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dass sie sich beinahe verschluckte.

      Was war los mit ihr?

      Warum konnte sie nicht so konsequent sein wie Yvonne, die schließlich nicht irgend etwas aufgab, sondern vielleicht ihren Beruf, den sie liebte und wo es viele Jahre eines schweren Studiums gebraucht hatte, um ihn ausüben zu können.

      Es lag nicht an ihrer Liebe zu Jan, dass sie so zögerlich war, dachte sie geradezu erleichtert, es lag nur daran, dass sie zusammenlebten und nicht heiraten würden, weil es für Jan nicht so wichtig war.

      Ja, natürlich!

      Dass sie nicht sofort darauf gekommen war.

      Als seine Frau, seine ihm angetraute Ehefrau, würde sie auch ganz anders agieren, dann würde sie sich vollkommen auf ihn einlassen und auch Geld von ihm annehmen für den Unterhalt des Anwesens, damit nichts von den Grundstücken und dem Besitz verkauft werden musste. Das würde sie niemals tun, das hatte noch nie einer von ihren Vorfahren gemacht, und sie würde ganz gewiss nicht die Ers­te sein, die etwas verkaufte.

      Aber würde sie wirklich von Jan Geld nehmen, um ihren Besitz zu wahren?

      »Yvonne, angenommen, du wirst nach eurer Hochzeit nicht mehr arbeiten, dann … dann bist du doch finanziell ganz von Markus abhängig …«

      Überrascht schaute Yvonne ihr Gegenüber an.

      »Werde ich zwar nicht, weil ich eigenes Geld habe, aber wenn es nicht so wäre, wo liegt das Problem? Es könnte doch auch andersherum sein, die Frau hätte das Geld, der Mann nicht. Soll sie ihn dann nicht heiraten, weil sie für den Unterhalt zuständig ist? Das sind doch alles Klischees, die bei vernünftigen Menschen niemals zu Streitigkeiten führen dürften, und wenn es zum Krach deswegen kommen sollte, dann kann ich nur sagen – in diesem Fall war keine Liebe im Spiel, denn wenn man sich liebt, definiert man sich nicht über Geld und Besitz. Im übrigen sind das für mich ganz, ganz arme Menschen, die das, was sie haben, nach außen bringen, sie haben kein Innenleben … In meinem Elternhaus spielte Geld keine große Rolle, klar, mein Vater hat als bekannter Augenarzt mit einer großen Praxis immer gut verdient, meine Mutter stammte aus einem vermögenden Elternhaus, aber wir haben ganz normal gelebt, für meine Bildung haben sie viel Geld ausgegeben, wir haben rege am Kulturleben teilgenommen, Bücher gekauft, wir haben viele schöne Dinge genossen, Reisen gemacht, aber meine Eltern haben niemals geprotzt. Für meinen Vater war Geld nur willkürlich bedrucktes Papier, mit dem man sich sicherlich einige Annehmlichkeiten schaffen konnte, das aber niemals von ihm und uns Besitz ergriffen hat. Menschen, die ihr Geld nur horten, es mehr lieben als alles andere …, die erstarren … Aber sag mal, Bettina, können wir denn nicht über etwas anderes reden?«

      Damit war Bettina sofort einverstanden.

      »Liebend gern …, über eure Hochzeit beispielsweise?«

      »Liebend gern«, lachte Yvonne, »wenngleich es darüber noch nicht viel zu sagen gibt, weil wir noch nicht genau wissen, was wir machen sollen – ein großes Fest und es so richtig krachen lassen oder im kleinen Kreis.«

      »Im kleinen Kreis ist in einem Ort wie Fahrenbach schwierig. Markus ist hier bekannt wie ein bunter Hund, er müsste im Grunde genommen alle alteingesessenen Fahrenbacher einladen, denn jeder von ihnen hat ihn irgendwann mal auf seinem Schoß gehalten als er klein war. Die wären sauer, wenn sie nicht zu seiner Hochzeit kommen dürften.«

      Yvonne lachte.

      »Also Las Vegas«, warf sie in den Raum.

      Beinahe entsetzt blickte Bettina sie an.

      »So etwas wirst du dir doch wohl nicht antun wollen? In dieser synthetischen Stadt und in einer dieser Hochzeitskapellen, wo man wie am Fließband im Fünf-Minuten-Takt getraut wird?«

      »Bettina beruhige dich, das war nur ein Scherz, natürlich würde ich so eine Zirkusnummer nicht mitmachen. Wie hast du es denn vor?«

      Diese Frage hatte Bettina gerade noch gefehlt. Sie konnte Yvonne jetzt nicht die Wahrheit sagen, dass so etwas in weiter Ferne lag, wenn überhaupt.

      »Bei mir liegen die Dinge anders«, redete sie sich heraus. »Ich wurde hier nicht geboren.«

      »Das nicht, aber du bist hier die Number One, nach deiner Familie wurde der Ort benannt, dir gehören die meisten Grundstücke, die Fahrenbachs haben für den Ort so viel getan, die Kapelle gebaut, der See steht den Dorfbewohnern zur Verfügung. Also, wenn hier jemand wichtig ist, dann doch du.«

      »Ich seh das zwar anders, aber ich glaube, Yvonne, das Hochzeitsthema bringt jetzt auch nichts.«

      »Genauso enden unsere Gespräche immer, wenn Markus und ich uns über das Thema unterhalten. Aber du hast recht, uns wird schon noch was einfallen, um alle glücklich zu machen.«

      Sie hätten jetzt natürlich noch über das Hochzeitskleid reden können, aber das brachte auch nichts, solange nicht feststand, in welchem Rahmen die Hochzeit stattfand.

      Aber sie würde stattfinden, dachte Bettina und fragte sich im Moment, ob es töricht gewesen war, Jans überstürzten Heiratsantrag abzulehnen. Wer weiß, ob er ihn je wiederholen würde.

      »Möchtest du noch ein Schlückchen Wein haben?«, erkundigte sie sich, um von diesen Gedanken wegzukommen.

      »Also, wenn du mich so fragst«, kicherte Yvonne und hielt ihr das Glas entgegen, »ja, gern, wenngleich ich die Wirkung des Weines schon ganz schön spüre, aber – so jung kommen wir nicht mehr zusammen.«

      Das hätte von Leni sein können, dachte Bettina belustigt, aber sie sprach es nicht aus. Yvonne war viel mehr Lenis Tochter als sie es wahrhaben wollte.

      Irgendwann musste der Funke überspringen, zumal doch auch Markus seine künftige Schwiegermutter so richtig gern hatte.

      Mochte Yvonne es drehen und wenden wie sie wollte – Leni war ihre leibliche Mutter und würde es immer bleiben. Das bedeutete zwar nicht, dass sie sie auch lieben musste, aber irgendwann würde sie es tun, dessen war Bettina sich fast sicher.

      *

      In den folgenden Tagen ging es Bettina nicht gut. Sie hatte schlechte Laune, was man normalerweise an ihr nicht kannte, war unkonzentriert, traurig. Dabei gab es überhaupt keinen äußeren Anlass für ein solches Verhalten.

      In der Firma lief es, trotz der Wirtschaftskrise, über die allgemein gejammert wurde, gut.

      Was also war es dann?

      Angefangen hatte es in der Kapelle während des Gesprächs mit ihrem Mieter Rolf Möbius, als sie ihm klarzumachen versuchte, dass sein Schicksal keine Ausnahme war, dass man häufiger belogen und betrogen wurde als man glaubte, und da hatte sie ihm halt von Thomas erzählt und was ihr mit ihm widerfahren war. Ganz offenbar hatte sie damit eine Welle losgetreten, die sie zu verschlingen drohte.

      Thomas Sibelius ging ihr nicht mehr aus dem Sinn.

      Warum eigentlich?

      Weil sie bei ihm ein Gefühl von emotionaler Sicherheit gehabt hatte? Aber dieses Gefühl war doch trügerisch gewesen, wie sich letztlich herausgestellt hatte. Warum verrannte sie sich da in etwas?

      Das lag sicherlich an dem Gespräch mit Yvonne.

      Für Yvonne zählte nur noch, Markus zu heiraten, mit ihm glücklich zu werden, mit oder ohne Kinder, mit oder ohne Praxis. Sie war sich ihrer Gefühle sicher und auch darüber, dass es mit ihrer Ehe klappen würde.

      Ganz bestimmt lag das daran, dass sie in einem glücklichen Elternhaus aufgewachsen war, ihre Adoptiveltern hatten sich geliebt und eine gut funktionierende Ehe geführt. Klar, dass Yvonne, die nichts anderes kannte, an eine andauernde, glückliche Ehe glaubte, dass es für sie überhaupt keine Zweifel gab.

      Die Psychologen sagten doch, dass Kinder entweder das Verhaltensmuster ihrer Eltern oder eines Elternteils übernehmen oder genau das Gegenteil tun.

      Yvonne hatte sich dafür entschieden, es ihren Eltern gleichzutun, also mit ihrem Partner glücklich zu sein.

      Bei ihr sah es ja nun völlig anders aus.

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