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Nein, seine Tante Cilly, du kennst sie ja, sie wohnt im Dorf, wollte ihn unbedingt sehen, um etwas Unaufschiebbares mit ihm zu besprechen. Ein Abend für mich allein kann auch nicht schaden, doch als ich das Licht bei dir sah, hatte ich die Idee, bei dir anzuklingeln, wir haben ja auch kaum Zeit, miteinander zu tratschen, und Leni und Arno sind heute Abend bei Toni und Babette. Babette hat gekocht und ist tausend Tode gestorben, weil sie sich vor Leni nicht blamieren will.«

      Yvonne sagte noch immer »Leni«. Wann wohl würde das Wort »Mutter« über ihre Lippen kommen? Vielleicht niemals, weil sie in ihren verstorbenen Adoptiveltern ihre wahren Eltern sah? Lenis Beweggründe, warum diese ihr neugeborenes Kind zur Adoption hatte abgeben müssen, konnte sie zwar rational verstehen, aber ihr Herz blieb verschlossen. Hoffentlich nicht für immer, Leni hatte es so sehr verdient, die Liebe ihres Kindes zu erfahren und nicht nur so etwas wie die Zuneigung eines entfernten Verwandten.

      »Eine gute Idee, ich habe auf jeden Fall auch mehr Lust, mit dir zu reden, als mir halbherzig einen Fernsehfilm anzusehen. Also kann ich Cilly nur danken, dass sie Markus sehen wollte, und ich kann dir was verraten – es war gut, nicht auf Markus zu warten, denn Cilly kann stundenlang ohne Punkt und Komma reden, und man kann sich ihr nur schwer entziehen, wenn sie erst einmal angefangen hat.«

      Yvonne kicherte.

      »Genau das hat Markus auch gesagt …, ich hätte ja mitgehen sollen, doch das hat er glücklicherweise verhindert, wenngleich es ja nur aufgeschoben ist, irgendwann werde ich ihr begegnen, und im übrigen soll sie ja sehr nett sein.«

      »Das ist sie wirklich, und sie liebt Markus über alles. Ich bin übrigens froh, dass du jetzt in seinem Leben fest verankert bist. Sie hat mich nämlich immer mit ihm verkuppeln wollen.«

      »Nun, ihr wärt ein schönes Paar gewesen.«

      Bettina grinste.

      »Ihr seid ein schöneres, Markus ist mein Freund, ich mag ihn gern, auch wenn es Cillys Wunsch war, das mit uns wäre nie etwas geworden. Außerdem bin ich mir überhaupt nicht so sicher, dass sie mich als Bettina mit ihm zusammenbringen wollte oder nicht vielmehr die Erbin des Fahrenbach-Hofes.«

      Yvonne trank etwas von ihrem Wein.

      »Hm, der ist eine Offenbarung«, sagte sie, um dann fortzufahren: »Dann wird Cilly vielleicht mit mir nicht einverstanden sein. Ich bin keine Großgrundbesitzerin.«

      »Aber du hast einen Doktortitel, das ist für Cilly auf jeden Fall ein Statussymbol, und so ganz arm bist du doch auch nicht, außerdem hat Markus Geld genug.«

      Yvonne stellte ihr Glas wieder ab.

      »Keine Ahnung, über Geld haben wir noch nicht gesprochen, es interessiert mich auch nicht. Das einzige, was für mich zählt ist Markus als Mensch und sonst gar nichts. Und als Mensch ist er ganz wunderbar. Mein Traummann eben.«

      »Und wann wirst du den Traummann heiraten?«, erkundigte Bettina sich, die sich für Yvonne und Markus so sehr freute. Hier hatten sich zwei gefunden, die wirklich zusammenpassten, die tiefe Liebe miteinander verband.

      »Sehr schnell, wenn es nach Markus ginge am liebsten morgen, aber ich möchte gern mein altes Leben in Ordnung bringen, ich möchte mein Elternhaus verkaufen und habe dem Schweizer schon eine Zusage gemacht. Das erschien mir vorher undenkbar, aber jetzt, wo ich mit Markus zusammen bin, fällt es mir leicht. Ich werde hier leben, weil er sein Sägewerk nicht mitnehmen kann, was im übrigen auch nicht notwendig ist. Es gefällt mir sehr gut in Fahrenbach. Ich finde die Landschaft traumschön, das Dorf ist beschaulich, der Kern der Fahrenbacher bodenständig, zuverlässig, es ist eine intakte Welt, in die ich gern eintauchen will.«

      Bettina musste in diesem Augenblick unwillkürlich an Doris denken, ihre Schwägerin, die mit Markus liiert gewesen war, und die aus dieser Verbindung gegangen war, weil sie das Leben in dieser dörflichen Idylle auf Dauer unerträglich gefunden hätte. Sie hatte Beschaulichkeit, Frieden, Ruhe eingetauscht gegen ein lautes Leben in der Stadt, voller Abgase, Hektik, und für Yvonne war es selbstverständlich, zu dem Mann ihres Herzens zu ziehen. Bettina war sich sicher, dass sie auch ihre Praxis aufgegeben hätte, wenn das nicht schon vorher geschehen wäre. Sie hatte es ja auch – obschon sehr tüchtig und erfolgreich – für ihren Vater getan, um ihn zu pflegen, als er krank geworden war. Nach seinem Tod hatte sie nicht herumlamentiert und diesen Schritt bedauert.

      Yvonne folgte der Stimme ihres Herzens, das war ganz eindeutig.

      Warum tat sie es bei Leni nicht!

      »Habt ihr euch auch schon über das Haus am Markt unterhalten, in dem vorher der Krämerladen war, der durch den neuen Supermarkt oben im Neubaugebiet auf dem ehemaligen Huber-Hof ausgeblutet worden war.«

      Yvonne nickte. »Bekomme ich bitte noch etwas von dem Wein?«, fragte sie, ehe sie antwortete.

      Bettina schenkte den tiefroten Wein ein, dem eine Kaskade köstlicher Düfte entströmte, voll, dezent, so wie es sich für einen guten Wein gehörte.

      Yvonne trank genießerisch etwas von dem Wein, lehnte sich zufrieden zurück.

      »Ja, wir haben darüber geredet, Markus hat mir das Haus auch von innen gezeigt.«

      »Und willst du darin eine Kinderarztpraxis eröffnen?«

      »Ja, ich denke schon, aber nicht sofort. In meinem Beruf tätig zu sein ist nicht wie ein Spaziergang am Meer. Man muss ganz dabei sein, mit Leib und Seele, anders käme es für mich überhaupt nicht infrage. Deswegen möchte ich erst einmal meine Zweisamkeit mit Markus genießen, mich dem spannenden Abenteuer Ehe und Zusammenleben hingeben. Das geht nicht, wenn ich einen anstrengenden Job habe, der meine ganze Aufmerksamkeit erfordert.

      Schau mal, Markus und ich haben viele, viele Jahre verloren, die wir ohnehin nicht mehr nachholen können. Aber wir können das Jetzt in vollen Zügen genießen, uns an jedem Tag neu erleben, erforschen, auf dieses Abenteuer freuen wir uns beide ganz wahnsinnig. Was passieren soll, wird passieren. Es kann doch auch sein, dass ich schwanger werde, dann arbeite ich sowieso nicht, sondern werde für mein Kind da sein.«

      »Und dein Beruf wird dir nicht fehlen?«

      »Manchmal bestimmt, aber man kann nicht alles im Leben haben. Ich habe mehrere Jahre in meinem Beruf, den ich wirklich sehr liebe, erfolgreich gearbeitet, mit vollem Einsatz, mit Leib und Seele. Eheerfahrung habe ich noch nicht, aber die Ehe möchte ich ebenso ernst nehmen wie meinen Beruf. Wenn das nicht so wäre, dann bräuchte ich doch überhaupt nicht zu heiraten … Ich heirate aus Liebe, einzig und allein aus diesem Grund, und nicht, um einen Status zu erreichen oder um versorgt zu sein.«

      Mit wachsender Aufmerksamkeit hatte Bettina zugehört. Sie bewunderte Yvonne für diese Konsequenz und kam sich auf einmal in ihrer eigenen Beziehung, mit ihrem Leben ziemlich »Wischi-Waschi« vor.

      »Ach, Yvonne, du bist zu beneiden«, seufzte sie.

      »Aber wieso, Bettina. Du hast doch auch alles, den Fahrenbach-Hof, um den man dich nur beneiden muss, du bist sehr erfolgreich in deinem Job, und vor allem hast du einen Mann an deiner Seite, mit dem doch scheinbar alles bestens zu klappen scheint, du hast, wie man so schön sagt, alles unter einem Hut.«

      Hatte sie das wirklich?

      Klar, ihr Leben auf dem Hof war ein Traum, das sagte sie sich selbst immer wieder, beruflich lief es immer besser, aber sie und Jan …

      Sie liebten sich, aber sie wollte Yvonne jetzt nicht sagen, dass sie solche Perspektiven nicht hatte, wie sie vor Yvonne und Markus lagen.

      Sie und Jan …

      Würde sie auch die Arbeit niederlegen, um ausschließlich mit Jan zusammen sein zu können? Er hatte sie schon so oft mit auf seine Reisen nehmen wollen, und sie hatte stets tausend Ausreden gefunden, hatte von ihrer Unabkömmlichkeit hier auf dem Hof, oben in der Des­tille, gesprochen.

      Außerdem ging das alles ohnehin nicht, sie hatte das Geld nicht lose in der Schublade liegen, um alles weiter bestreiten zu können. Sie war noch immer im Aufbau begriffen, und die Rezeptur für das Kräutergold hatte sie auch gerade erst bekommen, die Produktion lief noch nicht lange.

      Aber

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