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überhaupt nicht der geeignete Ort. Darf ich dich begleiten – oder schämst du dich deines Vaters?«

      Am liebsten hätte Angela ihm ein »Ja« ins Gesicht geschrien, um ehrlich zu bleiben. Aber zugleich sah sie die Mutter vor sich, mit ihrem jetzt allzeit glücklichen, zufriedenen Gesicht, und das gab den Ausschlag.

      »Komm«, sagte sie mit rauher Stimme. »Ich lege das letzte Stück zu Fuß zurück, und du kannst mich begleiten.«

      Reimer vermochte ihr kaum zu folgen, und als die Bahn hielt und er ihr behilflich sein wollte, zog sie ihren Arm heftig zurück, als fürchte sie seine Berührung. Leichtfüßig sprang sie hinab und hastete dem Fußsteig zu.

      »Was hast du mir zu sagen? Bitte, mach es kurz!« sagte Angela fast herrisch, ohne ihr Gesicht zu wenden.

      Reimer fühlte, wie ihm das Blut in die Schläfen stieg. Die Zeit war nicht stehengeblieben. Aus dem scheuen Kind war ein selbstbewußtes junges Mädchen geworden, das mit klaren Augen durch die Welt ging.

      Etwas wie Mutlosigkeit wollte ihn überkommen. Würde es ihm heute noch gelingen, Angela zu täuschen? Würde sie heute noch auf den einsamen, verlassenen Vater hereinfallen? Konnte er heute noch auf Mitleid rechnen? Oder mußte er sich umstellen?

      Wenn er nur eine Ahnung hätte, wie Angela am leichtesten zu nehmen wäre!

      Wie zur Bestätigung seiner Gedanken hörte er Angela völlig teilnahmslos sagen:

      »Ist dieses Zusammentreffen Zufall – oder hast du es absichtlich herbeigeführt?«

      »Absichtlich«, erwiderte er vorsichtig tastend.

      Sie verzog die Lippen spöttisch.

      »Willst du damit sagen, daß dich die Sehnsucht nach München getrieben hat? Etwa die Sehnsucht nach – mir?«

      »Ich wohne in München!«

      Heißes Erschrecken lief über ihre Züge.

      Er empfand etwas wie Genugtuung darüber. Und doch – es war ein ekelhaftes Gefühl zu wissen, das eigene Kind wünschte ihn weit fort. Eine Welle von Feindseligkeit strömte von dem jungen, schönen Geschöpf zu ihm. Und er hatte doch das größte Anrecht auf dieses Mädchen! Er war ihr Vater, und wenn sie mit noch so verschlossenem Gesicht neben ihm herlief.

      »Seit wann?« riß ihre Frage ihn aus seinen Überlegungen.

      »Schon längere Zeit. Du meinst, ich hätte mich schon früher melden sollen? Größere Reisen hielten mich teilweise von hier fern. Nun gedenke ich mich aber auszuruhen.«

      »Und dabei hast du dich meiner erinnert?« fragte sie mit einem verächtlichen Unterton.

      »Auch das«, gab er zu. »Und wie geht es dir?«

      »Danke, gut«, kam es schroff zurück. »Mutti hat immer rührend für mich gesorgt.«

      »Soll das ein Vorwurf gegen mich sein?« fragte er gereizt.

      Angela zuckte nur die Achseln. Sie konnte kein wärmeres Gefühl, nicht mal das der Achtung, für ihn aufbringen. Er war ihr fremd, völlig fremd und gleichgültig. Hatte sie ihn zu fürchten? Konnte er ihr und Mutti irgend etwas anhaben? Fest stand nur, daß Mutti nichts von dieser Begegnung erfahren durfte, damit sie nicht beunruhigt wurde.

      »Wohin willst du eigentlich?« Er lachte leise auf. »Ich laufe neben dir her wie ein geduldiger Liebhaber. Dabei läßt es sich wenig gemütlich unterhalten. Wollen wir nicht irgendein Café aufsuchen?«

      Angelas Gesicht wurde noch herber und verschlossener. Sie sah die breite, von Kastanien umsäumte Villenstraße hinunter.

      »Hier gibt es keine Cafés«, spöttelte sie. »Gottlob! Ich habe außerdem überhaupt keine Zeit.«

      »Keine Zeit für mich«, versetzte er, ohne beleidigt zu sein. »Du kannst schon ehrlich zu mir sein. Ich weiß, daß ich nach so langer Zeit wenig Entgegenkommen von dir erwarten kann.«

      Unweit von Susanne Pollers Heim blieb Angela stehen. Hier wollte sie keinesfalls mit dem Vater gesehen werden. Es hätte nur unliebsame Fragen ergeben, und denen wollte sie unter allen Umständen ausweichen.

      »Willst du mir nicht lieber ehrlich sagen, was du von mir willst?«

      Gezwungen lachte er auf.

      »Merkwürdige Frage, Angela. Was soll ein Vater schon von seiner Tochter wollen! Sie doch wohl nur sehen und sprechen. Ich glaube, du begegnest mir mit reichlich viel Mißtrauen, liebes Kind.«

      »Ich habe bisher so gut leben können – ohne Vater. Und an deine erwachten väterlichen Gefühle kann ich nicht glauben. Du hättest viel früher Gelegenheit gehabt, sie mir zu zeigen, wenn du gewollt hättest. Heute muß ich dir sagen, was du mir inzwischen geworden bist – ein Fremder, nicht mehr.«

      »Angela!« rief er bestürzt und betrübt »Ich hatte angenommen, die Jahre hätten dich versöhnlicher gestimmt gegen mich.«

      »Ich trage keinen Haß gegen dich im Herzen, ich sagte dir schon, du bist mir fremd geworden.«

      »Dann gib mir Gelegenheit, dir näherzukommen«, drängte er und haschte nach ihrer Hand, die sie ihm ein paar Sekunden überließ, dann aber verlegen zurückzog.

      Ihr junges Gesicht trug einen mehr unglücklichen als erfreuten Ausdruck.

      »Du mußt entschuldigen«, sagte sie verwirrt. »Das ist so ungewöhnlich für mich. Warum drängst du dich in mein Leben? Ich habe dich bis jetzt nicht vermißt. Mutti war und wird immer die erste und einzige in meinem Herzen sein. Leb wohl! Freude habe ich nicht empfinden können über dieses Zusammentreffen.«

      »Angela!« rief er hinter ihr her, aber die schlanke Mädchengestalt hastete einfach vorwärts, ohne sich umzudrehen.

      »Verdammt!« murmelte er zwischen den Zähnen. Unschlüssig sah er hinter ihr her. Sollte er ihr nachlaufen? Sich ein zweites Mal von ihr abweisen lassen?

      Donnerwetter! Sie hatte mehr Schneid, als er vermutet hatte. Also war sie nicht so sanftmütig wie ihre Mutter!

      Bettina! Hatte nicht aus jedem Wort Angelas tiefe Liebe und Verehrung zu der Mutter gesprochen? Wenn er hier nun einen Anknüpfungspunkt fand? Sicher würde sie das Wiedersehen verschweigen.

      Langsam wandte er sich zum Gehen. Ganz so zwecklos war die kurze Unterhaltung für ihn nicht gewesen! Nur ein bißchen Geduld hatte er aufzubringen, mehr nicht. Oh, er würde sein Ziel noch erreichen, frohlockte er. Wenn sie auch jetzt noch widerspenstig war, um so mehr war er im Vorteil, wenn es ihm gelang, sie gefügig zu machen.

      Viel, sehr viel versprach er sich davon. Angela kam langsam in das heiratsfähige Alter. Er würde sie schon zu überzeugen wissen, daß er um ihre Zukunft besorgt war und sie möglichst schnell und vorteilhaft verheiraten wollte. Die Beziehungen, über die er verfügte, hatte Bettina sicherlich nicht. Nur mußte er schlau vorgehen und sich nicht verraten, daß er dabei am meisten Nutzen ziehen wollte.

      Mit einem sehr selbstsicheren und zufriedenen Lächeln trat er den Rückweg an.

      Er hatte Zeit, sehr viel Zeit sogar. Das Leben gewann jetzt erst wieder an Reiz für ihn, seit ihn die Sache mit Angela so beschäftigte.

      Kraner hatte auch schon mehrmals nach Angela gefragt. Er schien sich gewaltig für das Mädel zu interessieren.

      An der nächsten Kraftdroschken-Haltestelle nahm er sieh einen Wagen und ließ sich zu seinem Heim fahren. Dabei spielte er mit dem Gedanken: Wie wäre es, wenn er sich wieder einen Wagen zulegte? Man konnte nebenbei bemerken, daß man es nur Angela zuliebe getan hatte. Entschieden würde er damit auf das Mädel Eindruck machen, und vorläufig ging es ihm ja nur darum.

      Er war überrascht, als er sein Heim betrat, Kraner in der Diele, in eine Zeitschrift vertieft, vorzufinden.

      »Du bist jetzt recht viel unterwegs«, begrüßte dieser ihn und legte das Blatt aus den Händen.

      »Ich habe sehr viel vor«, gab Reimer ausweichend zur Antwort und reichte

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