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nochmals angesehen. Ich werde wohl die Praxis da drinnen aufmachen, das Haus kann ja nicht ewig leer stehen.«

      Das überraschte Bettina.

      Klar, es war mal die Rede davon gewesen, doch dann hatten Markus und Yvonne geheiratet, den alten Bauernhof gekauft, der jetzt restauriert wurde. Aber das alles war nebenher gelaufen. In der Hauptsache waren Markus und Yvonne doch damit beschäftigt gewesen, ein Kind zu zeugen. Speziell Yvonne war doch von einem solchen Gedanken geradezu besessen gewesen und hatte nichts unversucht gelassen, schwanger zu werden. Als sich herausgestellt hatte, dass eine Schwangerschaft nur Invitro möglich war, hatte sie einen Versuch nach dem anderen unternommen.

      Was also sollte es jetzt, daran zu denken, eine Kinderarztpraxis aufzumachen?

      Gut, Yvonne war eine hervorragende Kinderärztin, die ihre Praxis nur aufgegeben hatte, um für ihren kranken Adoptivvater da zu sein, dass der dann überraschend schnell gestorben war, damit hatte niemand rechnen können. Aber wegen Markus hätte sie auch so ihre Praxis aufgeben müssen, denn der war ortsgebunden, und ihr gefiel es in Fahrenbach ja auch.

      »Sag mal, Yvonne, ist mir da etwas entgangen? Du denkst daran, dich wieder als Kinderärztin niederzulassen? Was ist mit deinem Kinderwunsch?«

      Sofort schossen Yvonne die Tränen in die Augen.

      »Den kann ich mir doch abschminken. Das klappt niemals. Wieviel Versuche soll ich denn noch machen?«

      Sie wirkte wie ein Häufchen Elend, und am liebsten hätte Bettina sie tröstend in die Arme genommen.

      »Mach einfach mal eine Pause«, sagte sie stattdessen, »und dann kannst du es nochmals versuchen. Erzwingen kann man das nicht. Markus und du, ihr geht ja so richtig mit der Brechstange da ran, das ist nicht gut.«

      »Du hast gut reden, du hast mein Problem schließlich nicht.«

      »Wer weiß?«, entgegnete Bettina. »Ich habe noch nicht versucht, schwanger zu werden.«

      Es war schon merkwürdig, sie hatte sich immer Kinder gewünscht, und wie selbstverständlich vorausgesetzt, dass es auch sofort klappen würde, wenn sie es denn wollte. Was würde sein, wenn es auch bei ihr Probleme gäbe? Darüber hatte sie noch nicht nachgedacht.

      »Wahrscheinlich wirst du sofort schwanger, wenn du es werden willst«, sagte Yvonne. »Du strotzt nur so vor lauter Gesundheit.«

      »Du auch, Yvonne, und erinnere dich bitte daran, dass nicht du es bist, die die Probleme hat, sondern Markus.«

      »Welche Rolle spielt es schon, auf jeden Fall scheint unser Schicksal zu sein, kinderlos zu bleiben, und dann will ich wenigstens in meinem Beruf mit Kindern zu tun haben.«

      »Eine Adoption ist noch immer eine Alternative«, erinnerte Bettina.

      Yvonne winkte ab. »Du kennst doch Markus, der hat ein Problem damit, ein fremdes Kind aufzuziehen, freilich, die kleine Bettina würde er nehmen, da kennt man wenigstens die Mutter, und über den Vater lässt sich bestimmt auch einiges herausbekommen.«

      Das Thema hatten sie auch bereits hinter sich, dennoch ärgerte es Bettina immer wieder, dass, wenn Adoption, nur ein Kind infrage kam, über das man alles wusste.

      Yvonne war doch selbst ein Adoptivkind, weil Leni sie nach der Geburt hatte abgeben müssen. Ihre Eltern hatten nichts hinterfragt, sondern sich gefreut, auf diese Weise ein Kind zu bekommen, das ihnen sonst versagt geblieben wäre. Aber es war in erster Linie Markus, der sich querstellte.

      »Die kleine Bettina ist bei uns auf dem Hof gut aufgehoben, ich werde alles dransetzen, dass Veronika ihr Kind zu sich nimmt, wenn sie im Fahrenbach-Haus erst einmal Fuß gefasst hat. Die Stiftung meines Vaters sieht Hilfe auch für solche Fälle vor.«

      »Sie hätte es gut bei uns«, ignorierte Yvonne Bettinas Worte.

      »Das glaube ich, Yvonne. Aber ein Kind ist am besten bei seiner leiblichen Mutter aufgehoben. Im Moment würde Veronika ihr Kind abgeben, aber irgendwann würde sie es bereuen. Denk doch mal an dein eigenes Schicksal, denk daran, wie Leni gelitten hat.«

      Yvonne seufzte.

      »Ich bin ganz schön egoistisch, stimmt’s?«

      »Einsicht ist der Weg zur Besserung«, sagte Bettina. »Aber mal ganz im Ernst, ich würde mir das mit der Praxis wirklich noch überlegen. Markus ist kein armer Mann, der auf Mieteinnahmen angewiesen ist. Ob das Haus nun noch eine Weile leer steht oder nicht, bringt ihn nicht an den Bettelstab. Außerdem habt ihr doch auch mit dem Umbau noch genug zu tun. Mein Vater hat immer gesagt, dass man stets einen Schritt nach dem anderen machen soll, und daran halte ich mich und bin damit gut gefahren.«

      »Du hast ja recht«, erwiderte Yvonne. »Aber es ist so verdammt schwer, überall all das Babyglück zu sehen … Linde hat ihre Zwillinge, Babette die kleine Marie, und ich …«

      Bettina nahm die unglückliche junge Frau spontan in den Arm.

      »Du wirst auch ein Kind bekommen«, tröstete sie Yvonne, »du musst nur ganz fest daran glauben und darfst es nicht erzwingen wollen.«

      Du hast gut reden, hätte Yvonne am liebsten gesagt, doch sie verkniff sich diese Worte und sagte statt dessen: »Sollen wir im Gasthof noch einen Kaffee oder Tee trinken und auf Linde warten?«

      Bettina mochte Yvonne wirklich gern, aber es fiel ihr immer schwerer, Zeit mit ihr zu verbringen, weil diese sich von einer patenten jungen Frau in ein jammervolles Wesen verwandelt hatte.

      Außerdem musste sie wirklich zurück an ihre Arbeit, wer weiß, wann Linde wiederkommen würde.

      »Sei mir nicht böse, Yvonne, aber dazu langt meine Zeit jetzt nicht. Ich habe in der Destille wahnsinnig viel zu tun. Aber red doch mal mit Markus, wir können uns abends mal wieder treffen.«

      »Hm, ja, ich werd mit ihm reden«, versprach Yvonne, aber das klang nicht gerade überzeugend.

      »Sag doch gleich, dass du zu einem solchen Treffen keine Lust hast«, sagte Bettina.

      Yvonne wurde rot, weil sie sich ertappt fühlte.

      »Ich mag euch alle wirklich gern, aber im Moment habe ich keine Lust auf unverbindliche Gespräche, auf Lachen und so.«

      Klar, weil sie nur darauf fixiert war, schwanger zu werden und es in ihrem Leben für nichts anderes Platz gab.

      »Dann lass dich wenigstens oben auf dem Hof blicken. Leni vermisst dich und macht sich deinetwegen große Sorgen.«

      »Und genau deswegen komme ich nicht. Ich bekomme immer richtige Schuldgefühle, wenn ich in ihr sorgenvolles Gesicht sehen muss.«

      Bettina griff nach dem Lenker ihres Fahrrades.

      »Frau Dr. Herzog, Sie sind im Moment sehr schwierig«, sagte sie.

      »Ich weiß«, antwortete Yvonne, »und ich danke euch allen sehr, dass ihr es mit mir überhaupt aushaltet. Ich kann mich im Moment nämlich selbst nicht leiden.«

      »Einsicht ist der Weg zur Besserung«, lachte Bettina. »Yvonne, versuche einfach wieder du zu sein, so, wie du dich derzeit verhältst, machst du dir das Leben selbst nur schwer und erreichst nichts … und, Yvonne, es geht mich nichts an, aber wenn ich dir einen freundschaftlichen Rat geben darf. Schieb das mit der Praxis auf, es läuft dir nichts davon.«

      Sie ging ein Stückchen des Weges neben Bettina her, um zu ihrem Auto zu kommen.

      »Ich werd darüber nachdenken«, versprach sie, »und mit Markus werde ich auch reden, der würde sich bestimmt darüber freuen, euch zu treffen, Linde und du, ihr seid doch seine besten Freundinnen.«

      »So gefällst du mir schon besser«, rief Bettina, ehe sie sich auf ihr Fahrrad schwang. »Bis bald, Yvonne, und grüß Markus von mir.«

      Sie radelte davon.

      Hoffentlich wurde Yvonne bald schwanger, damit diese Jammerei endlich aufhörte, dachte sie, während sie kräftig in die Pedalen trat, um wieder auf den Hof zu kommen, wo sie sich wirklich sofort an die Arbeit machen

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