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Bambi ist eine Freundin von mir, wir sind zusammen aufgewachsen.«

      »Und jetzt triffst du dich nicht mehr mit ihr? Habt ihr euch verkracht?«

      Beinahe hätte Manuel wieder gelacht, aber das war jetzt leider nicht zum Lachen, auch wenn diese Leonie so komische Fragen stellte.

      »Bambi wohnt bei ihrem Bruder in Australien, und jetzt will sie auch nicht mehr Bambi genannt werden, sondern Pam, das ist die Abkürzung von Pamela, so heißt sie eigentlich.«

      »Ich weiß«, sagte Leonie.

      »Entschuldige, hab vergessen, dass du ja weit gereist bist und dich auskennst.«

      Eigentlich wollten sie sich gerade auf die Bank setzen, doch Leonie hatte keine Lust mehr. Sie fühlte sich von ihm auf den Arm genommen.

      »Immer irgendwo anders zu sein, das ist nicht so toll, das kannst du mir glauben. Ich wäre in all den Jahren auch lieber immer an einem so wunderschönen Ort gewesen wie dem Sonnenwinkel. So, und jetzt gehe ich.«

      Er hielt sie am Arm fest.

      »Bitte bleib«, bat er, »ich verspreche dir auch, keine dummen Bemerkungen mehr zu machen. Weißt du, ich kann gut mit Mädchen umgehen, und wenn Bambi …, äh Pam hier wäre, ich glaube, ihr würdet euch auch sehr gut verstehen. Und glaube mir, wir hatten auch manchmal Zoff. Ich glaube, das ist so, weil Jungen und Mädchen eben so verschieden sind.«

      Er war ja ein Netter, und Leonie war wieder versöhnt, sie setzte sich neben ihn auf die Bank, und zum Glück stellte er keine Fragen mehr nach ihrem Vater. Die konnte sie nicht beantworten. Und sie musste unbedingt mit ihrer Mama reden.

      Sie sprachen über die Schule, und Manuel freute sich, dass sie auch auf das Hohenborner Gymnasium gehen wollte, das er ebenfalls besuchte.

      »Wir können zusammen im Bus fahren«, sagte er, »aber bei schönem Wetter ist es auch mit dem Fahrrad ganz easy.«

      »Ich nehme den Bus«, sagte sie.

      »Aber es gibt wirklich einen ganz tollen Fahrradweg«, bemerkte er.

      Leonie bekam einen hochroten Kopf. Sie wünschte sich, sich in ein Mauseloch verkriechen zu können. Es war ihr ja so peinlich! Wie sollte sie sich da herausreden? Es ging nicht, also blieb nur die Wahrheit.

      Leonie schob mit ihrem rechten Fuß einen kleinen weißen Stein von links nach rechts, von oben nach unten.

      Dann atmete sie tief durch und sagte so leise, dass man es kaum verstehen konnte: »Ich …, ich kann nicht Fahrrad fahren.«

      So, nun war es heraus, und er würde gleich anfangen amüsiert zu lachen. Nichts geschah, er sagte vielmehr: »Fahrrad fahren ist so was von easy, wenn du willst, dann bringe ich es dir bei. Und üben können wir auf dem Fahrrad meiner Stiefmutter. Vielleicht leiht sie es dir sogar, denn sie fährt überhaupt nicht mehr drauf.«

      Er hatte nicht gelacht!

      Ausgelacht zu werden, und das noch von einem Jungen, das wäre für Leonie wirklich das Allerschlimmste gewesen. Er war cool geblieben, und das war wirklich nett, mehr als nur nett.

      »Und es ist nicht schwer?«, erkundigte sie sich.

      »Überhaupt nicht«, versprach er.

      »Dann frage ich meine Mama, die kauft mir bestimmt ein Fahrrad.«

      »Ja, aber versuchen können wir es zuerst mit dem Fahrrad meiner Stiefmutter. Und am besten üben können wir unten am See. Da gibt es ganz tolle Radwege, alles ist eben, und wenn du zum ersten Mal den See umrundet hast, das verspreche ich dir, dann kannst du auch Rad fahren.«

      Er wollte mit ihr zur Felsenburg gehen!

      Er wollte ihr das Radfahren beibringen!

      Das war ganz schön cool!

      Sie blickte ihn an.

      »Danke, dass du mir das alles beibringen willst. Sind hier alle so nett wie du?«

      Er grinste.

      »Weiß ich nicht, aber geh mal davon aus, dass ich der Netteste bin.«

      Also wirklich, eingebildet war er nicht!

      Sie begannen sich über die Schule zu unterhalten, und als es für sie an der Zeit war zu gehen, begleitete er sie sogar bis zu dem Haus, in dem sie wohnte.

      »Also dann, auf bald«, sagte er.

      »Auf bald«, antwortete sie.

      Als Leonie ins Haus ging, wusste sie, dass sie einen Freund gewonnen hatte. Das war so richtig schön.

      *

      Sie wusste, dass es töricht war, doch Gerda Schulz fühlte sich so unendlich erleichtert, dass man hätte glauben können, ihre Tochter sei nicht von einem kurzen Spaziergang zurückgekehrt, sondern von einer gefährlichen Antarktis-Expedition.

      »Da bist du ja, ich habe mir schon solche Sorgen gemacht«, rief Gerda, umarmte ihre Tochter.

      »Mami, wieso das denn? Ich war erst mal nicht lange weg, und was soll mir denn hier schon passieren?«

      »Dennoch …, wie war die Felsenburg?«

      Leonie erzählte ihrer Mutter, dass sie nicht oben gewesen sei, dafür aber Manuel kennengelernt hatte, der ihr alles in der Felsenburg zeigen wolle, und der sich sogar bereiterklärt hatte, ihr das Fahrradfahren beizubringen. »Mami, er ist sehr nett, und er geht auch auf das Gymnasium in Hohenborn.«

      Gerda wusste nicht, was sie davon halten sollte.

      Es war nicht nur das Leben im Sonnenwinkel, in diesem Haus hier, fremd, es betraf auch die Menschen. Bislang hatten sie mehr oder weniger für sich allein gelebt, und die Kontakte zu anderen Leuten waren sehr spärlich gewesen.

      Nun waren sie kaum hier, und Leonie sprach über diesen Jungen wie über einen alten Freund.

      Ehrlich gesagt, das passte Gerda überhaupt nicht.

      »Leonie, du darfst nicht so vertrauensselig sein.«

      Leonie lachte.

      »Mami, es ist ein Junge, der vielleicht zwei Klassen über mir ist. Du glaubst doch wohl nicht, dass jemand wie Manuel mit dem Messer auf mich losgeht oder mich entführt? Bitte, verdirb mir nicht alles. Ich bin jetzt so glücklich und so froh, und das möchte ich auch bleiben. Ich finde Manuel toll, und ich werde ihn mir durch dich nicht ausreden lassen, gewiss nicht.«

      Sie machte sich aus der Umarmung ihrer Mutter frei und rannte hinauf in ihr Zimmer.

      Warum freute ihre Mutter sich nicht mit ihr?

      Warum sah sie überall den Teufel an der Wand?

      Leonie wollte sich auf ihr Bett werfen, als sie innehielt. Da lag etwas wunderschönes Schwarzes, und zwei grüne Augen funkelten ihr entgegen.

      Sie hielt den Atem an, blieb vor Überraschung stehen, dann näherte sie sich dem Tier, nahm es auf den Arm, streichelte es.

      »Ja, wer bist du denn?«, flüsterte sie und presste ihr Gesicht in das seidenweiche Fell. »Du bist so wunderschön.«

      Dann setzte sie sich, mit der Katze im Arm, die ganz still hielt und vor Behagen schnurrte, in Bewegung, rannte die Treppe hinunter und schrie: »Mami, das ist eine wundervolle Überraschung. Ich habe mir schon immer eine Katze gewünscht, und jetzt habe ich eine. Wo hast du die denn hergeholt? Danke, du bist die liebste Mami auf der ganzen Welt.«

      Angelockt durch das Geschrei ihrer Tochter kam Gerda aus der Küche gelaufen und blieb wie angewurzelt stehen.

      Das konnte jetzt wirklich nicht wahr sein!

      Sie hatte so sehr gehofft, die Katze sei durch die geöffnete Terrassentür hinausgelaufen, und nun sah sie die auf dem Arm ihrer Tochter, und da schien sie sich mehr als nur wohlzufühlen.

      »Mami, danke, tausendmal danke. Ich würde dich ja jetzt gern umarmen, aber wie du siehst, geht es nicht,

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