas dickliche Ehemann folgte.

      Wie zwei Schemen kamen sie dicht an Rander und Parker vorbei, um dann wieder im Unterholz zu verschwinden. Rander wartete, bis von ihnen nichts mehr zu hören war. Dann wandte er sich an seinen Butler.

      „Was sagen Sie dazu? So Was gibt’s doch nicht, Parker … Wieso treiben die Forests sich hier im Wald herum?“

      „Weil Mrs. Forest glaubte, einen Schrei gehört zu haben.“

      „Das nehme ich ihr nicht ab …! Sie etwa!?“

      „Ich möchte mich verständlicherweise nicht festlegen, Sir. Mrs. Forest scheint eine sehr energische und auch hilfsbereite Dame zu sein.“

      „Energisch schon, ob aber hilfsbereit …?“ Rander deutete auf den Strauch unter dem Deering lag. „Wieso marschieren die Forests gerade hier vorbei? Sieht doch so aus, als hätten sie Deerings Leiche gesucht …“

      „Dieser Gesamteindruck könnte durchaus entstehen, Sir …“

      „Denken Sie doch an den Revolver, den sie vergraben haben!“

      „Daraus, Sir, möchte ich im Augenblick, Ihre gütige Erlaubnis vorausgesetzt, noch keine Schlüsse ziehen. Man sollte diesem Ehepaar aber vielleicht folgen. Oder sich trennen …“

      „Okay, bleiben Sie bei Deering zurück, ich hänge mich an die Forests, Parker!“

      Parker war mit dieser Lösung zwar nicht sonderlich einverstanden, fügte sich aber der Unternehmungslust seines jungen Herrn. Er baute sich hinter dichtem Strauchwerk auf und wartete auf weitere Besucher.

      Die stellten sich allerdings nicht ein.

      Als Ersatz dafür war aber ein spitzer, greller Schrei zu hören, der in panischer Todesangst ausgestoßen worden sein mußte!

      *

      Dieser Schrei kam vom nahen Strand her …

      Parker machte sich sofort auf die Beine. Da es dunkel war, erlaubte er sich die Freiheit, einmal gründlich auf seine Würde zu verzichten. Mit der Schnelligkeit eines Sprinters, dennoch fast lautlos und unheimlich sicher, spurtete er zum Strand.

      Hier stieß er fast mit einer jungen Dame zusammen, die in wilder Flucht das Unterholz aufsuchen wollte.

      „Sollten Sie möglicherweise Ärger haben, Madam?“ Parker vertrat ihr den Weg und lüftete grüßend seine schwarze Melone. Sekunden später schlang Pamela Clayton ihre langen, schlanken Arme um seinen Hals und stammelte Worte, die der Butler nicht verstehen konnte. Eines schien sicher zu sein, sie war völlig außer sich und mußte etwas Schreckliches gesehen oder erlebt haben.

      „Weinen erleichtert die Belastungen der Seele“, lehrte Parker, „ein Vorzug der Damen, auf den wir Männer eigentlich grundlos verzichten. Darf ich höflich fragen, was Ihnen zugestoßen ist, Miß Clayton?“

      „Man … Man wollte … mich ermorden!“ schluchzte Pamela Clayton, „schnell, Mister Parker, gehen wir!“

      „Wer, wenn ich weiter fragen darf, wollte Sie ermorden, Miß Clayton?“

      „Drüben am Strand … Ein Ungeheuer …!“

      „Ein was, bitte?“

      „Ein Ungeheuer“, wiederholte sie, „so etwas habe ich noch nie gesehen.“

      „Das ist ein sehr interessanter Aspekt“, meinte Parker gemessen, „sind Sie inzwischen in der Lage, mir dieses Ungeheuer näher beschreiben zu können?“

      „Sie … Sie halten mich wohl für hysterisch, ja?“ Pamela Clayton beruhigte sich von Sekunde zu Sekunde immer mehr. Parkers Gelassenheit, seine sprachliche Umständlichkeit, dies alles war dazu angetan, das angstvolle Mädchen wieder zu sich kommen zu lassen.

      „Ich halte Sie für eine aufmerksame Beobachterin, Miß Clayton. Darf ich Sie aber noch einmal an die Beschreibung dieses Ungeheuers erinnern?“

      Sie holte tief Luft, löste sich von Parker und strich sich dann fahrig

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