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fallen und fallen, ohne daß man ein Ende absieht, – wenn man dabei noch im Schmutz leben müßte und keine Bequemlichkeit hätte! ...

      Und was sollen unsere Infanterieoffiziere sagen, rief Kalugin, die auf den Bastionen mit den Soldaten in den Blindagen liegen und Soldatensuppe essen? – was sollen die sagen?

      Die? Die wechseln allerdings acht Tage lang nicht die Wäsche, aber das sind auch Helden, bewunderungswürdige Menschen.

      In diesem Augenblick kam ein Infanterieoffizier ins Zimmer.

      Ich ... ich habe Befehl ... kann ich als Bote des Generals N. den Gen... Seine Excellenz sprechen? fragte er schüchtern und grüßte.

      Kalugin erhob sich; aber ohne den Gruß des Offiziers zu erwidern, fragte er ihn mit beleidigender Höflichkeit und einem erzwungenen offiziellen Lächeln, ob es »Ihnen« nicht beliebte zu warten, dann wandte er sich, ohne ihm die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, an Galzin, sprach mit ihm französisch, so daß der arme Offizier, der mitten im Zimmer stehen geblieben war, absolut nicht wußte, was er mit seiner Person machen sollte.

      In einer äußerst dringenden Angelegenheit, sagte der Offizier nach einem minutenlangen Schweigen.

      Ich bitte Sie, mit mir zu kommen, sagte Kalugin, zog den Mantel an und begleitete den Offizier zur Thür.

      Oh bien, messieurs, je crois, que cela chauffera cette nuit! sagte Kalugin, als er vom General zurückgekommen war.

      Wie? Was? Ein Ausfall? begannen alle zu fragen.

      Ich weiß nicht, Sie werden selber sehen, antwortete Kalugin mit einem geheimnisvollen Lächeln.

      Mein Kommandeur ist auf der Bastion, darum muß ich wohl auch hingehen, sagte Praßkuchin und legte den Säbel an.

      Aber niemand antwortete ihm, er mußte selber wissen, ob er zu gehen habe oder nicht.

      Praßkuchin und Neferdow gingen hinaus, um sich auf ihre Plätze zu begeben.

      Leben Sie wohl, meine Herren! Auf Wiedersehen, meine Herren! Wir werden uns heute Nacht noch wiedersehen! schrie Kalugin aus dem Fenster, als Praßkuchin und Neferdow über ihre Kosakensättel gebeugt, den Weg entlang trabten. Das Getrabe der Kosakenpferde verklang bald in der dunklen Straße.

      Non, dites moi, est-ce qu'il y aura véritablement quelque chose cette nuit? sagte Galzin, während er mit Kalugin im Fenster lag und die Bomben betrachtete, die über den Bastionen aufstiegen.

      Dir kann ich's erzählen. Siehst du, ... du bist ja auf den Bastionen gewesen? – (Galzin machte ein Zeichen der Zustimmung, obgleich er nur einmal auf der vierten Bastion gewesen war.) – Dort, unserer Lunette gegenüber war ein Laufgraben ... und Kalugin, der kein Fachmann war, trotzdem aber seine strategischen Ansichten für sehr richtig hielt, begann, ein wenig verwirrt und die technischen Ausdrücke verdrehend, den Stand unserer und der feindlichen Werke und den Plan des beabsichtigten Unternehmens zu schildern.

      Aber um die Schützengräben beginnt es zu knallen. Oho! Ist das eine von uns oder von »ihm«? Da platzt sie, riefen sie, indem sie vom Fenster aus, die feurigen, in der Luft sich kreuzenden Linien der Bomben, die den dunkelblauen Himmel auf einen Augenblick erleuchtenden Blitze der Schüsse und den weißen Pulverrauch betrachteten und den Tönen des immer stärker werdenden Schießens lauschten.

      Quel charmant coup d'oeil, a? sagte Kalugin, indem er die Aufmerksamkeit seines Gastes auf dies wirklich schöne Schauspiel lenkte. Weißt du, bisweilen kann man einen Stern nicht von einer Bombe unterscheiden.

      Ja, ich dachte soeben, daß das ein Stern sei; aber er fällt ... sieh, sie ist geplatzt. Und dieser große Stern ... wie heißt er? – sieht ganz wie eine Bombe aus.

      Weißt du, ich habe mich so an diese Bomben gewöhnt, daß mir in Rußland, ich bin davon überzeugt, in einer Sternennacht alles als Bomben erscheinen wird, – so gewöhnt man sich daran.

      Soll ich aber nicht lieber diesen Ausfall mitmachen? sagte Fürst Galzin nach einem minutenlangen Schweigen.

      Laß nur gut sein, Kamerad, und denk' nicht daran; ich lasse dich auch nicht fort, antwortete Kalugin, du kommst schon noch zurecht, Kamerad!

      Im Ernst? ... Du meinst also, ich brauche nicht zu gehen – wie?

      In diesem Augenblicke ließ sich in der Richtung, nach der die Herren sahen, auf das Kanonengebrüll, schreckliches Gewehrgeknatter hören, und Tausende von kleinen Feuern, die ununterbrochen aufflammten, blitzten auf der ganzen Linie.

      So ist's, wenn's richtig losgeht! sagte Kalugin. Solches Gewehrfeuer kann ich nicht kaltblütig anhören: weißt du, es erschüttert einem gewissermaßen die Seele. Horch, das Urra! fügte er hinzu, indem er auf den entfernten, gedehnten Ton von Hunderten von Stimmen: »a–a, aa,« die von der Bastion her zu ihm drangen, horchte.

      Wessen Urra ist das – das ihrige oder das unsere?

      Ich weiß nicht; aber das Handgemenge ist schon losgegangen, denn das Feuer schweigt.

      In diesem Augenblick kam ein Offizier, von einem Kosaken begleitet, unter das Fenster an die Außentreppe gesprengt und stieg vom Pferde.

      Woher?

      Von der Bastion. Ich muß zum General!

      Gehen wir. Nun, was giebt's?

      Wir haben die Schützengräben angegriffen ... genommen ... die Franzosen haben zahllose Reserven herangeführt ... haben die Unsrigen angegriffen ... wir hatten nur zwei Bataillone, sprach atemlos und nach Worten ringend, nach der Thür gewandt, derselbe Offizier, der am Abend dagewesen war.

      Haben wir die Schützengräben geräumt? fragte Galzin.

      Nein, antwortete ärgerlich der Offizier, ein Bataillon kam noch zur rechten Zeit, – wir haben sie zurückgeschlagen; aber der Regimentskommandeur ist tot, viele Offiziere, – es ist Befehl gegeben, um Verstärkung zu bitten.

      Mit diesen Worten ging er, von Kalugin begleitet, zum General, wohin wir ihm nicht mehr folgen wollen.

      Schon nach fünf Minuten saß Kalugin auf einem Kosakenpferde und wieder in der eigentümlichen quasi-kosakischen Weise, in der, wie ich beobachtet habe, alle Adjutanten etwas Besonderes, Anmutiges sehen, und ritt im Trabe nach der Bastion, um einige Befehle zu überbringen und Nachrichten über das endgültige Resultat des Treffens abzuwarten; Fürst Galzin begab sich unter dem Eindruck der peinigenden Erregung, welche die nahen Anzeichen eines Treffens auf einen Zuschauer zu machen pflegen, der nicht daran teilnimmt, auf die Straße, um hier ziellos hin- und herzugehen.

      

VI

      Soldaten brachten Verwundete auf Tragbahren oder führten sie unterm Arme. Auf der Straße war es vollständig dunkel; nur selten glänzte Licht in einem Hospitale oder bei zusammensitzenden Offizieren. Von den Bastionen her drang der frühere Geschütz- und Gewehrdonner, und die früheren Feuer flammten unter dem schwarzen Himmel auf. Bisweilen hörte man den Hufschlag des Pferdes eines fortgesprengten Ordonnanz-Offiziers, das Stöhnen eines Verwundeten, die Schritte und das Gemurmel von Krankenträgern und die Reden bestürzter Einwohner, die auf die Außentreppe gegangen waren und sich die Kanonade mit ansahen.

      Unter den letzteren befand sich auch der uns bekannte Nikita, die alte Matrosenfrau, mit der er sich schon versöhnt hatte, und deren zehnjährige Tochter. »Herr Gott, heil'ge Mutter Gottes!« sprach seufzend die Alte vor sich hin, als sie die Bomben sah, die wie Feuerbälle unaufhörlich von einer Seite nach der anderen flogen; schrecklich, wie schrecklich! ... i–i–hi–hi ... So schlimm war's nicht beim ersten »Bandirement«. Sieh, wo die Verfluchte geplatzt ist! gerade über unserm Hause in der Vorstadt.

      Nein, weiter, zur Tante Arinka fallen alle in den Garten, sprach das Mädchen.

      Und wo, wo ist jetzt mein Herr? sagte Nikita mit etwas singender Stimme und noch ein wenig betrunken. Wie ich diesen Herrn liebe,

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