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wäre einer eigenen Untersuchung wert] .

      In seinem Buche »Hundert und ein Sabbath« [* Der Titel ist Öttingers »Hundert und Eins« (1833), einer 1835 erschienenen Sammlung »Russisches Hundert und Eins« und Lysers »Abendländische Hundert und eine Nacht« nachgebildet] , wovon aber nur acht Sabbathe geschildert werden, erzählt Schiff weniger Sagen als tendenziöse Judengeschichten. Er schlingt um diese einen Rahmen nach der Art der »Serapionsbrüder« oder des »Wirtshauses im Spessart«, indem er eine Gesellschaft an jedem Samstag zusammenkommen läßt, in der man die Geschichten vorträgt. Eingeleitet wird das Ganze durch drei Briefe, »Ein Genrebild aus dem heutigen Leben der Juden«, worin sich das unter Juden unerhörte Vorkommnis einer Entführung, die dann zur Heirat führt, begibt. Unter den eingeschalteten Erzählungen findet sich eine Sage »Ein Abenteuer Alexanders des Großen« (er kommt bis zum Himmel, erhält von Petrus zum Andenken einen Totenkopf, der so schwer ist, daß ihn niemand tragen kann, bis Aristoteles rät, Erde darauf zu streuen, worauf es gelingt, ihn aufzuheben), eine Geschichte voll talmudischer Spitzfindigkeiten; dann die schaurige Novelle »Das Tollhaus«, in der ein Rabbi seinen gesunden Sohn ins Narrenhaus sperren läßt, damit er dort weise werde (eingeschaltet ist die Wagenseils »Kunst, hebräisch lesen zu lernen«, Seite 326 nachgebildete Geschichte des Abba Chilkia), das unbedeutende Märchen »Die Weisheit Salamonis« und das beste Stück der ganzen Sammlung, die erschütternde Novelle »Simon Abeles«. Die Handlung geht im ausgehenden 17. Jahrhundert in Prag vor sich. Schiff nimmt hier energisch Stellung gegen jüdische Unduldsamkeit, die so weit geht, daß ein schuldloser Knabe, der von Christen geraubt wurde, um getauft zu werden, von dem eigenen Vater auf Wunsch der ganzen Judengemeinde grausam mißhandelt und sogar getötet wird. Für solche Barbarei findet der Erzähler Worte flammendster Empörung; er ist nicht mehr objektiv, indem er auch das Vorgehen der Jesuiten, die den Knaben zur Taufe zwingen wollten, anklagt, ihm handelt es sich nur um die Bekämpfung des jüdischen Fanatismus, dem sogar die Menschlichkeit völlig verloren gehe, wenn die Religion in Gefahr sei, verletzt zu werden [*Schiffs Novelle geht zurück auf den »Processus inquisitorius« (Prag, bei Balthasar Joachim Endler, 1696), worin die gegen den Vater des Simon Abeles, »ex odio christianae fidei« anhängig gemachte Anklage geschildert ist] . – Die köstliche Satire auf jüdische Großsprecherei »Die Sabbathehre« mit der eingelegten »Geschichte von dem Fische des Joseph Moker Schabbes« (bei Wagenseil, Seite 324 ff.) bildet den Schluß des Buches. Diese Fischgeschichte weist Anklänge an den »Ring des Polykrates« auf, indem nämlich ein Börsenspekulant sein ganzes Vermögen zum Ankaufe eines unendlich kostbaren Ringes verwendet, damit ihm in der Zeit der Gefahr von seinem Reichtum nichts verloren gehe. Den Ring verschlingt ein Fisch, den ein armer Mann kauft, der seinen unversehens gewonnenen Reichtum mit dem arm gewordenen Reichen teilt. –

      Die Erzählungen Schiffs besitzen ein zwiespältiges Aussehen; naive, anspruchslose Sagen stehen neben aufreizenden, dramatisch bewegten Novellen. Nirgends erkennt der Leser eine Lichtseite des Judentums, deren es gewiß manche nicht zu übersehende hat. Schiff ist immer nur unerbittlicher Richter, fast Scharfrichter. Ein grausamer, unbarmherziger Humor und Sarkasmus durchzieht jede einzelne Erzählung. Dialektische Kunststücke und bis zum Gipfel gesteigerte Spitzfindigkeiten sind immer anzutreffen. Das hat Schiff aus dem Talmud gelernt, den er zwar zu lieben vorgibt, dem er aber zweifellos feindlich gegenübersteht. Er sieht in der bohrenden Rabulistik der Rabbinen, die sich über unwürdige Nichtigkeiten die größten Bedenken machen, ein schweres Hindernis für eine tiefer schürfende Gelehrsamkeit. Mit ihrer Weisheit seien die Rabbinen seit jeher sogar dem lieben Gotte nur beschwerlich gefallen, mit dem sie, weil »Juden nicht genug bekommen können«, vollständig zerfallen seien. Ausgesprochene Oppositionsgesinnung ist also die sichtliche Tendenz des ganzen Buches, in dessen Einleitung Schiff zwar seine vollste Objektivität betont, an die indes kein Leser glauben kann[*Vgl. die Besprechung im Literaturblatt des »Komet«, 1842, Nr. 30] .

      Von dieser überdeutlichen Abneigung gegen alles Jüdische und dem Abfall vom Judentum war nur mehr ein kleiner Schritt, und diesen mußte Schiff, der innerlich längst Apostat war, machen. Er hat sich denn auch in Glaubitz bei Großenhain (in Sachsen) taufen lassen. (Diese Tatsache wird hier nach amtlichen Ausweisen zum erstenmale mitgeteilt und widerlegt alle Behauptungen z. B. in Schröders »Lexikon der Hamburgischen Schriftsteller« VI, 52, in Haarbleichers »Zwei Epochen« (1867), Seite 316 ff., daß Schiff bis zu seinem Tode Jude geblieben sei.)

      Diese letzte Konsequenz aus seiner unverkennbaren Gesinnung mußte er ziehen. Wer innerlich mit dem Judentum so völlig fertig war wie Schiff, durfte ihm auch äußerlich nicht mehr angehören. Ein Umstand mag übrigens diesen Entschluß, Christ zu werden, beschleunigt haben; der Vierzigjährige hatte sich in eine neunzehnjährige Schauspielerin, Luise Karoline Auguste Leidhold [* So ist die Schreibung des Namens im Trauscheine; in anderen Dokumenten erscheint er als Leuthold] , die Tochter des Aufwärters in der Neukirche zu Leipzig, Gotthelf Leidhold, verliebt und heiratete sie am 27. November 1841 in der evangelischen Kirche zu Schkeuditz [* Frdl. Mitteilung des Pfarrers Bröse in Schkeuditz] . Es war die törichteste, folgenschwerste Tat seines an Extravaganzen überreichen Lebens. Schiff, der sich selbst dem leisesten Zwang niemals fügen konnte, dem der Begriff eines geordneten und geregelten Lebens stets fremd war, hätte vielleicht durch eine energische, kluge, feinfühlige Frau, die durch scheinbares Eingehen auf seine Schrullen ihren Willen durchgesetzt hätte, in ruhige Bahnen gelenkt werden können. So aber war er mit seinem rohen, undisziplinierbaren Naturell an eine leichtfertige Kokette geraten, der er übrigens das Leben recht schwer gemacht haben mag, weshalb sie ihm einen Tag nach der Trauung davonlief. Ein wichtiger und unbedingt glaubwürdiger Gewährsmann, von Corvin, erzählt in seinen »Erinnerungen aus dem Leben eines Volkskämpfers« (Band II. Kap. 9. Seite 330–331):

      »Einst traf ich ihn im Hotel de Bavière (in Leipzig). Ich freute mich natürlich und setzte mich in seine Nähe. Nach einer Pause sagte er: ›Ich habe mich gestern verheiratet.‹ – Das klang fast noch unglaublicher als sein Geld haben [* Davon spricht Corvin im Vorhergehenden]. ›Mit wem?‹ rief ich erstaunt. ›Und wo ist denn Ihre Frau?« – »Ach – sie ist mir heute wieder davongelaufen« sagte Schiff und kaute gleichgültig weiter. Die Sache war indessen genau, wie er mir sie erzählte.« – So gleichmütig hätte Schiff das Davonlaufen seiner Frau nicht hinnehmen dürfen. Denn er blieb verheiratet und mußte die Folgen dieser Tatsache auf das grausamste während vieler Jahre verspüren. Doch war er so taktvoll, der Frau, der er die bittersten Stunden seines Lebens verdanken sollte, nie ein gehässiges oder zorniges Wort nachzusagen. Er fand nicht einmal die Kraft, sich von ihr, die nie sein war, scheiden zu lassen oder die Vaterschaft der Kinder, die sie gebar, abzulehnen.

      Drückende Not, der er überhaupt nicht mehr entrinnen konnte, mag das ihrige beigetragen haben, daß Schiff so lethargisch wurde. Er durfte sich in Leipzig nicht beklagen, daß er übersehen oder verkannt worden wäre. Die »Zeitung für die elegante Welt«, der »Komet« und dessen Literaturblatt standen ihm offen; sogar als ständiger Mitarbeiter der »Grenzboten« wird er auf dem Titelblatt des 2. Jahrganges angeführt, doch schrieb er nur zweimal für sie. Wichtig ist eine im 2. Novellenhefte der »Grenzboten« (1842) abgedruckte Märchennovelle Schiffs »Ohnespaß«, die Geschichte eines vom Himmel gefallenen Engels oder Marienkindes, die vielleicht identisch ist mit »Das Marienkind. Geschichte eines Engels«. Vom Verfasser des »Gevatter Tod«. (Leipzig. 1842. Hartung.) Die besten Beiträge finden sich in Herloßsohns »Komet«, vor allem drastische Parodierungen der Lyrik Heines, mit dem er jetzt wegen seiner Angriffe, die der unversöhnliche Hasser Heine nicht verzieh, schlechter denn je stand. Es klingt ganz Heinisch, wenn Schiff (»Das Teleskop«, Beilage des »Komet«. 1842, Nr. 2) singt:

      »Die Träume sind verflogen,

      Erstorben mein Jugendmut,

      Mein Glaube hat mich betrogen.

      Der Magen allein ist noch gut« [* Noch im hohen Alter rühmte er sich gegenüber Strodtmann (vgl. Heines Leben I, 374) dieser Parodien] .

      Was er an Novellen veröffentlichte, verrät leider durchwegs tiefgehende seelische Depression, die auf die Dichtungen höchst nachteilig einwirkte. »Die Schneehexe« und «Der Freischöffe« (in der »Zeitung für die elegante Welt«) sind kaum lesbar, und »Die Seherin« (1843 von Gubitz aus Erbarmen in eine »Novellenmappe« aufgenommen) ist derart unheimlich, krankhaft und wüst [* Vgl. auch Lorenz Dieffenbachs

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