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Individuen der einen Gattung nach den Gesetzen ihres Seinsbereichs sich in solche der andern verwandelten oder sie hervorbrächten.

      Für das Verhältnis von Mensch und Tier ist die Deutung bei Goethe anders als für Tier und Pflanze. Er setzt den Menschen (wie Darwin) als Glied der tierischen Entwicklungsreihe. Dazu prinzipiell Stellung zu nehmen, wird erst möglich sein, wenn es gelungen ist, die Frage zu lösen, ob wir es beim Menschen wiederum mit einem neuen und unableitbaren Formprinzip zu tun haben.

      10. Zusammenfassung der Erwägungen über die Deszendenztheorie

      Zunächst versuchen wir das Ergebnis der Besinnung über die Deszendenztheorie für das animalische Gebiet zusammenzufassen. Denkbar ist es, daß die Mannigfaltigkeit der Gestaltungen auf einer Mannigfaltigkeit selbständiger Formprinzipien beruhte. Denkbar ist aber auch ein das ganze Gebiet beherrschendes einheitliches Formprinzip, in dem ein Übergang von Gliedform zu Gliedform in einem großen Entwicklungszusammenhang stattfände. Es könnte ferner die jeweils niedere Seinsstufe für die höhere als Grundlage vorausgesetzt sein und es könnte die Bestimmtheit der höheren Gebilde durch die Formbestimmtheit der niederen mitbedingt sein. (Im Verhältnis zu dem jeweils hinzutretenden neuen Formprinzip könnten die vorausgesetzten Gebilde als »Materie« bezeichnet werden und das, was an dem höherstufigen Gebilde dadurch bedingt ist, als durch seine Materie bestimmt.) Niemals wird aber die Entstehung von Gebilden des höheren Seinsgebiets allein aus der Gesetzlichkeit des niederen abzuleiten sein: die Entstehung des Lebendigen nicht aus der Gesetzlichkeit der materiellen Natur, die des Animalischen nicht aus der Gesetzlichkeit des Organischen. Aufgabe der Erfahrungswissenschaft (der Zoologie und speziell der Vererbungs- und Entwicklungslehre, die als Teilgebiete aufzufassen sind) ist es, die Tatsachen so vollständig wie möglich festzustellen; dazu gehört auch die Ermittlung technischer Hilfsmittel und die Ausbildung von Methoden der Beobachtung und des Experiments, die es ermöglichen, den Bereich der Erfahrung zu erweitern. Ferner die Tatsachen zu ordnen, die Regelmäßigkeiten festzustellen, die darin hervortreten, und evtl. auf allgemeine Gesetze zu schließen, aus denen sich die Tatsachen erklären und auf Grund derer sich Tatsachen erschließen lassen, die nicht unmittelbar zugänglich sind (die aber prinzipiell erfahrbar sein müssen). Solche Gesetze würden zur tatsächlichen Ordnung der geschaffenen Welt gehören; sie würden besagen, welche der prinzipiellen Möglichkeiten, die für die Entstehung einer so beschaffenen Welt wie die unsere denkbar ist, verwirklicht ist. Der Gang der Erfahrung kann dazu führen, eine vermeintliche Gesetzmäßigkeit aufzugeben, weil neu entdeckte Tatsachen für eine andere Gesetzmäßigkeit sprechen. Aber niemals können diese Gesetze aus dem Rahmen der prinzipiellen Möglichkeiten herausfallen, auf die in einer ontologischen Untersuchung abgezielt wird.

      Damit ist nicht gesagt, daß die philosophische Forschung in ihrem praktischen Betrieb und Verlauf von dem Stand der Erfahrungswissenschaft völlig unberührt bliebe. Die Einsicht in Wesensnotwendigkeiten und -möglichkeiten ergibt sich an der Hand der Tatsachen, und wenn sich der Umkreis der erfahrungsmäßig zugänglichen Tatsachen erweitert, so ist praktisch die Möglichkeit für neue Wesenseinsichten gegeben. Außerdem ist auch der Philosoph nicht gegen Irrtümer und Täuschungen versichert, und die Berührung mit den Tatsachen kann Anlaß zur Aufdeckung einer Täuschung sein. Es kann aber immer nur eine neue Wesenseinsicht eine vermeintliche Einsicht aufheben, durch Erfahrungstatsachen kann sie nicht aufgehoben werden. – Was den gegenwärtigen Stand der Erfahrungswissenschaft angeht, so darf man wohl sagen, daß ein großes Erfahrungsmaterial für die Entstehung der jetzt festen Tierarten auseinander spricht, daß aber nicht das gesamte Tatsachenmaterial mit der Deszendenztheorie restlos erklärbar ist. Aber auch wenn sie so vollgültig beglaubigt wäre, wie es ein Naturgesetz nur sein kann, so wäre daraus nichts, wie es eine oberflächliche Popularphilosophie getan hat, für eine materialistische und monistische Weltdeutung zu folgern und keine Widerlegung des biblischen Schöpfungsberichts gewonnen. Daß etwas ist und nicht nichts ist, ist nur aus einem ewigen Seinsprinzip begreiflich. Daß das Seiende eine qualitative Mannigfaltigkeit ist, ist nicht ohne eine Mannigfaltigkeit von Formprinzipien zu begreifen. Für das Verhältnis dieser Formprinzipien zu einander und erst recht für die zeitliche Entstehungsordnung der geschaffenen Welt bestehen auf dieser ontologischen Grundlage verschiedene Möglichkeiten.

      Es bleibt als letzte Aufgabe die vorläufige Erwägung der Rolle, die das Animalische im Aufbau des Menschen spielt.

      VI. Das Animalische im Menschen und das spezifisch Menschliche

       Inhaltsverzeichnis

      I. Das Animalische im Menschen

       Inhaltsverzeichnis

      Die Überlegung über die Einordnung des Animalischen in den Aufbau des Menschen kann nur eine vorläufige Erwägung sein, weil wir damit rechnen müssen, daß alle niederen Stufen auf der höheren eine spezifische Abwandlung erfahren.

      1. Die animalische Unterschicht des aktuellen Seelenlebens: Empfindungen und Empfindungsgegebenheit des Leibes, Triebe, sinnliche Gefühle, Instinkte, allgemeine Gefühlszuständlichkeiten, Affekte

      Auch am Menschen begegnet uns empfindungsmäßige Aufgebrochenheit für äußere und innere Eindrücke und das Reagieren auf äußere Eindrücke mit triebhaften Bewegungen und Handlungen. Und hier können wir innerlich, in uns selbst, erst recht eigentlich erfahren, was sensitives Spüren und reaktives Handeln besagen. Wir haben diese Möglichkeit, weil wir nicht bloß sensitive Wesen sind, sondern geistig erkennende. Wir wollen aber noch nicht hereinziehen, was der Mensch als geistiges Wesen ist, sondern nur, was wir auf Grund unserer Geistigkeit an Animalischem in uns erfassen können. In der Regel erfahren wir sinnliche Eindrücke nicht als pure Sinnesreize, sondern gegenständlich gestaltet und eingeordnet in den Bau einer sinnlich erfahrenen dinglichen Welt. Wir sehen Farben als Farben von Dingen, wir hören Töne an einem bestimmten Ort im Raum und als hervorgebracht von tönenden Dingen, wir erfahren Tastqualitäten als Härte, Glätte usw. von Körpern. Wir müssen in vielen Fällen erst von dieser objektiven Bedeutung und Einordnung der Sinnesqualitäten abstrahieren, um das eigentlich Empfindungsmäßige davon zu fassen. In manchen Fällen will uns das gar nicht gelingen. In andern drängt sich das eigene sinnliche Betroffensein unmittelbar auf: Wenn ich die Härte eines Dinges wahrnehme, so empfinde ich dabei einen Druck am Finger. Starke Helligkeit empfinde ich als peinlichen Lichtreiz, vor dem ich die Augen schließe; ein kratzendes Geräusch »tut mir weh«, sodaß ich mir die Ohren zuhalte. In allen diesen Fällen spüren wir ein sinnliches Betroffensein; wir spüren es an unserm Leib oder doch im Zusammenhang mit gewissen Organen des Leibes; eben damit spüren wir empfindungsmäßig den Leib selbst; und wir reagieren darauf mit triebhaften Bewegungen. (Es ist möglich, daß an Stelle der triebhaften Bewegung eine Willenshandlung tritt: daß ich mir bewußt und absichtlich die Ohren zuhalte; es ist auch möglich, daß ich eine triebhafte Bewegung willensmäßig unterdrücke; aber wir kennen in uns auch den rein triebhaften Ablauf der Reaktion). Mit den Empfindungen sind zumeist sinnliche Gefühle verbunden: Wir empfinden die Eindrücke als angenehm oder unangenehm, lust- oder unlustbetont. Darüber hinaus haben wir gewisse allgemeine Gefühlszuständlichkeiten, die nicht an bestimmte, abgegrenzte Sinneseindrücke gebunden sind, sondern als Gesamtzuständlichkeiten seelisch und leiblich zugleich empfunden werden: Frische und Mattigkeit, Behagen und Unbehagen. Wir erfahren in uns auch eine Art instinktive Schätzung dessen, was uns begegnet, in seiner Bedeutung für uns. Gewisse Speisen widerstehen uns, und zwar in einer Weise, die mehr besagt, als daß sie uns nicht schmecken. Nach andern haben wir Verlangen – nicht, wie nach etwas, was uns Lust bereiten würde, sondern als nach etwas, was uns nottut. Die Erfahrung zeigt uns, daß die menschlichen Instinkte nicht so fein und sicher sind wie die der Tiere. Aber ihr Vorhandensein läßt sich nicht ableugnen. – Wir erleben in uns die Affekte, die wir in der äußeren Welt in Ausdrucksphänomenen an Menschen und Tieren wahrnehmen: Schmerz und Freude, Angst und Zorn. So erfahren wir in uns eine ganze Mannigfaltigkeit von seelischen Regungen, die noch nicht

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