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       Albrecht Thoma

      Katharina von Bora: Geschichtliches Lebensbild

      Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020

       [email protected]

      EAN 4064066118990

      Inhaltsverzeichnis

       Cover

       Titelblatt

       Text

      Gleichfalls von der Wartburg aus erschien endlich ein deutsches Predigtbuch („Postilla“) von Luther und zu Michaelis desselben Jahres (1522) noch ein Wartburgswerk „Das Neue Testament deutsch“. Da konnte nun jedermann und vor allem die geistlichen Personen im Kloster, welche die evangelischen Ratschläge befolgen und ein evangelisches Leben führen wollten, aus der Quelle erfahren, was wahres Christentum sei, wie es Christus und die Apostel gelehrt, und wie es Luther ausgelegt hatte.

      Demzufolge wandte sich die Stadt Grimma, in deren unmittelbarer Nähe das Kloster Nimbschen gelegen war, dem Evangelium zu, und die Mönche in mehreren umliegenden Klöstern verließen ihre Gotteshäuser.

      Diese Schriften und Nachrichten kamen auch in das Kloster Nimbschen, denn so ganz verschlossen von der Welt waren auch Nonnenklöster nicht.

      Auf welchem Wege und durch wen wurden sie den Klosterfrauen vermittelt?

      Zweierlei Wege und Personen zeigen sich da. In Grimma war ein Kloster von Luthers Kongregation: Augustiner-Eremiten. Dort hatte Luther 1516 schon Visitation gehalten und bei der Rückkehr von der Leipziger Disputation (1519) blieb er mehrere Tage und predigte wohl auch daselbst; denn die Mehrzahl der Einwohner Grimmas standen schon längst auf seiner Seite. Der Prior des Klosters Wolfgang von Zeschau war Luthers Freund. Er trat 1522 mit der Hälfte der Ordensbrüder aus dem Kloster und wurde „Hospitalherr“ (Spittelmeister) am St. Georgen-Spital.

      Von diesem Zeschau nun aber waren zwei Verwandte (Muhmen) im Kloster Nimbschen, zwei leibliche Schwestern: Margarete und Veronika von Zeschau. Gewiß konnte dieser evangelisch gesinnte frühere Mönch wenigstens vor seinem Austritt mit seinen Muhmen ohne Verdacht verkehren und ihnen Luthers Schriften zustecken. Auch der eifrig evangelische Stadtpfarrer in Grimma, Gareysen, war dazu imstande, welcher zu Ostern 1523 das hl. Abendmahl unter beiderlei Gestalt austeilte.

      Außer dem nahen Städtchen Grimma konnte aber auch das ferner gelegene Torgau der Ort sein, von welchem aus reformatorische Gedanken und Schriften ins Kloster Nimbschen drangen. In Torgau war sehr früh und sehr durchgreifend die Reformation eingeführt worden, besonders seit der frühere Klostergenosse Luthers, der feurige Magister Gabriel Zwilling dort wirkte. Dieser, obwohl einäugig und ein kleines Männlein mit schwacher Stimme, hat doch durch seine begeisterte, ja stürmische Predigt, welche in Wittenberg sogar einen Melanchthon mit fortgerissen hatte, die Bürgerschaft zu einer ziemlich radikalen Abstellung aller römischen Mißstände und zu begeisterter Aufnahme des Evangeliums bewogen. Ja ein Torgauer Bürgersohn, Seifensieder seines Handwerks, entführte zu dieser Zeit — ob vor oder nach 1523 ist ungewiß, — zwei Nonnen aus dem Kloster Riesa an der Elbe und versteckte sie in einen hohlen Baum. Dann holte er Pferde und geleitete sie heim und heiratete die eine der beiden Klosterjungfrauen. Und eine Torgauerin trat 1523 aus dem Kloster Sitzerode[70].

      Ein besonders entschiedener und thatkräftiger Anhänger war der ehemalige Schösser, der „fürsichtige und weise Ratsherr“ Leonhard Koppe, in dessen Kaufladen das Kloster seine Waren einzukaufen pflegte, und der wohl mit seinem Fuhrwerk selber Lieferungen nach Nimbschen brachte. So war dieser Laie, wenn auch seine evangelische Gesinnung bekannt sein mußte, vielleicht ein noch geeigneterer Mittelsmann für evangelische Schriften, als die doch immerhin verdächtigen übergetretenen Geistlichen von Grimma, vor denen als gefährlichen Wölfen die „zwei Herren an der Pforte“ ihren geistlichen Schafstall wohl gehütet haben werden. Mit seinen Waren konnte Koppe leicht lutherische Schriften einschmuggeln und auch einen Brief aus dem Kloster nach außen besorgen. Keck und schlau genug war Koppe dazu[71].

      Welchen Eindruck das Auftreten und die Schriften Luthers auf die Nonnen machte, läßt sich ersehen aus einem Bericht, den eine Nonne in gleicher Lage und Zeit, jene Florentina von Eisleben, durch Luther in Druck gab. „Als nun die Zeit göttlichen Trostes, in welcher das Evangelium, das so lange verborgen, an den Tag gekommen, ganzer gemeiner Christenheit erschienen: sind auch mir als einem verschmachteten hungrigen Schaf, das lange der Weide gedarbt, die Schriften der rechten Hirten gekommen, worinnen ich gefunden, daß mein vermeintlich geistlich Leben ein gestrackter Weg zu der Hölle sei“[72].

      In Nimbschen ging es einem großen Teil der Klosterjungfrauen ähnlich. Ja, eine Anzahl derselben verabredete sich zu dem Plan, aus dem Kloster auszutreten.

      Das war ein schwerer Entschluß, der große Ueberwindung kostete. Eine ausgesprungene Nonne galt bisher für einen Schandfleck in der Familie. Der freie Austritt aber war nur durch päpstlichen Dispens mit großen Kosten und Mühen zu erreichen und eigentlich nur Gliedern fürstlicher Familien möglich. Freilich waren in dieser neuen, tieferregten Zeit schon Mönche aus dem Klosterverband ausgetreten und weltlich geworden; niemand wagte sie jetzt, wenigstens im kurfürstlichen Sachsen, anzutasten, ja, sie erhielten sogar Aemter und Stellen von Stadt und Staat. Aber der Austritt von Nonnen war fast noch unerhört, jedenfalls noch sehr ungewohnt[73]. Und wenn auch das Vorurteil der Welt und der eigenen Angehörigen überwunden war, so fragte sich doch: was sollten die ausgetretenen Nonnen draußen in der Welt anfangen, was thun und werden, womit sich erhalten und durchs Leben bringen?[74]

      Wenn darum also auch die meisten, wo nicht alle Nonnen in Nimbschen das Klosterleben verwarfen, so haben sich doch nur die mutigsten entschlossen, den Schritt zu thun, den sie für recht und geboten erachteten, nämlich nur diejenigen, welche vermöge ihrer Bildung selbständig sich durchs Leben zu bringen im stande waren, wie die Staupitz und Kanitz, oder die noch jung genug waren, sich in ein neues Leben zu schicken, wie die beiden Schönfeld und Katharina von Bora. Es waren in Nimbschen neun Nonnen zum Austritt bereit: Magdalena von Staupitz, Elisabeth von Kanitz, Veronika und Margarete von Zeschau, Loneta von Gohlis, Eva Große, Ave und Margarete von Schönfeld und als zweitjüngste von ihnen Katharina von Bora[75].

      Diese Kloster-„Kinder“ (Nonnen) thaten nun das Naturgemäßeste und Verständigste: „sie ersuchten und baten ihre Eltern und Freundschaft (d.i. Verwandte) aufs allerdemütigste um Hülfe, herauszukommen“. Sie zeigten genugsam an, daß ihnen solch Leben der Seelen Seligkeit halber nicht länger zu dulden sei, erboten sich auch zu thun und zu leiden, was fromme (brave) Kinder thun und leiden sollen“[76].

      Aber freilich den Eltern und Verwandten war das Gesuch ihrer Töchter und Basen eine Verlegenheit. Einmal: der Versorgung wegen waren ja diese Töchter ins Kloster gethan worden — wie wollte man sie nun in den armen Familien unterhalten? Ihr Erbe war schon in Wirklichkeit oder in Gedanken verteilt, wer mochte es an diese weltentrückten, gesellschaftlich toten Familienmitglieder herausgeben?[77] Ferner waren solche Klosterfrauen der Welt entfremdet und taugten gar wenig ins Leben. Wenn endlich auch nicht noch religiöse oder kirchliche Bedenken abschreckten, so war es doch noch eine andere Furcht: die Lehen der meisten Anverwandten der Klosterfrauen lagen im Lande Herzogs des Bärtigen, der ein heftiger Feind der Reformation und des Wittenberger Doktors im besonderen war. Da konnte es wegen Entführung von gottgeweihten Klosterfrauen empfindliche Strafen geben oder doch Zurücksetzung bei Hofämtern. Kurzum das Gesuch der klosterflüchtigen Nonnen wurde abgeschlagen[78].

      So standen die Aermsten von jedermann verlassen da, in nicht geringer Gefahr, daß ihr Vorhaben entdeckt und gehindert, die Beteiligten aber empfindlich gestraft würden, wie es z.B. der mehrerwähnten Florentina geschah, als ihr Vorhaben, aus dem Kloster zu treten, entdeckt wurde. Diese wurde von ihrer eigenen

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