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wurde ihnen der Lohn gekürzt, Dummheit ist die größte Sünde. Vergiß das nicht.«

      Verschiedene Male noch während der langen Reise südwärts ließ der Oberst Kim rufen, immer auf dasselbe Thema zurückkommend.

      »Wir werden also alle an demselben Leitdraht sein,« dachte Kim zuletzt, »der Oberst, Mahbub Ali und ich – wenn ich ein Mann der Kette werde. Er wird mich verwenden, wie Mahbub Ali mich verwandte, denke ich. Es ist gut, wenn es mir Gelegenheit gibt, auf die Heerstraße zurückzukommen. Diese Kleidung wird durch Tragen nicht bequemer.«

      Vom Lama war nichts zu sehen bei der Ankunft auf der überfüllten Lucknow-Station. Kim schluckte seine Enttäuschung hinunter. Der Oberst packte ihn nebst seiner ganzen Habe in ein Ticcagarri und hieß ihn allein nach St. Xavier fahren.

      »Ich sage nicht Lebewohl, denn wir werden uns wiedersehen,« rief er, »und oft, wenn Du von gutem Geist beseelt bleibst. Aber noch bist Du nicht erprobt.«

      »Nicht damals, als ich Dir« – Kim wagte das »tum«, die Anrede-Form des Gleichgestellten zu gebrauchen – »in jener Nacht den Stammbaum eines weißen Hengstes überbrachte?«

      »Zur rechten Zeit vergessen, ist ein großer Gewinn, kleiner Bruder,« sprach der Oberst mit einem Blick, der Kim zu durchbohren schien. Kim brauchte einige Minuten, sich von diesem Blick zu erholen, dann aber, in seinem Wagen kauernd, sog er voll Befriedigung die neue Luft ein.

      »Eine prächtige Stadt,« dachte er, »prächtiger als Lahore. Wie hübsch müssen die Basare sein. Kutscher, fahre mich ein wenig durch die Basare.«

      »Mir ist befohlen, Dich nach der Schule zu fahren.« Der Kutscher brauchte das »Du«, was eine Beleidigung gegen einen Weißen ist. Im fließendsten Vernikular machte Kim ihm seinen Irrtum klar, Kletterte auf den Kutschersitz, und im besten Einvernehmen fuhr das Paar stundenlang auf und ab, bewundernd, vergleichend, sich amüsierend. Keine Stadt – Bombay, die Königin aller Städte ausgenommen – ist so schön in ihrem Prachtvollen Stil wie Lucknow; mag man von der Brücke über den Fluß herab sehen oder von der Spitze des Imambra auf die vergoldeten, wie Regenschirme geformten Dächer des Chutter Munzit und die Bäume, in denen die Stadt wie eingebettet liegt. Könige haben sie mit phantastischen Bauwerken geschmückt, mit Stiftungen ausgestaltet, mit Leuten, die von Regierungs-Pensionen leben, vollgestopft und mit Blut getränkt. Lucknow ist das Zentrum des Luxus, des Müßigganges und der Intriguen und teilt mit Delhi den Ruhm, das reinste Urdu zu sprechen.

      »Eine schöne Stadt, eine wundervolle Stadt.« Der Kutscher, als Eingeborener, fühlte sich durch das Lob geschmeichelt und erzählte Kim die erstaunlichsten Sachen, wo ein englischer Führer nur von dem Aufstande erzählt hätte.

      »Nun wollen wir nach der Schule fahren,« sagte Kim endlich. Die große alte Schule St. Xavier in Partibus, ein Komplex von niedrigen, weißen Gebäuden, rings von weiten Anlagen umgeben, lag dem Gumti-Flusse gegenüber, etwas entfernt von der Stadt.

      »Welche Art von Volk ist da drinnen?« frug Kim.

      »Junge Sahibs – lauter Teufel. Aber, wenn ich Wahrheit sprechen soll, und ich habe viele von ihnen von und nach der Eisenbahn-Station gefahren, so sah ich niemals einen, der so das Zeug zu einem perfekten Teufel gehabt hätte, wie Du – der junge Sahib, den ich jetzt fahre.«

      Natürlicherweise hatte Kim, den man niemals gelehrt halte, so etwas für unanständig zu halten, einen Teil des Tages mit einigen frivolen Dämchen in einer gewissen Straße zugebracht, und ebenso natürlich war er ihnen Kein Kompliment schuldig geblieben.

      Er war eben dabei, des Kutschers letzte Ungehörigkeit gebührend anzuerkennen, als sein Auge – es begann zu dunkeln – eine Gestalt gewahrte, die an der Mauer bei einem der weißen Steinpfeiler des Tores saß.

      »Halt!« rief Kim. »Halt hier. Ich gehe nicht gleich in die Schule.«

      »Aber wer bezahlt mir mein Hin-und Herfahren?« sagte der Kutscher kläglichen Tones. »Ist der Junge toll? Erst war es ein Tanzmädchen, nun ist’s ein Priester.«

      Kim stürzte sich Hals über Kopf in die Straße und streichelte die staubigen Füße unter dem schmutzigen gelben Gewand.

      »Hier wartete ich einen Tag und einen halben,« sprach der Lama mit sanfter Stimme. »Nein – ich halte einen Schüler bei mir. Er, der mein Freund ist im Tempel der Tirthanker, gab mir einen Führer für die Reise. Ich kam mit dem Zuge von Benares, als Dein Brief mir gegeben wurde. Ja, ich werde gut genährt. Mir mangelt nichts.«

      »Aber warum bliebst Du nicht bei der Kulu-Frau, o Heiliger? Wie kamst Du nach Benares? Mein Herz war schwer, seit wir uns trennten.«

      »Die Frau ermüdete mich durch immerwährenden Strom der Rede und durch Verlangen von Zaubermitteln für Kindersegen. Ich trennte mich von dieser Gesellschaft und erlaubte ihr, durch Geschenke Verdienst zu erwerben. Sie ist wenigstens eine Frau mit offener Hand, und ich versprach, in ihr Haus zurückzukehren, wenn es nötig würde. Dann, als ich mich allein gewahrte in dieser großen und schrecklichen Welt, besann ich mich auf den Zug nach Benares, wo, wie ich wußte, einer sich aufhielt in Tirthankers Tempel, der ein Sucher ist, wie ich.«

      »Ach! Dein Strom,« rief Kim. »Ich hatte den Strom vergessen.«

      »Sobald, mein Chela? Ich vergaß ihn nie. Aber, als ich Dich verlassen, schien es mir besser, zu dem Tempel zu gehen und Rat zu erbitten; denn, siehst Du, Indien ist so groß, und es könnte sein, daß weise Männer vor uns, vielleicht zwei oder drei, eine Urkunde hinterlassen hätten über die Lage unseres Stromes. Sie debattieren darüber im Tempel der Tirthanker; der eine sagt dieses, der andere jenes. Sie sind höfliche Leute.«

      »Das ist gut. Aber was tust Du jetzt?«

      »Ich sammle Verdienst, indem ich Dir, mein Chela, zur Weisheit verhelfe. Der Priester von der Schar der Männer, die dem Roten Stier dienen, schrieb mir, es würde alles für Dich geschehen, wie ich es wünsche. Ich sandte das Geld, das für ein Jahr genügt, und ich kam, wie Du siehst, um Dich in die Pforte des Wissens eingehen zu sehen.«

      »Die Pferde werden kalt, und ihre Futterzeit ist vorüber,« jammerte der Kutscher.

      »Geh zum Teufel und bleibe da mit Deiner verrufenen Tante!« schnarrte Kim über seine Schulter weg. »Ich bin ganz verlassen in diesem Land; ich weiß nicht, wohin ich komme und wie es mir gehen wird. Mein Herz war in dem Brief, den ich Dir schickte. Außer Mahbub Ali, und er ist ein Pathan (Afghane), habe ich nur Dich, Heiliger. Gehe nicht ganz fort von mir.«

      »Ich habe das auch bedacht,« sprach der Lama mit schwankender Stimme. »Es ist Klar, daß von Zeit zu Zeit ich Verdienst damit sammeln werde – falls ich zuvor nicht meinen Strom gefunden – wenn ich mich überzeuge, daß Deine Füße den Pfad des Wissens wandeln. Was sie Dich lehren werden, ich weiß es nicht; aber der Priester schrieb mir, daß in ganz Indien keines Sahibs Sohn besser unterrichtet werden soll, als Du. Von Zeit zu Zeit also werde ich wiederkommen. Kann sein. Du wirst solch ein Sahib, wie der, der mir diese Brille gab« – der Lama rieb sie sorgfältig ab – »in dem Wunderhaus zu Lahore. Dies ist meine Hoffnung, denn er war ein Brunnen der Weisheit – weiser als mancher Abt – … Und wiederum kann sein, Du vergissest mich und unsere Begegnung.«

      »Wenn ich Dein Brot esse,« rief Kim leidenschaftlich, »wie könnte ich Dich jemals vergessen?«

      »Nein – nein.« Er schob den Knaben von sich. »Ich muß nach Benares zurück. Von Zeit zu Zeit, da ich nun den Gebrauch der Briefschreiber in diesem Lande kenne, werde ich Dir einen Brief senden, und von Zeit zu Zeit werde ich kommen, um Dich zu sehen.«

      »Aber wohin soll ich meine Briefe senden?« fragte Kim und klammerte sich an das gelbe Gewand, ganz vergessend, daß er ein Sahib war.

      »Nach dem Tempel der Thirthanker zu Benares. Das ist der Ort, den ich gewählt habe, bis ich meinen Strom finde. Weine nicht; denn sieh, jedes Begehren ist Wahn und fesselt uns von neuem auf das Rad. Gehe ein in die Pforten des Wissens! Laß mich Dich gehen sehen … Liebst Du mich? Dann gehe, oder mein Herz zerspringt … Ich werde wiederkommen. Gewiß, ich komme wieder.«

      Der Lama sah das Ticcagarri in den umzäunten

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