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      Dann kam die Katastrophe von 1830. Die Gesellschaft löste sich für zwei Jahre auf, die reichen Leute gingen während der Unruhen auf ihre Güter oder reisten in Europa, und die Salons taten sich erst 1833 wieder auf. Das Faubourg St. Germain schmollte, betrachtete aber einzelne Häuser, so das des österreichischen Botschafters, als neutralen Boden. Dort traf sich die legitimistische und die neue Gesellschaft in ihren elegantesten Spitzen. Vandenesse war durch tausend Bande des Herzens und der Dankbarkeit an die verbannte Dynastie gekettet, hielt sich aber im Vollgefühl seiner Überzeugung nicht für verpflichtet, die albernen Maßlosigkeiten seiner Partei mitzumachen. In den Zeiten der Gefahr hatte er seine Pflicht unter Lebensgefahr getan, indem er sich unter die Volksmassen mischte und sie zu Verhandlungen aufforderte. Er führte seine Frau also in eine Gesellschaft, in der seine Treue nie angefochten werden konnte.

      Vandenesses alte Freundinnen hatten Mühe, die Jungvermählte in der eleganten, geistreichen, sanften Gräfin wieder zu erkennen, die sich selbst mit den feinsten Manieren der Aristokratin zur Geltung brachte. Frau von Espard und Frau von Manerville, Lady Dudley und ein paar andere, weniger bekannte, fühlten die Schlange des Neides in ihrem Busen erwachen. Sie hörten das flötende Zischen des gereizten Stolzes, waren auf das Glück von Felix eifersüchtig und hätten gern ihre schönsten Pantoffeln hingegeben, damit ihm ein Unglück zustieß. Anstatt aber der Gräfin feindlich zu sein, drängten sich diese guten Seelen an sie heran, bezeigten ihr übertriebene Freundschaft und lobten sie vor den Herren. Felix, der ihre Absichten hinreichend durchschaute, hatte ein Auge auf ihre Beziehungen zu Marie und riet ihr, ihnen zu misstrauen. Alle errieten, dass ihr Verkehr mit der Gräfin ihrem Gatten unbequem war. Sie verziehen ihm sein Misstrauen nicht, verdoppelten ihre Fürsorge und Zuvorkommenheit für ihre Nebenbuhlerin und verhalfen ihr zu einem Riesenerfolge – zum großen Missfallen der Marquise von Listomère, die nichts davon begriff. Man rühmte die Gräfin Felix von Vandenesse als reizendste, geistreichste Frau in Paris. Maries zweite Schwägerin, die Marquise Charles von Vandenesse, empfand es als höchst peinlich, dass sogar ihr Name zu Verwechslungen führte und zu Vergleichen anregte. Obwohl die Marquise auch eine sehr schöne und sehr geistreiche Frau war, stellten ihre Nebenbuhlerinnen ihr ihre Schwägerin um so lieber entgegen, als die Gräfin zwölf Jahre jünger war. Die Damen wussten, wie sehr die Erfolge der Gräfin das Verhältnis zu ihren beiden Schwägerinnen trüben mussten. Diese wurden denn auch kalt und unhöflich gegen die siegreiche Marie Angelika. Das waren gefährliche Verwandte, geheime Feindinnen.

      Wie jedermann weiß, kämpfte die Literatur damals gegen die allgemeine Gleichgültigkeit, die das politische Drama hervorgerufen hatte. Sie brachte mehr oder weniger an Byron gemahnende Werke hervor, die von nichts handelten als von »Eheirrungen«. Damals gaben die Verstöße gegen den Ehekontrakt den Stoff für die Zeitschriften, Bücher und Theaterstücke her. Dies ewige Thema war damals mehr denn je in Mode. Der Liebhaber, das Schreckgespenst der Ehemänner, war überall, außer vielleicht in den Ehen selbst, wo es in diesem Bourgeoiszeitalter weniger Liebhaber gab denn je. Wenn alles an die Fenster stürzt, Achtung schreit und die Straßen beleuchtet – zeigen sich dann die Diebe wohl? Gab es in jenen Jahren, die so reich an städtischen, politischen und moralischen Aufregungen waren, auch eheliche Katastrophen, so waren es doch nur Ausnahmen, die nicht so beachtet wurden, wie in der Restaurationszeit. Trotzdem sprachen die Damen untereinander viel von dem Thema, das damals die beiden Formen der Dichtung, Buch und Theaterstück, beherrschte. Oft war die Rede von dem Liebhaber, diesem seltnen und so erwünschten Wesen. Die bekannten Abenteuer bildeten den Gesprächsstoff, und diese Diskussionen wurden wie stets von makellosen Frauen geführt. Etwas verdient Beachtung, nämlich die Ablehnung derartiger Gespräche durch die Frauen, die ein unerlaubtes Glück genießen. Sie benehmen sich in der Gesellschaft prüde, zurückhaltend, ja fast schüchtern; sie scheinen jedermann um Schweigen oder um Vergebung für ihr Vergnügen zu bitten. Hört eine Frau dagegen gern von solchen Katastrophen reden, lässt sie sich die Wonnen erklären, die einen Fehltritt rechtfertigen, so kann man annehmen, dass sie am Kreuzweg der Unentschlossenheit steht und nicht weiß, welche Richtung sie einschlagen soll.

      In jenem Winter hörte die Gräfin von Vandenesse die laute Stimme der Welt an ihr Ohr dröhnen, und der Sturmwind umpfiff sie. Ihre angeblichen Freundinnen, die ihren Ruf durch den Klang ihrer Namen und die Höhe ihrer Stellung in Händen hielten, malten ihr häufig die verführerische Gestalt des Liebhabers aus und warfen in ihre Seele Feuerworte über die Liebe, – des Rätsels Lösung, das den Frauen das Leben aufgibt, die große Leidenschaft, die nach dem Wort der Frau von Staël ein Beispiel gibt. Fragte die Gräfin in kleinem Kreise naiv, welcher Unterschied zwischen einem Liebhaber und einem Gatten bestände, so antwortete ihr jede der Damen, die Vandenesse ein Unglück wünschten, unfehlbar in einer Weise, die ihre Neugier stachelte, ihre Phantasie erregte, ihr Herz packte und ihre Seele fesselte.

      »Mit seinem Gatten vegetiert man nur, meine Liebe, mit einem Liebhaber lebt man,« sagte ihre Schwägerin, die Marquise von Vandenesse.

      »Die Ehe, mein Kind, ist unser Fegefeuer, die Liebe ist das Paradies,« sagte Lady Dudley.

      »Glauben Sie es nicht!« rief Fräulein Destouches aus, »sie ist die Hölle!«

      »Aber eine Hölle, in der man liebt,« bemerkte die Marquise von Rochefide. »Man hat oft mehr Freude am Leiden als am Glück, siehe die Märtyrer!«

      »An der Seite eines Gatten, kleine Unschuld,« sagte die Marquise von Espard, »leben wir sozusagen unser eignes Leben. Aber lieben, das heißt das Leben eines andern leben.«

      »Ein Liebhaber ist die verbotene Frucht, ein Wort, das für mich alles sagt,« lachte die hübsche Moïna von Saint-Hérem.

      Ging die Gräfin nicht zu einem diplomatischen Rout oder zum Ball bei reichen Ausländerinnen, wie Lady Dudley oder die Gräfin Galathionne, so fuhr sie fast allabendlich in die Oper oder ins italienische Theater und nachher in eine Gesellschaft, sei es zur Marquise von Espard, zur Marquise von Listomère, Fräulein Destouches, der Gräfin Montcornet oder der Vicomtesse von Grandlieu, den einzigen offenen aristokratischen Häusern, und nie kehrte sie heim, ohne dass eine schlimme Saat in ihr Herz gesät ward. Man riet ihr, »sich auszuleben«, wie der damalige Modeausdruck lautete, und »verstanden zu werden«, auch ein Wort, dem die Frauen merkwürdige Bedeutung geben. Sie kehrte unruhig, erregt, neugierig und versonnen heim. Sie fand eine gewisse Leere in ihrem Leben, aber sie ging nicht so weit, es für völlig leer zu halten.

      Die amüsanteste, aber auch die gemischteste Gesellschaft von all den Salons, in denen Frau Felix von Vandenesse verkehrte, fand sie bei der Gräfin von Montcornet, einer reizenden kleinen Dame, die berühmte Künstler, die Spitzen der Finanz und hervorragende Schriftsteller empfing, aber erst, nachdem sie sie einer strengen Prüfung unterworfen hatte, so dass auch die anspruchsvollsten Gesellschaftsmenschen nicht zu fürchten brauchten, irgendwen dort zu treffen, der zur zweiten Gesellschaft gehörte. Die größten Ansprüche fanden hier ihr Genüge. Während des Winters, wo die Gesellschaft sich wieder zusammenfand, hatten einige Salons, darunter die der Frau von Espard und von Listomère, des Fräuleins Destouches und der Herzogin von Grandlieu, neue Gäste unter den neuen Größen der Kunst, Wissenschaft, Literatur und Politik gewonnen. Die Gesellschaft verliert ihre Rechte nie, sie will stets unterhalten sein. Bei einem Konzert, das die Gräfin gegen Ende des Winters gab, erschien bei ihr eine der zeitgenössischen Berühmtheiten der Literatur und Politik, Raoul Nathan. Eingeführt hatte ihn einer der geistreichsten, aber trägsten Schriftsteller der Zeit, Emil Blondet, auch eine Berühmtheit, aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit, von den Journalisten gerühmt, aber außerhalb des Faches unbekannt. Das wusste Blondet auch; überdies machte er sich keine Illusionen und sagte unter andern verächtlichen Worten, der Ruhm sei ein Gift, das man nur in kleinen Dosen nehmen dürfe.

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