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für Sie holen. Und wie ich Sie nun einschätze, ist sie auch weiterhin für Sie unterwegs. Befürchten Sie nicht, daß Ihrer Schwester mal etwas passieren könnte?«

      »Ach zum Teufel, sie ist doch groß genug, um auf sich selbst aufpassen zu können.«

      Mike Rander war ein besonnener Mensch, der nicht schnell in Rage zu bringen war. Wenn er aber einmal explodierte, dann konnte das fürchterlich sein. Art Canters erlebte solch einen Ausbruch. Er duckte sich nach einigen empfangenen Ohrfeigen ab und wimmerte wie ein kleines Kind. Mike Rander hielt es aber für richtig, ihm noch einige Maulschellen zu verabreichen.

      Er richtete sich wieder auf und schaute verächtlich auf Art Canters, der sich die Wangen hielt und stoßweise schluchzte. Von seiner anfänglichen Arroganz war nichts mehr zu sehen oder zu hören. Er war nur noch ein entnervtes Wrack.

      »Ich hoffe, daß diese kleine Lektion gereicht hat«, sagte Rander, »und jetzt möchte ich Einzelheiten wissen, Canters. Wer ist May?«

      »May? Sie ist mit mir befreundet.«

      »Wie lautet ihr voller Name und wo wohnt sie?«

      »May Flatters heißt sie … Sie wohnt über dem italienischen Café im Osten der Stadt … Was hat sie …«

      »Halten Sie den Mund«, herrschte Rander den weinerlichen, jungen Mann an, »seit wann spritzen Sie sich das verdammte Gift?«

      »Ich … ich …«

      »Das war mir nicht erschöpfend genug.«

      »May hat mich an das Zeug gebracht«, stammelte er schluchzend, »sie hat mich verführt!«

      »Du lieber Himmel, welche Töne«, sagte Rander verächtlich, »und May dürfte ihrerseits mit einem gewissen Butch Stadium bekannt sein, wie?«

      »Nein, nein …, den kenne ich gar nicht.«

      »Mit wem ist May befreundet? Antworten Sie schnell, wenn Sie nicht noch einmal geohrfeigt werden wollen. Mir ist der Geduldsfaden endgültig gerissen.«

      »Ich lernte sie bei Vic Henders kennen.«

      »Meinen Sie Henders, den Bühnenmaler?«

      »Ja, ich verkehrte dort eine Zeitlang.«

      »Warum erklärte sich ihre Schwester bereit, das Gift für Sie zu besorgen?«

      »Ich war krank, hatte einen Nervenzusammenbruch.«

      »Danach sehen Sie auch aus, Canters. Sie sind ein verdammter Schlappschwanz, der sich nur zu gern hängen läßt, wie? Nun hören Sie genau zu, in Zukunft wird Ihre Schwester nicht mehr auf Tour geschickt, haben Sie mich verstanden?«

      »Weiß Bellgon bereits davon?«

      Art Canters hatte diese Frage in einem fast furchtsamen Ton gestellt.

      »Noch nicht, Canters, ich hoffe, wir brauchen es ihm nicht zu sagen! Eine andere Frage, wie oft waren Sie in Battles-Billardsaal?«

      »Nur ein paarmal, dort war es mir zu ordinär.«

      »Und ihre Schwester?«

      »Die geht öfter dorthin.«

      »Mit wem trifft sie sich dort?«

      »Sie hat ’nen Freund …«

      »Das ist anzunehmen, aber wie heißt der Bursche?«

      »Es ist ein Freund von Henders. Er nennt sich Larry Lingate.«

      »Und wo kann ich den Burschen finden? Suchen Sie ja nicht nach einer Ausrede, sonst werde ich wieder ungemütlich.«

      »Er wohnt im gleichen Haus wie Henders. Er ist Musiker.«

      »Wie kamen Sie an Ledgers?«

      »May Flatters hat mich an ihn verwiesen. Zuerst war es Jeffy Tornby, bei dem ich die Ware kaufen konnte. Verstehen Sie doch, ich hatte immer solche Kopfschmerzen, ich dachte, ich müßte verrückt werden. Und da hat May mir das Gift gebracht, danach wurde alles besser.«

      Die letzten Worte von Art Canters gingen in haltlosem Schluchzen unter. Er hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen, seine Schultern zuckten. Es war ein totaler Zusammenbruch.

      *

      Mike Rander hatte die Wohnung verlassen und schlug die Tür laut krachend hinter sich ins Schloß. Er betrat den Gartenweg, der mit feinem weißem Kies ausgelegt war, und er ging hinüber zum Haupthaus, wo er verschwand. Beobachter mußten den Eindruck gewinnen, er verlasse tatsächlich das Grundstück.

      Doch Mike Rander dachte nicht daran, sich zu empfehlen. Er traute Art Canters nicht über den Weg. Er wollte herausfinden, ob der Zusammenbruch nur gespielt war. Kaum hatte er nämlich das Haupthaus erreicht, da umging er es auf der anderen Seite und schlüpfte in den großen Park zurück. In Deckung der Sträucher und Blumenrondelle arbeitete er sich zurück an das Gartenhaus und erreichte auch bald eines der verhängten Fenster. Er kletterte auf die Fensterbank hinauf und preßte sein Ohr gegen das Glas der Scheibe.

      Zu hören war nichts, noch nichts.

      Rander nahm tatsächlich an, Canters würde das Telefon bemühen und einen Anruf tätigen.

      Erstaunlicherweise weinte und schluchzte Canters aber nicht mehr. Er schien sich sehr schnell beruhigt zu haben. War sein Zusammenbruch also doch nur gespielt gewesen? Oder war vielleicht noch etwas viel Schlimmeres passiert?

      Zur Erleichterung Randers war aber Sekunden nach seiner Befürchtung ein Geräusch im Wohnraum zu vernehmen. Gedämpfte Schritte näherten sich dem Fenster. Hatte Canters vielleicht etwas gemerkt? Das wäre mehr als peinlich gewesen! Oder befand sich das Telefon in der Nähe des Fensters?

      Nein, Art Canters hatte nichts gemerkt.

      Glas klirrte, dann schepperte dünnes Metall. Mike Rander hielt sich am Gitterwerk des Fensters fest und wartete geduldig. Vom Haupthaus aus war er nicht zu sehen. Von der Straße aus konnte er ebenfalls nicht ausgemacht werden.

      Mike Rander wurde jedoch böse enttäuscht.

      Art Canters telefonierte nicht. Seine Schritte verliefen sich wieder in der Tiefe des Zimmere, dann quietschten Polsterfedern, und wieder war so etwas wie ein Greinen zu vernehmen. Canters schien tatsächlich fertig mit den Nerven zu sein. Und er war wohl doch nichts anderes als nur ein schwaches und willenloses Opfer des Giftes.

      Leise und vorsichtig kletterte Rander am Gitter herunter, erreichte die Fensterbank und sprang hinunter in den weichen Rasen. Hier hatte er nichts mehr zu erwarten. Art Canters konnte von der Liste gestrichen werden. Immerhin hatte er mit einigen interessanten Querverbindungen dienen können. Auch das war schon eine Menge wert.

      Rander hatte wieder seinen Wagen erreicht, setzte sich ans Steuer und zündete sich eine Zigarette an. Sollte er einfach losfahren? Immerhin hatte er nicht versucht, sich mit Helen Canters in Verbindung zu setzen. Fraglich, ob das nach dieser Unterhaltung mit Art Canters noch wichtig war. Sie hatte ganz gewiß kaum etwas mit den Rauschgift-Gangstern zu tun.

      Rander duckte sich schleunigst ab, als auf dem Bellgonschen Grundstück ein Wagen zu sehen war. Es handelte sich um einen niedrigen MG-Sportwagen, an dessen Steuer Canters saß. Im gleichen Moment wußte Rander aber auch schon, was jetzt zu tun war. Er mußte sich an Canters hängen und ihn verfolgen. Der rauschgiftsüchtige Bursche war also zu vorsichtig gewesen, ein Gespräch zu führen. Er wollte seine Informationen wohl mündlich überbringen.

      Der MG-Sportwagen schoß förmlich hinaus auf die Straße. Art Canters, der am Steuer saß, schaute nur stur geradeaus. Er schien den Wagen Mike Randers gar nicht zu bemerken.

      Rander war ein sehr geschickter Fahrer, der sich nicht abhängen ließ. Natürlich sorgte er während der Fahrt für einen gehörigen Abstand, um Art Canters nicht mißtrauisch zu machen. Im übrigen wollte Rander sich überraschen lassen. Welches Ziel mochte Canters wohl ansteuern?

      Nun, diese Fahrt dauerte etwa zwanzig Minuten.

      Canters war in die Innenstadt gefahren und hatte dann Kurs

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