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einfach ins Freie zu setzen, was das Einfachste wäre. Hatten sie jetzt nicht nur dieses Haus, sondern auch noch eine Katze am Hals?

      Warum war das Tier denn bei ihr nicht so zutraulich gewesen? Dann hätten sie das jetzt hinter sich.

      Gerda versuchte ein gequältes Lächeln, dann erzählte sie ihrer Tochter notgedrungen, wie sie auf die Katze aufmerksam geworden war und wie sie diese letztlich gefunden hatte.

      Leonie lachte.

      »Mami, da lag sie gerade ebenfalls, vielleicht ist es eine verwunschene Prinzessin und fühlt sich deswegen auf meinem Prinzessinnenbett so wohl?«

      Nun musste auch Gerda lachen.

      »Also, da muss ich dich enttäuschen, mein Kind. Es ist keine Prinzessin, sondern ein Prinz. Es ist ein Kater.«

      Das war Leonie so was von egal, eine Katze, das war im Moment ihr höchstes Glück.

      »Ich werde ihn Blacky nennen«, sagte sie, »einmal, weil er schwarz ist, und er ist ja so schön.«

      Leonie durfte sich da nicht in etwas verrennen.

      »Mein Kind, wir können … Blacky nicht einfach behalten«, sagte sie, »das Tier kann jemandem gehören. Und da müssen wir es zurückgeben. Wir müssen uns umfragen, und am besten schreibst du ein paar Zettel, die wir an Bäumen und Zäunen anheften können. Wenn die Katze irgendwo weggelaufen ist, dann müssen wir sie dem rechtmäßigen Besitzer wirklich zurückgeben, alles andere geht nicht, und es würde dich auch nicht …«, sie zögerte kurz, »glücklich machen. Glaub mir das.«

      Leonie presste den Kater ganz fest an sich.

      »Mami, er gehört niemandem. Das fühle ich. Er hat uns gefunden, er wollte hierher, und ich bin mir sicher, dass niemand nach ihm fragen wird.«

      Gerda zuckte die Achseln.

      »Warten wir’s ab.«

      Was sollte sie sich jetzt wegen einer Katze Gedanken machen?

      Sie wünschte sich, dass jemand sich melden würde.

      Ahnte Leonie die Gedanken ihrer Mutter?

      Sie presste Blacky noch fester an sich.

      »Mami, wenn niemand sich meldet, dann darf ich Blacky doch behalten, oder?«

      Ihre Stimme hatte so flehentlich geklungen. Sie hätte ein Herz aus Stein haben müssen, ihrer Tochter diesen Wunsch abzuschlagen. Sie wäre froh, die Katze käme weg.

      »Natürlich, mein Kind«, sagte sie. »Und wir können ja die Terrassentür noch einmal aufmachen, vielleicht läuft Blacky ja nach Hause.«

      Leonie zögerte, aber dann gab sie nach. Je eher geklärt war, dass Blacky nirgendwo hingehörte, umso eher konnte sie sich freuen.

      Blacky noch immer auf dem Arm, ging sie tapfer zur Terrassentür, öffnete sie ganz weit, dann setzte sie den Kater auf den Boden.

      Es war spannend wie ein Krimi!

      Was würde jetzt passieren?

      Blacky blieb unschlüssig stehen, machte ein ganz klägliches Miau, dann krallte er sich an Leonies rechtem Bein fest. Er wollte nicht gehen, das war eindeutig.

      »Mami, er will bleiben, und nun müssen wir sehen, dass wir für ihn etwas zu essen und zu trinken bekommen.«

      Gerda nickte.

      »Ja, aber zuerst schreiben wir die Zettel und nehmen sie direkt mit, wenn wir das Futter holen. Er braucht ja auch noch einen Katzenkorb, eine Katzentoilette.«

      Leonie war glücklich.

      »Mami, ich gebe dir all mein Taschengeld, das ich von dir bekommen habe. Ich brauche nichts, aber Blacky braucht alles. Er soll sich doch bei uns auch so glücklich fühlen wie ich. Mama, ist es nicht wundervoll? Erst finden wir dieses schöne Haus, ich habe die Möbel bekommen, die ich mir schon immer gewünscht habe, und Blacky ist uns einfach zugelaufen, und …«, sie zögerte einen Augenblick, »ich habe Manuel kennengelernt. Und wer weiß, vielleicht kommt ja auch Pamela aus Australien zurück, dann bekomme ich auch noch eine Freundin. Der Manuel sagt, dass sie sehr nett ist, und er muss es wissen, er ist nämlich mit ihr aufgewachsen. Er ist mit seinem Papa in den Sonnenwinkel gekommen, seine Mama ist tot, aber jetzt hat er eine Stiefmutter, die sehr nett sein muss.«

      Ihr fiel etwas ein.

      »Mami, wer ist eigentlich mein Vater? Und haben wir noch Verwandte? Ich meine eine Oma oder einen Opa, oder vielleicht einen Onkel oder eine Tante.«

      Vor solchen Fragen hatte Gerda Angst.

      Klar, in dieser heilen Welt hier, mussten einer Heranwachsenden solche Fragen kommen.

      Der Sonnenwinkel war nicht gut für sie!

      Sie hätte sich nicht darauf einlassen sollen!

      »Es gibt niemanden«, sagte sie beinahe schroff. »Das habe ich dir doch schon erzählt.«

      Einen solchen Ton kannte Leonie an ihrer Mutter nicht. Was war denn auf einmal mit ihrer Mami los? Sie hatte doch nur etwas gefragt.

      »Und mein Vater?«, erkundigte sie sich erneut, den musste es ja wohl irgendwann mal gegeben haben, denn sonst wäre sie nicht auf der Welt.

      Gerda zögerte mit der Antwort.

      »Über den rede ich nicht«, sagte sie schließlich.

      Mehr hörte sie nicht?

      Mit dieser Antwort gab Leonie sich nicht zufrieden, sie wollte nicht noch einmal dumm dastehen, sollte Manuel sie noch einmal fragen.

      »Aber ich möchte gern wissen, wer er ist.«

      Gerda zögerte erneut, überlegte.

      Sie musste Leonie jetzt etwas sagen.

      Aber was?

      Ihre Gedanken kreisten.

      »Mami, bitte sage es mir«, forderte Leonie, der das Schweigen ihrer Mutter entschieden zu lange dauerte.

      »Also gut, aber ich hätte es gern vermieden, mit dir über dieses Thema zu sprechen, mein Kind. Die Wahrheit ist, dass ich …, dass ich deinen Vater kaum kenne. Ich habe ihn kennengelernt bei einem aufgeheizten Rockkonzert. Die Nacht war lau, die Musik toll, die Menge aufgeheizt. Wir haben uns geküsst, ich habe mit ihm geschlafen …, das Konzert war vorbei, wir haben uns getrennt. Ich kenne nicht einmal seinen Namen … Wenig später stellte ich fest, dass ich schwanger bin. Aber da habe ich nicht lange überlegt. Ich wollte dich unbedingt bekommen, und ich bin sehr glücklich. Du bist für mich ein Geschenk des Himmels, mein Kind …, aber kannst du verstehen, dass ich darüber nicht gern rede?«

      Leonie umarmte ihre Mutter.

      »Mami, entschuldige. Ich verspreche dir, dich auch niemals mehr zu fragen. Wir zwei wissen doch, was wir aneinander haben, wir gehören zusammen, wir gehen durch dick und dünn, und wir haben uns sehr, sehr lieb.«

      Gerda strich ihrer Tochter über das lockige Haar, sie hatte alle Mühe, jetzt so zu tun als sei alles in Ordnung.

      Diese Geschichte hatte sie viel Kraft gekostet, aber zum Glück war sie ihr gerade noch eingefallen, und am besten dabei war, dass Leonie es zu glauben schien.

      Oh Gott!

      Wenn Leonie wüsste!

      In ihrem früheren Leben wäre sie niemals dazu gezwungen gewesen, sich etwas ausdenken zu müssen.

      Es war diese Umgebung hier!

      Es war diese heile Welt!

      Warum hatte sie sich bloß vorher keine Gedanken gemacht?

      Sie war doch sonst so achtsam gewesen, hatte immer, wohin sie auch gegangen waren, das Für und Wider abgewägt.

      Mit dem Sonnenwinkel schien es, als sei sie blind ins Verderben gerannt.

      »Mami, du zitterst ja«, rief Leonie bestürzt. »Ist dir kalt? Du

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