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fröhlich frisches Wanderleben führend. Wir sehen den fahrenden Schüler, wie er jetzt langsam die baumlose Landstraße entlang, in der Sonnenhitze daherschleicht; wir sehen ihn, wie ihn das Unwetter unter das Dach des Bauern, in die Hütte des Waldwärters, in das Pfarrhaus treibt; wir stellen uns ihn vor, wie er im grünen Schatten liegend einen heißen Mittag und Nachmittag verträumt und im Traum Zwiesprach hält mit Baum, Busch und Gethier; Zwiesprach, welche er nachher in seinem Froschmäuseler so vortrefflich in kurzweiligen Reimen aufschreibt. Aber nicht bloß mit Baum, Blum und dem, was da fleugt und kreucht, wird Zwiesprach gehalten, nein auch Landsknechte, Fuhrleute, Förster, Bauern, Bürger und Gelehrte wissen zu erzählen, und wie jeglich Vöglein, so singt auch jeglich Menschenkind aus einer andern Tonart; die Nachtigall anders als der Kukuk, und der Herr Pastor, der eben mit einer lateinischen Standrede um ein Nachtquartier gebeten wurde, anders als der Zigeuner, der mit einer gestohlenen Gans in der Abenddämmerung aus einem Dorfe hervorschleicht und den jungen, hagern, verstaubten Scholar in der Eil’ fast über den Haufen stößt.

      Auf dem Wege zur berühmten Schule der alten Stadt Magdeburg befindet sich der junge Gelehrte; ihr Ruf schallt weit durch die Lande und lockte ihn von Prenzlua weg. Aber der Ausflug des jungen Vogels geht im Zickzack, und es ist nicht zu verlangen, daß er sein vorgesetzt Ziel gleich das erste Mal erreicht. Ueber Leipzig und Halle zieht der Scholar, oft genug von dem graden Weg abschweifend, gen Magdeburg, zu Mansfeld bleibt er hängen und kriecht beim Doctor Müller, dem Kanzler des Grafen als »Pädagoge« unter; »da hat er wieder laboriren müssen!« sagt Aaron Burckhart.

      Zu Mansfeld am Hofe des Grafen regt sich zum erstenmal das hitzige Streiterblut des Jahrhunderts der Reformation in dem jungen Herzen, es fängt in dem Gehirn an zu sieden und zu kochen und lagert sich in schwarzer Dinte auf weißem Papier ab.

      Rector Scholae Mansfeldensis, Herr Josias Seidelius wird vom Superintendenten Herrn Cölius mit Absetzung bedroht, und Georg Rollenhagen, der Informator, fühlt sich bewogen, einzugreifen in den Pfaffenkrieg und für den Rector ein »Intercessionsschreiben einzuwenden.« In Folge davon bleibt der Rector in seinem Amte; aber dem muthigen Ritter Jürgen wird gerathen, sich schleunigst aus dem Staube zu machen, wenn er sich nicht großen Unannehmlichkeiten und Gefahren aussetzen wolle, nach dem alten Wort:

      »Wer will haben zu schaffen

       Der nimb ein Weib

       Und kauf eine Uhr

       Und schlag einen Pfaffen.«

      So leiht Herr Ritter Jürgen dem guten Rath ein gutes Ohr, macht sich wiederum wohlgemuth auf die Wanderschaft und gelangt nun wirklich nach Magdeburg, im Jahre 1559.

      Ein Empfehlungsschreiben an den Prediger zu Sankt Ulrich, Herrn Wiegand, trägt er in der Tasche, und dieser »commendirt« ihn dem damaligen Schulrector Siegfried Sack, der introducirt ihn allhier in der Schul, verschafft ihm ein Hospitium bei Lamprecht Knust, einem Bürger. Von dem kömmt er zu Johann Heiniziger.

      »Von dem weiter Anno 60 wird er der Wernern von Halberstadt, so bei Herrn Armbrosio Emmen, den er virum integerrimum nennet, zu Tische gangen, Privatus Praeceptor. Sind da nicht wiederumb Labores gewesen? Und hat sich der Arbeitsstrick nicht ziemlich hart zugezogen?«

      Ja wohl Arbeitsstricke! Im Schatten des Domes des heiligen Moritz, vor dem Katheder, welchen er einst selbst annehmen soll, sitzt der Scholar:

      »Zu hören der Gelehrten Brauch,

       Was sie berichten ihrer Jugend

       Von Gott, von Recht, von Ehr’ und Tugend,

       Von der Natur, Himmel und Erd’

       Und aller Creaturen Werth.

       Warum alles stehe, warum alles fall,

       Und solcher Ding Ursachen all.«

      Ein guter Genius wacht über dem Knaben und sorgt, daß er nicht auf den Schulbänken verkümmere. Aus der alten Philosophen Sprüchen, der Geschichtsschreiber Lehren, der Poeten Bildern und Gleichnissen fischt er nicht bloß Partikeln und Satzconstructionen; nein, das frische Wehen der Gegenwart wendet ihm die Blätter im Buche der antiken Welt um, die feurige junge Sonne, die durch die Fenster strahlt, erhellt ihm den Pfad der Gelehrtheit, verwandelt ihm den Schulstaub zu Sonnenstaub:

      »Denn wie die Sonne hilft dem Gesicht,

       So ist die Kunst der Seelen Licht.«

      Und nun tritt das Jahr 1560 in die Welt; Georg Rollenhagen absolvirt die Schule Magdeburg und zieht gen Wittenberg, der heiligen Stätte des Lutherthums! Wie Moses vor dem stammenden Busch, möchte er am Thor seine Schuhe abziehen: er »tritt auf heiligen, geweihten Grund.« Wie mag dem jungen Theologen zu Muthe sein, als er nun zum erstenmal in der Schloßkirche, am Grab des großen Doctor’s steht? Was für wundersame Gedanken, Bilder, Ahnungen steigen in seiner Brust auf, als sich nun das Album der Universität vor ihm aufthut, und sein Name, Rectore Magnifico D. Teucero, dem Namensverzeichnisse zugefügt wird?

      O selige Zeit! wie rauschen und sprudeln die Quellen der Gelahrtheit; aber wie rauschen und sprudeln auch die Quellen der Jugendlust!

      Hat uns der Rector und Poet der »gelehrten Studenten Kunst« doch erzählt und billig sich selbst dabei ein wenig im Auge gehabt:

      »Ich hab gelernt im frembden Land,

       Wie man Gott und seinen Willen kant;

       Wie man geniesset seiner gnad;

       Was gut und böß für außgang hat.

       Darnach lernt ich viel frembde sprachen,

       Der man bedarf zu allen sachen:

       Hebreisch, Griechisch und Latein,

       Deutsch, Slavonisch und all, die sein

       Von diesen Hauptsprachen entsprossen

       Und in der wurtz zusammen stoßen.

       Zudem lernt ich Tugend und Recht,

       Wie man das in der Welt auffbrecht:

       Welche Völker darüber hielten.

       Und welche ihren Muthwillen spielten.

       Endlich lernt ich die Natur kennen

       All Sternen, Beum, Kreut’r und Thier nennen;

       Alles außrechnen, messen und giessen;

       Singen, springen, fechten und schießen.

       Und was ein gut Gesell wissen soll,

       Das hab ich gelernt und kann es wol.«

      1563 ist das Triennium absolvirt, und ein Brief kommet von Halberstadt, höchst wahrscheinlich in Folge jener Freundschaft mit den Söhnen des Herrn Christof Werner daselbst. In diesem Briefe wird angefragt, ob der Student nicht Lust habe, Rector zu werden an der evangelischen Schule zu Sankt Johannes in der alten Bischofsstadt; – zu Ende ist das Studentenleben; ins Philistertum rückt Jürgen Rollenhagen ein und zieht nach Halberstadt.

      »Sind da nicht labores angangen? Hat daneben auch angefangen mit zu predigen und zur Kirchenarbeit sich mit anspannen lassen!« sagt der Leichenredner.

      Noch aber trägt der junge Nacken die Last des Rectorats nicht allzu lange. Bereits 1565 finden wir den Jüngling wieder auf dem Wege nach Wittenberg. Mit sich führt er die Werner’schen Söhne, dieselben ebenfalls zu den Quellen der Weisheit zu leiten. Er selbst aber will Magister werden und fängt von neuem an, eifrig zu studiren. Auf das Studium der griechischen Sprache wirft er sich mit ganzer Seele, und sein Lieblingslehrer wird der »Hochgelehrte Medicus Doctor Veit Ortel von Winßheim Griechischer sprach Meister und Professor.« Der liest mit seinen Schülern das Buch, welches »Homerus jungen Herren zur kurzweiligen Lehr vorgeschrieben und Batrachomyomachia das ist der Froschmeusekrieg genannt.«

      Und der Professor meint: es wäre in dem Buche »eine solche weißheit, eine solche lieblichkeit, ein solcher außbund außerleßener Wörter und Reden, daß solche schlechte Händel in keiner sprach so künstlich, zierlich, prechtig und anmutig könnten vorbracht werden; wenn man gleich alle Poeten in der ganzen Welt sollte darüber zusammensetzen.« In der Vorrede zu seinem Froschmäuseler aus dem Jahre 1595 aber schreibt der Rector Rollenhagen.

      »Da

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