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glatten Zwei doch ganz hervorragend. Andere Eltern hätten ihr Kind für diese Note auf einen Sockel gestellt, sie wären außer sich vor Freude gewesen. Euch war das nie genug, und in Stellas Fall war es ganz besonders schlimm, ihr habt ihr das Gefühl vermittelt, eine Versagerin zu sein.«

      »Sie hätte es besser gekonnt, wenn sie fleißiger ­gewesen wä­re«, versuchte Heinz Rückert sich zu entschuldigen, den die harten Worte seines Sohnes schon betroffen machten.

      »Ach, Papa …«, sagte Fabian. »Lasst uns einfach davon aufhören. Stella ist mit ihrem Leben zufrieden, sie hat mit Jörg ihr Glück gefunden, und das Geld von Tante Finchen, ich gönne es Stella wirklich von ganzem Herzen, nun etwas Eigenes zu haben und nicht nur auf Jörg angewiesen zu sein, dem nichts vorzuwerfen ist, weil er sie wirklich verwöhnt und nur ihr Bestes will. Dieses Geld gibt ihr eine gewisse Unabhängigkeit und stärkt ihr Selbstwertgefühl.«

      »Ach, und daran sind wir jetzt auch noch schuld, dass Stella kein Selbstwertgefühl hat?«, ereiferte Rosmarie sich.

      Fabian kannte natürlich auch seine Mutter sehr gut und wusste, dass sie sich so erei­ferte, so heftig reagierte, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte.

      Von Rickys Großeltern wusste Fabian, dass seine Eltern sich mittlerweile durchaus bewusst waren, dass sie bei ihren Kindern eine ganze Menge falsch gemacht hatten.

      Doch das würden sie ihnen gegenüber nicht zugeben. Sie konnten es nicht, weil bei­ den Rückerts Konflikte niemals offen ausgetragen wurden, sondern man kehrte es am liebsten unter den Tisch.

      Irgendwie taten sie ihm leid. Sie konnten nicht aus ihrer Haut heraus und waren noch immer der Meinung, ihren Seelenfrieden im Außen finden zu können.

      Wer nach der Devise lebte, mein Haus, mein Auto, mein, Boot, erlitt immer Schiffbruch.

      Fabian war sich sicher, dass ihre Eltern sich auch von dieser Prachtvilla mehr versprochen hatten. Er wünschte sich um ihretwillen von ganzem Herzen, dass sie in diesem Leben noch die Kehrtwende schafften und endlich begriffen, worauf es wirklich ankam.

      Sie taten ihm wirklich leid, und deswegen zeigte er sich versöhnlich und holte aus seiner Tasche Bilder, die die Kinder für ihre Großeltern gemalt hatten.

      Und darüber freuten sich Heinz und Rosmarie wirklich.

      Sein Vater wollte sogar ein von Sandra gemaltes Bild in seinem Büro aufhängen, und seine Mutter wollte zuerst alle Bilder ihren Freundinnen zeigen.

      Das war auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.

      *

      Es war vollbracht.

      Dr. Roberta Steinfeld war, begafft von einer Reihe von neugierigen Zuschauern, in das ehemalige Riedel-Haus eingezogen, in dem mehr Platz war, als sie in Erinnerung hatte, und in dem ihre Möbel ein wenig verloren wirkten.

      Vielleicht hätte sie doch nicht so großzügig auf das meiste verzichten sollen.

      Nun, für solche Überlegungen war es zu spät.

      Das, was sie brauchte, hatte sie, ein Bett, einen Schrank, mehr als nur einen Tisch und einen Stuhl.

      Von den Riedels hatte sie die­ komplette Küche übernommen, die wirklich toll war.

      Wenn sie ehrlich war, sah Roberta sich da nicht als die perfekte Hausfrau herumwerkeln.

      Ihr Beruf war ihr Leben, deswegen hielten sich ihre Kochkünste in Grenzen. Bei einem Wettbewerb würde sie damit keinen Preis gewinnen.

      Musste sie nicht.

      Auf jeden Fall würde sie in ihrer Küche den Spruch aufhängen »Nobody is perfect«.

      Sie hatte den Umzug mehr oder weniger allein bewältigt. Nicki, die doch noch darauf bestanden hatte, ihr zu helfen, und davon war sie nicht abzubringen gewesen, hatte absagen müssen, weil sie mit ihrem neuen Auftraggeber nach Brasilien reisen musste, um dort für ihn zu übersetzen.

      Frau Hollenbrink, die auch schon Enno Riedels Sprechstundenhilfe gewesen war, war ein Schatz. Sie hatte ihr ein paar kräftige Männer besorgt, die die Möbel wenigstens schon mal in die dafür vorgesehenen Räume verteilt hatten.

      Irgendwann würde sie es sich gemütlich machen, doch vorrangig war sie daran interessiert, die Praxis zu eröffnen.

      Sie war aufgeregt wie an ihrem ersten Arbeitstag als junge Assistenzärztin, als sie die wirklich schönen, vor allem sehr zweckmäßigen Arbeitsräume betrat.

      Es war alles vorhanden, was man brauchte. Was natürlich nicht mit dem zu vergleichen war, was sie aufgegeben hatte. Das hier war aber auch keine große Großstadtpraxis, sondern eine in einer ländlichen Idylle.

      Ursel Hollenbrink hatte ihr als Willkommensgruß einen schönen Blumenstrauß hingestellt, und auch Enno hatte es sich nicht nehmen lassen, sie mit lieben Grüßen und ebenfalls einem Blumenstrauß in ihrem neuen Leben willkommen zu heißen.

      Es war rührend.

      Sie freute sich.

      Doch wo blieben die Patienten?

      Von Enno Riedel wusste sie, und das hatte Frau Hollenbrink auch bestätigt, und das bewiesen auch die ihr vorgelegten Abrechnungen, dass die Praxis jeden Tag rappelvoll gewesen war.

      Heute war das Wartezimmer leer.

      Am späten Vormittag verirrte sich ein älterer Herr in die Praxis, der allerdings sofort wieder das Weite suchte, als er statt des Doktors die Frau in Weiß erblickte.

      »Die Leute werden sich daran gewöhnen«, wurde sie von ihrer Sprechstundenhilfe getröstet, »es muss sich erst noch herumsprechen.«

      Das stimmte so nicht.

      Von Enno Riedel wusste sie, dass er alle Patienten angeschrieben hatte, um sie über die Veränderung zu informieren. Und sie wusste auch, dass er sehr nett über sie geschrieben hatte und die Patienten gebeten hatte, ihr das Vertrauen zu schenken, das sie ihm entgegengebracht hatten.

      Je mehr Zeit verging, ohne dass etwas geschah, umso nervöser wurde Roberta.

      Hatte sie übereilt eine falsche Entscheidung getroffen?

      Aus finanziellen Gründen musste sie jetzt nicht panisch werden. Da könnte sie durchaus eine längere Durststrecke überbrücken.

      Darum ging es nicht.

      Sie wollte arbeiten!

      Gegen Mittag kamen der Professor Auerbach, den sie bereits kannte und sehr schätzte, und seine Frau vorbei, um ihr ebenfalls Blumen zu bringen.

      Das munterte sie ein wenig auf, zumal sie Inge Auerbach sehr sympathisch fand.

      »Die Leute vom Sonnenwinkel sind ein wenig schwerfällig, sie brauchen eine Weile, um mit Veränderungen fertig zu werden. Dr. Riedel war halt sehr beliebt, und man hat es ihm sehr übel genommen, dass er gegangen ist. Ich glaube, man überträgt das jetzt auf Sie, obschon Sie nichts dafür können, Frau Dr. Steinfeld. Vielleicht ist es nicht einmal verkehrt, nicht direkt überrannt zu werden. Da haben Sie Zeit, sich einzugewöhnen, sich mit allem vertraut zu machen. Schließlich ist hier im Sonnenwinkel alles neu für Sie.«

      Roberta hätte ihr jetzt sagen können, dass sie sich in einer knappen Viertelstunde bereits den Überblick verschafft hatte und dass in dieser Praxis doch alles sehr überschaubar war.

      Sie unterließ es, schließlich meinte die nette Frau Auerbach es ja nur gut mit ihr.

      Sie hatten hinreichend Zeit, miteinander zu plaudern, weil einfach kein Patient kam, und das war zermürbend, sehr zermürbend.

      *

      Die Mittagspause verbrachte Roberta im Haus. Sie kochte sich einen Kaffee, und eigentlich hätte sie auch etwas essen müssen, doch sie war unfähig, sich auch nur ein Butterbrot zu schmieren.

      Wellen der Enttäuschung durchfluteten sie, die von Wellen der Zweifel abgelöst wurden.

      Man hatte sie gewarnt, allen voran ihre

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