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es mir mit einem … geliebten Menschen passierte, habe ich sofort die Konsequenzen gezogen …, aber Tim, Sie müssen mit ihm sprechen, am bes­ten sogar im Beisein eines

      Psychologen, der ihn auffangen kann … Für ihn wird auch eine Welt zusammenbrechen, aber wenn er weiß, dass Sie ihn lieben, immer lieben werden, wird er sich irgendwann damit abfinden.«

      »Und wenn nicht?«, klagte er. »Ich bin wirklich kein gewalttätiger Mensch, aber ich könnte Marion den Hals umdrehen.«

      »Das würde ihnen nicht helfen und sie nur ins Gefängnis bringen. Ich glaube wirklich, wichtig ist, dass Tim keinen Schaden davonträgt, und vielleicht können Sie mit Ihrer Frau eine Einigung treffen, die es möglich macht, dass Sie Tim weiterhin sehen können …, denn ihre Frau werden Sie ja, wie ich Ihren Worten entnehmen kann, verlassen, oder?«

      »Das auf jeden Fall«, bestätigte er, »mit ihr kann ich nicht mehr leben, aber Tim, den möchte ich gern behalten, wenngleich das vielleicht auch nur ein frommer Wunsch ist. Er wird sich vielleicht von mir abwenden, wenn er erfährt, dass ich nicht sein Vater bin.«

      »Man braucht auch Freunde in seinem Leben«, wandte Bettina ein, »vielleicht können Sie ja sein Freund werden?«

      Er antwortete nicht, wirkte aber jetzt wesentlich entspannter.

      »Danke, Frau Fahrenbach, dass Sie mir zugehört haben, danke dafür, dass ich hier sein kann, auf dem Hof …«

      »Aber Herr Möbius, Sie müssen sich doch nicht bedanken. Ich habe Ihnen gern zugehört, und die Kapelle hier ist für alle Menschen da, die in ihr Zuflucht suchen, und dass Sie auf dem Hof sind, mein Lieber, dafür müssen Sie sich nicht bedanken, dafür bezahlen Sie schließlich. Ich müsste mich also bei Ihnen bedanken, weil Sie Geld in meine Kasse bringen.«

      »Ich widerspreche …, ich habe schon weltweit in so vielen Hotels gewohnt, auch in denen der Luxusklasse, da gab es Freundlichkeit im Grunde genommen nur in Erwartung reichlicher Trinkgelder, ansons­ten war alles sehr unpersönlich.

      Soviel Menschlichkeit wie hier ist mir noch nie zuvor begegnet … Sie sind sehr freundlich, alle Leute, denen ich oben begegne, und die Frau Dunkel, die ist ein Juwel und eine große Menschenkennerin. Sie hat mir schon sehr geholfen und mich auf die richtige Spur gebracht. Aber sie hat mir auch geraten, alles zu tun, um Tim nicht zu verletzen, aber auch nicht zu verlieren, und das haben Sie mir auch geraten … Ehrlich gesagt, habe ich Angst vor der nächsten Begegnung. Ich kann mich in meiner Firma durchsetzen, kann Entscheidungen blitzschnell treffen, aber das ist doch etwas anderes. Tim und ich waren immer ein Herz und eine Seele.«

      »Und wenn Sie seinetwegen einen Neuanfang mit ihrer Frau wagen?«, erkundigte Bettina sich vorsichtig.

      Er schüttelte den Kopf, und seine Stimme klang entschieden: »Das ist ausgeschlossen. Wir haben doch keine Basis mehr. Und bitte bedenken Sie, es war kein einmaliger Ausrutscher, bei dem zufällig ein Kind gezeugt wurde. Es ging über viele Jahre hinweg, und währenddessen hat sie mir die heile Welt vorgegaukelt, nein, ich kann Marion nicht mehr in die Augen sehen, und das ist nicht verletzte Eitelkeit, die mich so sprechen lässt.«

      Bettina erinnerte sich an ihre Seelenqualen, als sie zufällig dahintergekommen war, dass Thomas, die Liebe ihres Lebens, in Amerika eine Ehefrau hatte, von ihm wohlweislich verschwiegen. Sie hätte ihm die Frau verzeihen können, wenn er es ihr gesagt hätte, schließlich waren sie mehr als zehn Jahre getrennt gewesen.

      Aber sie zu verschweigen hatte für sie nur eine einzige Konsequenz gehabt, ihn zu verlassen, nicht mehr mit ihm zu reden, denn in so einem Fall gab es nichts zu reden.

      »Ich kann Sie verstehen, Herr Möbius«, sagte sie aus ihren Gedanken heraus, »weil ich es selbst erlebt habe.«

      Und weil er ihr gegenüber so offen gewesen war, erzählte sie ihm, was sie mit Thomas erlebt hatte, obschon sie sonst ihr Herz gewiss nicht auf der Zunge trug.

      »Danke für Ihre Offenheit, Frau Fahrenbach, jetzt sehe ich noch ein wenig klarer.«

      »Es freut mich, wenn ich dazu ein wenig beigetragen habe.«

      Sie stand auf.

      »Ich muss wieder los. Mein Auto steht in der Nähe. Soll ich Sie mit auf den Hof nehmen?«

      »Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich möchte doch gern noch etwas verweilen, mir unser Gespräch durch den Kopf gehen lassen, und dann wird es mir sicherlich guttun, mir den Wind um die Ohren wehen zu lassen. Der Weg durch die Felder ist wunderschön.«

      »Ja, das stimmt, bis später dann, Herr Möbius«, sie lächelte ihn freundlich an.

      »Ja, bist später …, nochmals vielen Dank.«

      Sie nickte ihm zu, ehe sie die Kapelle verließ.

      Was hatte sie nicht alles in ihn hineininterpretiert, dabei war er nur unglücklich. Nur unglücklich, was war das denn für ein törichter Gedanke. Unglücklich zu sein war etwas sehr Elementares, dem war ganz gewiss nicht ein kleines »nur« voranzustellen.

      Sie wünschte ihm von ganzem Herzen, dass er eine Lösung für seine Probleme fand. Außenstehende konnten ihm zuhören, ihm ihre subjektive Meinung sagen, aber die Lösung, die konnte er nur für sich selbst finden.

      Als Bettina in ihr Auto stieg, atmete sie erleichtert auf. Sie war froh, dass es in ihrem Leben derzeit nur lösbare Probleme gab und dass Jan an ihrer Seite war.

      Wenngleich …

      Wenn sie ehrlich war, hatte es ganz schön weh getan, als sie von Thomas erzählt hatte. Warum konnte sie ihn nicht endgültig aus ihrem Leben streichen, nicht emotionslos über ihn sprechen wie über einen flüchtigen Bekannten? Weil zu viel Gefühl zwischen ihnen gewesen war, zu viel Verständnis, Zärtlichkeit, es war eben, wie Linde immer gesagt hatte, mit ihnen wie »Pott und Deckel«, sie hatten zusammen gehört, sie war der Meinung gewesen, sie waren einander vorbestimmt.

      Sie startete und wendete, um wieder ins Dorf zurückzufahren.

      Thomas Sibelius …

      Nein! Nein! Und abermals nein! Sie wollte nicht mehr an ihn denken, nicht voller Liebe, nicht einmal im Zorn.

      In wilder Entschlossenheit machte sie das Radio an. Der Sender, den sie zufällig gedrückt hatte, brachte Nachrichten. Irgendwo tobte wieder ein Krieg, das war traurig, aber besser, darüber etwas zu erfahren, als mit dem Krieg konfrontiert zu sein, der noch immer in ihr tobte, wenn sie sich gegenüber ehrlich genug war, das zuzugeben.

      *

      Bettina überlegte gerade, ob sie sich im Fernsehen einen Film ansehen sollte, wenn es denn einen gab, der sehenswert war, als es an ihrer Haustür klopfte.

      Wer mochte denn um diese Zeit noch zu ihr kommen? Sie erwartete keinen Besuch. Die Hofbewohner hatten Schlüssel, außerdem war es äußerst selten, wenn abends jemand von denen zu ihr kam, eher war es umgekehrt, da ging sie, meist zu den Dunkels, um mit ihnen zu klönen. Die Spielabende waren eher selten geworden, seit Babette bei Toni wohnte, da kam er natürlich abends auch nicht mehr rüber, um sich mit den Anderen ein Kniffel-Duell zu liefern.

      Bettina stand auf und ging hinaus, um zu öffnen.

      Es war Yvonne, die vor der Tür stand.

      »Störe ich?«, wollte sie wissen.

      »Nein, natürlich nicht. Komm rein. Hast du Lust auf ein Glas Wein?«

      »Das schlage ich nicht ab, gern, zumal du ja immer einen ganz köstlichen Tropfen anzubieten hast.«

      Sie gingen in die Bibliothek, machten es sich in den Sesseln gemütlich, nachdem Bettina ein zweites Glas und den köstlichen Chateau-Wein geholt hatte.

      »Wie kommt’s, dass du nicht bei Markus bist?«, wollte Bettina wissen. »Sind etwa die ersten dunklen Wolken bei euch aufgezogen?«

      Yvonne lachte.

      »Nein, damit kann ich nicht dienen, wir turteln wie am ersten Tag unseres Wiedertreffens, und daran wird sich nichts ändern. Markus ist die ganz große

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