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was ich mit mir anfangen soll, – bei Gott! Ein solcher Herr ist er, daß ... mit einem Worte! Soll ich ihn denn mit denen vertauschen, die da Karten spielen? ... Was? – pfui, mit einem Worte! schloß Nikita und zeigte dabei auf das erleuchtete Fenster im Zimmer seines Herrn, wohin Junker Shwadtschewskij, während der Abwesenheit des Stabskapitäns, zur Feier seiner Dekoration den Oberstleutnant Ugrowitsch und den Oberstleutnant Nepschißezki, der an Reißen litt, zu einem Festmahl geladen hatte ...

      Wie die Sternchen, die Sternchen fliegen! unterbrach, nach dem Himmel sehend, das Mädchen das Nikitas Worten folgende Schweigen: sieh, sieh, dort springt es noch! Weshalb ist das so, liebe Mutter?

      Sie werden unser Häuschen ganz und gar vernichten, sprach seufzend und ohne auf die Frage des Mädchens zu antworten, die Alte.

      Und wie ich heut mit der Tante dorthin ging, Mütterchen, fuhr das im singenden Tone sprechende Mädchen fort, da lag eine große Kanonenkugel in der Stube neben dem Schranke, sie hatte, wie man sah, den Vorraum durchgeschlagen und war in die Stube geflogen ... So groß, daß man sie nicht aufheben konnte!

      Wer einen Mann hatte und Geld, der ist fortgezogen, – hier haben sie auch das letzte Häuschen zu Schanden geschossen, sagte die Alte. Sieh, sieh, wie er feuert, der Bösewicht! Herr Gott! Herr Gott!

      Und wie wir gerade fortgehen, kommt eine Bombe geflogen, sie platzt und überschüttet uns mit Erde, fast hätte mich und die Tante ein Stück getroffen.

      

VII

      Immer mehr und mehr Verwundete auf Tragbahren und zu Fuß, die einen von den andern gestützt und laut untereinander sprechend, kamen dem Fürsten Galzin entgegen.

      An dieser Stelle seiner Erzählung unterbrach ihn Galzin.

      Kommst du von der Bastion?

      Jawohl, Euer Wohlgeboren.

      Nun, was gab's dort? Erzähle.

      Was es dort gab? Ihre »Macht« rückte heran, Euer Wohlgeboren, sie klettern auf den Wall und aus war's. Sie haben vollständig gesiegt, Euer Wohlgeboren!

      Was? gesiegt? ... Ihr habt sie ja doch zurückgeschlagen?

      Wie soll man »ihn« zurückschlagen, wenn »seine« ganze »Macht« heranrückt! Er hat alle Unsrigen getötet, und Hilfe kommt nicht.

      Der Soldat hatte sich geirrt, denn der Laufgraben war in unserem Besitz; aber das ist eine Eigentümlichkeit, die jeder beobachten kann: ein Soldat, der in einer Schlacht verwundet worden ist, hält sie stets für verloren und für schrecklich blutig.

      Wie hat man mir da sagen können, daß Ihr den Feind zurückgeschlagen habt? sagte Galzin unwillig. Vielleicht ist er, nachdem du fort warst, zurückgeschlagen worden? Bist du schon lange von dort fort?

      Diesen Augenblick, Euer Wohlgeboren! antwortete der Soldat, er ist schwerlich zurückgeschlagen; der Laufgraben ist jedenfalls in seinen Händen. – Er hat vollständig gesiegt.

      Nun, und ihr schämt euch nicht, den Laufgraben geräumt zu haben? Das ist schrecklich! sagte Galzin, empört über diese Gleichgültigkeit.

      Was soll man thun gegen die »Macht«? brummte der Soldat.

      Euer Wohlgeboren, sprach in diesem Augenblick neben ihnen ein Soldat von einer Tragbahre herab, wie soll man nicht weichen, wenn er beinahe alle getötet hat. Wäre unsere Macht dagewesen, wir würden lebend nicht zurückgegangen sein. Was will man aber machen? Den einen habe ich niedergestoßen, da bekam ich auch sogleich einen Hieb ... O – ach, ruhiger, Brüderchen, gleichmäßiger, geh langsamer ... O–o–o! stöhnte der Verwundete.

      Hier geht in der That, glaub' ich, viel überflüssig Volk, sagte Galzin, indem er den langen Soldaten mit den zwei Gewehren wieder zurückhielt. Warum gehst du fort? He, du, still gestanden!

      Der Soldat blieb stehen und nahm mit der linken Hand die Mütze ab.

      Wohin gehst du und weshalb? schrie er ihn barsch an. Verf...

      Aber in diesem Augenblick war er ganz nah herangekommen, und bemerkte, daß sein rechter Arm über dem Aufschlag bis über den Ellbogen hinaus blutig war.

      Bin verwundet, Euer Wohlgeboren.

      Wodurch verwundet?

      Hier, wohl durch eine Gewehrkugel, sagte der Soldat, auf seinen Arm zeigend, und hier, aber ich kann nicht sagen, was mich hier an den Kopf getroffen hat, er beugte den Kopf vor und zeigte die blutigen, zusammenklebenden Haare am Hinterkopf.

      Und wem gehört das zweite Gewehr?

      Ein französischer Stutzen, Euer Wohlgeboren, ich habe es einem fortgenommen. Ja, ich wäre auch nicht fortgegangen, wenn ich nicht diesen Soldaten hätte führen wollen, sonst fällt er, fügte er hinzu, indem er auf einen Soldaten wies, der ein wenig vor ihm ging, sich auf das Gewehr stützte und mit Mühe das linke Bein schleppend vorwärts bewegte.

      Fürst Galzin schämte sich auf einmal sehr wegen seines ungerechten Verdachts. Er fühlte, wie er rot wurde, wandte sich ab und ging, ohne die Verwundeten weiter auszufragen oder zu beobachten, nach dem Verbandplatz.

      Mit Mühe wand sich Galzin auf der Außentreppe durch die zu Fuß gehenden Verwundeten und durch die Krankenträger, die Verwundete brachten und Tote forttrugen, hindurch; dann ging er in das erste Zimmer, warf einen Blick hinein, wandte sich sogleich unwillkürlich zurück und eilte hinaus ins Freie – das war zu schrecklich!

      

VIII

      Der große, hohe, dunkle Saal, nur von vier oder fünf Kerzen erleuchtet, bei deren Licht die Ärzte die Verwundeten besichtigten, war buchstäblich voll. Die Krankenträger brachten fortwährend Verwundete, legten sie nebeneinander auf die Diele, auf der es schon so eng war, daß die Unglücklichen sich stießen und einer in des andern Blute lag, und holten neue. Die auf den nicht besetzten Stellen der Diele sichtbaren Blutlachen, der fieberheiße Atem von einigen Hunderten Menschen und die Ausdünstungen der Träger erzeugten einen eigentümlichen, drückenden, dicken, übelriechenden Dunst, in dem die Lichte an den verschiedenen Enden des Saales trübe brannten. Stöhnen, Seufzen, Röcheln, bisweilen durch einen durchdringenden Schrei unterbrochen, erfüllte den ganzen Saal. Die »Schwestern« schritten mit ruhigen Gesichtern und mit dem Ausdruck thätiger, praktischer Teilnahme, nicht mit dem des wertlosen, frauenhaften, krankhaft-thränenreichen Mitleids, bald hierhin, bald dorthin durch die Reihen der Verwundeten mit Arznei, mit Wasser, mit Binden, mit Charpie, und tauchten zwischen blutigen Mänteln und Hemden auf. Die Ärzte knieten mit aufgestreiften Ärmeln vor den Verwundeten, in deren Nähe die Feldscher Lichte hielten, und untersuchten, befühlten, und sondierten die Wunden, ohne auf das schreckliche Stöhnen der Dulder zu achten. Einer der Ärzte saß in der Nähe der Thür an einem kleinen Tisch und trug in dem Augenblick, da Galzin ins Zimmer trat, bereits den 532ten Verwundeten in die Liste ein.

      Iwan Bogajew, Gemeiner der dritten Kompagnie des S..-Regiments, fractura femuris complicata, rief ein anderer vom Ende des Saales her, indem er das zerschossene Bein befühlte. Dreh' ihn um.

      O weh, Väterchen, mein liebes Väterchen! schrie der Soldat und flehte, man möchte ihn nicht

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