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noch lesen, und das Werk wäre nicht zerstört. Wir nähern uns einer Zeit, wo die Vermögen sich ausgleichen und also kleiner werden, wo alle ärmer werden; wir werden billiger Wäsche und billiger Bücher bedürfen, wie man anfängt, kleine Bilder haben zu wollen, weil man keinen Raum mehr hat, um die großen zu hängen. Die Hemden und die Bücher werden nicht mehr von Dauer sein, das ist alles. Die Solidität der Erzeugnisse verschwindet allenthalben. So ist also das Problem, das zu lösen steht, von der größten Bedeutung für die Literatur, die Wissenschaften und die Politik. Es gab eines Tages in meinem Arbeitszimmer eine lebhafte Diskussion über die Bestandteile, die man in China zur Herstellung des Papiers verwendet. Dort hat, dank den Rohstoffen, die Papierfabrikation von Anfang an eine Vollendung erreicht, die wir bei uns nicht kennen. Man beschäftigte sich damals mit dem Chinapapier, das durch seine Leichtigkeit und Reinheit dem unsern sehr überlegen ist, denn diese wertvollen Eigenschaften benehmen ihm nicht die Festigkeit, und so dünn es auch ist, scheint es in keiner Weise durch. Ein sehr kenntnisreicher Korrektor – in Paris trifft man unter den Korrektoren Gelehrte: Fourier und Pierre Leroux sind in diesem Augenblick Korrektoren bei Lachevardière! ... – also, der Graf von St. Simon, der damals gerade Korrektor war, trat während dieser Diskussion zu uns. Er sagte uns, dass nach Kempfer und du Halde die Brussonatia den Chinesen den Stoff zu ihrem Papier lieferte, das, wie das unsere übrigens auch, ganz pflanzlicher Herkunft sei. Ein anderer Korrektor behauptete, das Chinapapier werde hauptsächlich aus einem tierischen Stoff, nämlich der Seide, hergestellt, die es in China so im Überfluss gibt. Es wurde in meiner Anwesenheit eine Wette abgeschlossen. Da die Firma Didot die Druckerei des Instituts ist, war es natürlich, dass die Debatte Mitgliedern dieser gelehrten Versammlung zur Entscheidung vorgelegt wurde. Herr Marcel, der frühere Direktor der kaiserlichen Druckerei, wurde zum Schiedsrichter ernannt und verwies die beiden Korrektoren an den Abbé Grozier, den Bibliothekar am Arsenal. Nach dem Urteil des Abbé Grozier verloren die Korrektoren alle beide ihre Wette. Das Chinapapier wird weder aus Seide noch aus der Brussonatia hergestellt; sein Brei entstammt den zerriebenen Fasern des Bambus. Der Abbé Grozier besaß ein chinesisches Buch, ein zugleich ikonographisches und technologisches Werk, in dem sich zahlreiche Abbildungen befanden, die die Herstellung des Papiers in allen ihren Phasen darstellten, und er zeigte uns eine Wiedergabe von Bambusschäften, wie sie haufenweise in der Ecke einer Papierwerkstatt lagen, die vortrefflich gezeichnet war. Als Lucien mir sagte, Ihr Vater hätte vermöge einer Art Intuition, wie sie den begabten Menschen eigen ist, von einem Mittel eine Ahnung gehabt, wie man die Wäschereste durch einen überaus verbreiteten pflanzlichen Stoff ersetzen könnte, der unmittelbar der Bodenproduktion entnommen werden könnte, wie es die Chinesen machen, wenn sie sich faserhaltiger Stämme bedienen, da habe ich alle Versuche, die meine Vorgänger angestellt hatten, zusammengestellt und mich endlich daran gemacht, die Frage zu studieren. Der Bambus ist eine Art Schilfrohr: naturgemäß dachte ich an die Schilfrohre unseres Landes. Die Handarbeit spielt in China keine Rolle, ein Tag kostet dort drei Sous: daher können die Chinesen ihr Papier, wenn es aus der Form kommt, Bogen für Bogen zwischen heiße Tafeln aus weißem Porzellan bringen, mittels deren sie es pressen und ihm den Glanz, die Leichtigkeit, die Festigkeit, die Seidenglätte geben, die es zum ersten Papier der Welt machen. Nun also gilt es, das chinesische Verfahren durch eine Maschine zu ersetzen. Durch Maschinen gelingt es, das Problem der Billigkeit zu lösen, die in China durch den niedrigen Preis seiner Handarbeit erreicht wird. Wenn es uns gelänge, zu niedrigem Preis Papier von einer ähnlichen Qualität wie das Chinapapier herzustellen, dann verringerten wir das Gewicht und die Dicke der Bücher um mehr als die Hälfte. Ein gebundener Voltaire, der auf unsern Velinpapieren zweieinhalb Zentner wiegt, würde auf Chinapapier kaum einen halben wiegen. Und das wäre sicher eine große Errungenschaft. Die Raumfrage wird sicher in einer Epoche, wo die allgemeine Verkleinerung der Dinge und der Menschen sich auf alles, auch auf ihre Wohnungen erstreckt, für die Bibliotheken immer schwerer zu lösen sein. In Paris werden die großen Paläste, die großen Wohnungen früher oder später eingerissen; es gibt bald keine Vermögen mehr, die mit den Bauten unserer Väter in Einklang stehen. Welche Schande für unsere Zeit, dass sie Bücher herstellt, die nicht von Dauer sind! Noch zehn Jahre, und das holländische Papier, d.h. das aus leinenen Lumpen hergestellte, wird völlig unmöglich sein. Nun also. Ihr Bruder hat mir die Idee mitgeteilt, die Ihr Vater gehabt hat, gewisse faserhaltige Pflanzen für die Herstellung des Papiers zu verwenden; Sie sehen, wenn ich durchdringe, haben Sie Anspruch auf ...«

      In diesem Augenblick trat Lucien auf seine Schwester zu und unterbrach David mitten in seinem edelmütigen Anerbieten.

      »Ich weiß nicht,« sagte er, »ob ihr diesen Abend schön gefunden habt, für mich war er grausam.«

      »Armer Lucien, was ist dir denn zugestoßen?« fragte Eva, als sie die erregte Miene ihres Bruders bemerkte.

      Der aufgebrachte Dichter berichtete, was er alles ausgestanden hatte, und warf die flutenden Gedanken, die ihn bestürmten, in ihre teilnehmenden Herzen. Eva und David hörten Lucien schweigend zu. Traurig ließen sie diesen Strom von Schmerzen seinen Lauf nehmen, der so viel Größe und so viel Kleinheit offenbarte.

      »Herr von Bargeton«, sagte Lucien, als er fertig war, »ist ein alter Mann, der ohne Frage bald irgendeiner Verdauungsstörung erliegt; alsdann werde ich diese stolze Welt beherrschen; dann heirate ich Frau von Bargeton! Ich habe heute Abend in ihren Augen eine Liebe gelesen, die nicht hinter meiner zurückbleibt. Sie hat meine Wunden mitempfunden, sie hat meine Qualen besänftigt; sie ist so groß und edel, wie sie schön und anmutig ist! Nein, sie wird mich niemals verraten!«

      »Ist es nicht Zeit, ihm eine ruhige Existenz zu schaffen?« fragte David leise seine Eva.

      Eva drückte schweigend Davids Arm, der verstand, was sie meinte, und sich beeilte, Lucien die Pläne zu erzählen, die er geschmiedet hatte. Die beiden Liebenden waren ebenso mit sich selber beschäftigt, wie es Lucien war, so kam es, dass Eva und David, denen es nach einer sofortigen Zustimmung zu ihrem Glück verlangte, die Bewegung der Überraschung gar nicht bemerkten, die dem Liebhaber der Frau von Bargeton unwillkürlich entschlüpfte, als er von der beabsichtigten Verehelichung seiner Schwester und Davids hörte. Lucien, der davon geträumt hatte, er würde seiner Schwester einen vornehmen Gatten verschaffen, wenn er in die Höhe gekommen wäre, um seinen Ehrgeiz mit dem Interesse zu stützen, das eine mächtige Familie ihm brächte, war sehr herabgestimmt, seinen Erfolgen in der Welt mit diesem Bunde ein neues Hindernis sich entgegenstellen zu sehen.

      »Frau von Bargeton kann einwilligen, Frau von Rubempré zu werden, aber niemals wird sie die Schwägerin David Séchards sein wollen!«

      Dieser Satz kann auf das genaueste die Gedanken bezeichnen, die das Herz Luciens folterten.

      »Louise hat recht, Menschen, die eine Zukunft haben, werden niemals von ihrer Familie verstanden«, dachte er bitter.

      Hätte man ihm diesen Herzensbund in einem Augenblick mitgeteilt, wo er nicht gerade in der Phantasie damit beschäftigt gewesen wäre, Herrn von Bargeton umzubringen, hätte er ohne Frage seine lebhafteste Freude bezeigt. Er hätte an seine gegenwärtige Lage gedacht, hätte das Los eines Mädchens in Betracht gezogen, das schön und vermögenslos war, das Los Eva Chardons, und hätte diese Ehe für ein unverhofftes Glück gehalten. Aber er weilte in einem der goldenen Träume, in denen die Jünglinge auf hohem »Wenn« alle Schranken nahmen. Eben noch hatte er sich als den Herrscher der Gesellschaft gesehen; und nun war es dem Dichter schmerzlich, so schnell wieder in die Wirklichkeit zurückzufallen. Eva und David dachten, ihr Bruder wäre von so viel Edelmut erschüttert und schwiege darum. Für diese beiden schönen Seelen bewies eine schweigende Zustimmung die wahre Freundschaft. Der Buchdrucker fing an, mit sanfter und herzlicher Beredsamkeit das Glück auszumalen, das sie alle vier erwartete. Ohne sich von den Zwischenrufen Evas stören zu lassen, richtete er seinen ersten Stock mit der Verschwendung eines Liebenden ein; er baute mit gläubiger Zuversicht das zweite Stockwerk für Lucien und das Geschoß über dem Schuppen für Frau Chardon, gegen die er alle liebevolle Sorgfalt kindlicher Fürsorge üben wollte. Kurz, er machte die Familie so glücklich und seinen Bruder so unabhängig, dass Lucien von Davids Stimme und dem schmeichelnden Wesen Evas bezaubert wurde und im Dunkel der Bäume auf dem Weg an der ruhig fließenden, schimmernden Charente unter dem Sternengewölbe und in der lauen Nachtluft die schmerzhafte Dornenkrone vergaß, die die Gesellschaft ihm aufs Haupt gesetzt hatte. Herr

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