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ein weiteres Wort zu sagen, verließ April das Zimmer und schloss die Tür, sodass Riley alleine auf ihrem Bett zurückblieb.

      Einen Moment lang überlegte sie, ob sie April nicht nachgehen sollte, doch...

      Was gibt es da noch zu sagen?

      In diesem Moment gab es nichts. Mit dem Kopf verstand Riley, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, so vorzugehen. Sie konnte April die Pistole nicht noch einmal anvertrauen. Weiteres Schimpfen und Bestrafung wären jetzt sicherlich sinnlos.

      Nichtsdestotrotz fühlte sich Riley so, als hätte sie irgendwie versagt. Sie war sich nicht sicher, wieso. Vielleicht, dachte sie, war es das, dass sie April überhaupt erst eine Waffe anvertraut hatte. Doch, fragte sie sich, gehörte das nicht zum Mutter-sein dazu? Früher oder später musste man Kindern mehr Verantwortlichkeiten überlassen. Sie würden an einigen davon scheitern, aber andere davon meistern.

      Das ist einfach ein Teil des Erwachsenwerdens.

      Sicherlich konnten keine Eltern all die Verfehlungen und Niederlagen ihres Kindes im Vornherein kennen.

      Vertrauen war immer ein Risiko.

      Trotzdem hatte Riley das Gefühl, dass ihr Verstand sich in Kreisen drehte, um irgendwie eine Rationalisierung für ihr eigenes Erziehungsversagen zu finden.

      Ein plötzlicher schmerzhafter Stich in ihrem Rücken stoppte ihr Grübeln.

      Meine Wunde.

      Ihr Rücken schmerzte immer noch von Zeit zu Zeit dort, wo ein psychopathischer Mörder auf sie mit einem Eispickel eingestochen hatte. Die Spitze war erschreckend tief eingedrungen –– tiefer als ein normales Messer es vermutlich getan hätte. Es war jetzt über zwei Wochen her und sie hatte deswegen eine Nacht im Krankenhaus verbringen müssen. Danach hatte sie die Anweisungen bekommen, sich zuhause auszuruhen.

      Obwohl Riley körperlich wie auch emotional von der ganzen Sache ganz schön mitgenommen gewesen war, hatte sie gehofft mittlerweile wieder auf der Arbeit sein zu können und an einem neuen Fall zu arbeiten. Doch ihr Boss, der Abteilungsleiter Brent Meredith, hatte darauf bestanden, dass sie sich mehr Zeit für ihre Genesung nahm, als ihr lieb gewesen wäre. Er hatte auch Rileys Partner Bill freigestellt, weil er auf den Mann, der Riley attackiert hatte, geschossen hatte und ihn dabei getötet hatte.

      Sie fühlte sich auf jeden Fall bereit, zurück an die Arbeit zu gehen. Sie dachte nicht, dass ein schmerzhaftes Stechen hin und wieder sie bei der Arbeit behindern würde. Obwohl die Kinder und Gabriela sie die gesamte Zeit über umsorgt hatten, hatte sie nicht das Gefühl gehabt, dass sie gerade einen guten Draht zu ihnen hatte. Ihre permanente Sorge bereitete ihr bloß Schuldgefühle und gab ihr das Gefühl eine inadäquate Mutter zu sein.

      Sie wusste, dass sie Jilly und Gabriela nun einiges an Erklärungen zu der Pistole schuldete.

      Sie erhob sich und ging über den Flur zu Jillys Zimmer.

      *

      Ihr Gespräch mit Jilly verlief genau so schwierig, wie es Riley erwartet hatte. Ihre jüngere Tochter hatte dunkle Augen, die von ihrer vermuteten italienischen Abstammung kamen und ein aufbrausendes Temperament wegen ihren schwierigen Kindheitsjahren, bevor Riley sie adoptiert hatte.

      Jilly war sichtlich aufgebracht, dass Riley April eine Pistole besorgt hatte und dass ihre Schwester Schießtraining hinter ihrem Rücken bekommen hatte. Natürlich versuchte Riley vergebens ihre jüngere Tochter davon zu überzeugen, dass eine Pistole in ihrem Alter außer Frage stand. Und außerdem hatte es ja auch mit April nicht gut geklappt.

      Riley konnte sehen, dass nichts, was sie sagte, einen Eindruck hinterließ und gab bald auf.

      „Später“, sagte sie zu Jilly. „Wir werden später erneut darüber sprechen.“

      Als Riley Jillys Zimmer verließ, hörte sie wie sich die Tür hinter ihr schloss. Eine ganze Weile lang stand Riley bloß im Flur rum. Ihre beiden Töchter hatten sich in ihren Zimmern eingesperrt und schmollten. Dann seufzte sie und ging zwei Etagen tiefer in den Wohnbereich von Gabriela.

      Gabriela saß auf ihrem Sofa und blickte durch die großen Glasschiebetüren in den Hinterhof hinaus. Als Riley eintrat, lächelte Gabriela und tätschelte den Platz neben sich. Riley setzte sich und begann ganz von Anfang an die Geschichte mit der Pistole zu erklären.

      Gabriela wurde nicht wütend, doch sie schien verletzt zu sein.

      „Sie hätten es mir sagen sollen“, sagte sie. „Sie hätten mir vertrauen sollen.“

      „Ich weiß“, sagte Riley. „Es tut mir leid. Ich glaube ich habe einfach... zurzeit Probleme mit der ganzen Erziehungssache.“

      Gabriela schüttelte den Kopf und sagte: „Sie versuchen zu viel zu tun, Señora Riley. Sowas wie eine perfekte Mutter gibt es nicht.“

      Diese Worte erwärmten Riley das Herz.

      Das ist genau, was ich hören musste, dachte sie.

      Gabriela fuhr fort: „Sie sollten mir mehr vertrauen. Sie sollten sich mehr auf mich verlassen. Ich bin schließlich hier, um ihr Leben einfacher zu machen. Das ist meine Arbeit. Ich bin auch hier, um meinen Teil der Erziehungsarbeit zu übernehmen. Ich denke, dass ich mit den Mädchen gut kann.“

      „Oh, und wie“, sagte Riley und ihre Stimme wurde ein bisschen heiser. „Das bist du wirklich. Du weißt gar nicht, wie dankbar ich bin dich in unserem Leben zu haben.“

      Riley und Gabriela saßen einen Moment schweigend da und lächelten einander an. Auf einmal fühlte Riley sich sehr viel besser.

      Dann klingelte es an der Tür. Riley umarmte ihre Haushälterin und ging in den ersten Stock, um die Tür zu öffnen.

      Für einen kurzen Moment war Riley entzückt zu sehen, dass ihr gutaussehender Freund, Blaine, vor ihr stand. Doch sie bemerkte etwas trauriges in seinem Lächeln, einen melancholischen Blick in seinen Augen.

      Das hier wird kein angenehmer Besuch sein, begriff sie.

      KAPITEL ZWEI

      Etwas stimmte nicht, das wusste Riley. Statt hereinzukommen und sich wie zuhause zu fühlen, wie er es normalerweise tat, stand Blaine bloß vor ihrer Eingangstür da. Sein angenehmes Gesicht hatte einen unbestimmten erwartungsvollen Ausdruck.

      Riley wurde mutlos. Sie hatte eine ziemlich genaue Ahnung, was Blaine auf dem Herzen lag. Sie hatte es tatsächlich schon seit Tagen kommen sehen. Für einen kurzen Moment verspürte sie den Wunsch die Tür einfach zu schließen und so zu tun, als wäre er gar nicht vorbeigekommen.

      „Komm rein“, sagte sie.

      „Danke“, antwortete Blaine, als er ins Haus eintrat.

      Als sie sich im Wohnzimmer hinsetzten, fragte Riley: „Möchtest du etwas trinken?“

      „Äh, nein, ich glaube nicht. Danke.“

      Er erwartet nicht, dass sein Besuch lange dauern wird, dachte Riley.

      Dann schaute er sich um und bemerkte: „Es ist ja unglaublich still im Haus. Sind die Mädchen heute Nachmittag irgendwo anders?“

      Es wäre Riley beinahe rausgeplatzt: „Nein, sie wollen einfach nur nichts mehr mit mir zu tun haben.“

      Doch das schien unpassend unter den gegebenen Umständen. Wenn zwischen ihnen alles normal gewesen wäre, hätte Riley sich gerne über die Strapazen des Mutterseins ausgelassen und hätte von Blaine erwarten können, dass er freudig miteinstimmen würde und sogar ihre Laune mit ein paar ermunternden Worten heben könnte.

      Dies war aber nicht einer dieser Momente.

      „Wie fühlst du dich?”, fragte Blaine.

      Einen Moment lang kam Riley die Frage ziemlich komisch vor und sie wollte beinahe sagen: „Ziemlich

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