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kann damit nicht länger warten, und so entschuldige bitte diesen unromantischen Antrag, wenn wir uns wiedersehen, werde ich vor dir auf die Knie fallen und dir den romantischsten Heiratsantrag der Welt machen, aber bis dahin bitte ich dich, den Ring zu tragen, meiner steckt bereits an meinem linken Ringfinger, und ich muss ihn mir immerzu anschauen und an dich denken.

      Ich bin ein bisschen verrückt, aber eine innere Stimme sagt mir, dir diesen Antrag unbedingt vor meinem Abflug zu machen.

      Ich weiß, dass du ihn annimmst, weil du es schon vor mir wusstest.

      Wenn zwei Menschen zusammen gehören, dann soll es auch vor Gott und der Welt demonstriert werden.

      You are my heart, my soul, my everything,

      in ewiger Liebe, dein Jan.«

      Bettina ließ das Blatt sinken. You are my heart, my soul, my everything – du bist mein Herz, meine Seele, mein Ein und Alles.

      Jan hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht. Ihr sehnlichster Wunsch würde sich erfüllen, die Hochzeit ganz in Weiß in der Fahrenbach-Kapelle würde kein Traum bleiben, sondern Wirklichkeit werden.

      Warum jubelte sie nicht, warum war sie nicht außer sich vor lauter Glück? Weil er es ihr nicht persönlich gesagt hatte?

      Nein, das war es nicht.

      Heirat war immer etwas für Jan gewesen, was nicht wichtig gewesen war. Sie hatten deswegen bereits mehr als heiße Diskussionen gehabt.

      Und jetzt dieser Antrag …

      Bettina hatte auf einmal das Gefühl, eine eiskalte Hand umkrallte ihr Herz.

      So etwas passte nicht zu Jan.

      Fast schien es, als sei er von irgendeiner Macht getrieben worden. Von der Angst, es könne etwas Unvorhergesehenes passieren?

      Warum dachte sie so etwas? Warum konnte es nicht eine spontane Idee gewesen sein, geboren aus einer großen Liebe?

      Bettina war so durcheinander, dass sie den Ring vollkommen vergessen hatte, erst als sie aufstehen wollte, fiel ihr Blick auf das kleine Kästchen.

      Mit zitternden Fingern griff sie danach, löste das Band, riss achtlos das Papier auf, ließ den Deckel aufschnappen.

      Auf dunkelblauem Samt sah sie den schmalen schlichten Platinring.

      Sie holte ihn heraus, steckte ihn auf ihren linken Ringfinger. Er

      passte wie angegossen. Aber das war kein Wunder, Jan hatte ihr schon andere Ringe geschenkt und kannte ihr Ringgröße.

      Sie blickte auf ihre linke Hand.

      Jetzt war sie verlobt.

      Und nun?

      Warum wollte sich das Glücksgefühl noch immer nicht einstellen?

      Nur wegen ihrer unerklärlichen Angst, als sie sich voneinander verabschiedet hatten?

      So ging es nicht weiter. Sie konnte auch nicht länger im Büro herumsitzen. Sie brauchte frische Luft, damit ihr Kopf wieder frei wurde. Und sie musste unbedingt zur Kapelle, um dort Kerzen anzuzünden, dass Jan wieder gesund zu ihr zurückkommen würde.

      Ein stilles Gebet, einfach nur dazusitzen, Kerzen anzuzünden, das alles war für Bettina ein festes Ritual und half ihr immer. Auch diesmal würde es die Wirkung nicht verfehlen.

      Und dann … dann würde sie über sich selbst lachen können wegen ihrer verqueren Gedanken, die sich wie ein böser Geist in ihr festgesetzt hatten.

      Dann würde sie sich freuen können über Jans ungewöhnlichen Antrag und den Ring an ihrem Finger.

      Sie faltete seinen Brief zusammen und steckte ihn in ihre Jackentasche, um ihn so oft wie möglich lesen zu können, das Ringschächtelchen ließ sie in ihrer Schreibtischschublade verschwinden, der wattierte Umschlag landete im Papierkorb.

      Ehe sie ihr Büro verließ, blickte sie noch einmal auf ihre linke Hand, und jetzt kam allmählich so etwas wie ein Glücksgefühl in ihr auf.

      Jan hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht.

      *

      Da es ein erstaunlich milder Tag war, hatte Bettina sich entschlossen auf ihr Fahrrad geschwungen, um zur Kapelle zu radeln.

      Sie liebte die sanfte Hügellandschaft ihrer Heimat, mit dem satten Grün der Wiesen, den Feldern und den Wäldern, die Fahrenbach wie ein beschützender Wall umschlossen. Die Höfe waren wie hingetupft, und Bettina hoffte aus tiefster Seele, dass es ewig so bleiben würde, dass nicht weitere Bauern den Verlockungen des Geldes erliegen und ihre Höfe aufgeben würden, nachdem viel Land zur Bebauung freigegeben worden war.

      Der Huber-Bauer hatte den Anfang gemacht, und das Neubaugebiet verschandelte den ganzen Ort. Zum Glück lag es oberhalb des Ortskerns.

      Markus und Yvonne hatten den Hof des Bauern Lingen erworben, doch die waren dabei, aus dem Anwesen ein Schmuckstück zu machen und es in aller, ursprünglicher Pracht wieder auferstehen zu lassen, dabei beseitigten sie all die Schandflecken, die im Laufe von Jahrzehnten entstanden waren.

      Zum Glück waren die alten Fahrenbacher sehr bodenständig und hingen an ihrer Heimat. So etwas wie in Bad Helmbach würde ganz gewiss nicht entstehen.

      Da war alles zugebaut, ganz besonders der See, von dem man eigentlich nur ein bisschen mitbekam, wenn man auf einer Hotelterrasse saß.

      Der Fahrenbach-See würde in seiner Ursprünglichkeit erhalten bleiben, auch wenn das Gelände ringsum Bauland geworden war. Der gehörte zum Glück den Fahrenbachs, und Bettina wusste, was sie zu tun hatte – alles Ererbte für die nächste Generation zu erhalten, so wie es die Generationen vor ihr bereits getan hatten.

      Viele Leute konnten sie nicht verstehen, ganz besonders ihre Geschwister Frieder und Grit nicht, die hätten längst alles zu Geld gemacht, auch den Hof. Nun, ihr Vater hatte sich wohl etwas dabei gedacht, den Fahrenbach-Hof mit allem, was dazu gehörte, ihr zu vererben.

      Erst hatten sie sie alle bedauert, weil ausgerechnet ihr, Papas Liebling, nicht mehr vom großen Kuchen übrig geblieben war.

      Grit hatte sofort die Familienvilla samt Inventar für viele Millionen verkauft.

      Frieder hatte sich als erste Amtshandlung einen Porsche mit allen Schikanen zugelegt. Nein, das stimmte doch nicht, seine erste Amtshandlung war gewesen, ihr den Stuhl vor die Tür zu setzen, nachdem er Erbe des Weinkontors Fahrenbach geworden war, samt einem beachtlichen finanziellen Polster.

      Was dann gekommen war, war wirklich so etwas gewesen wie die Geschichte eines Mannes, der sich eines seiner gesunden Beine hatte abhacken lassen, um zu sehen, wie man mit einem Holzbein gehen kann.

      Er hatte viele der alten Lieferanten entweder vor die Tür gesetzt oder vergrault, ein Vermögen in den Sand gesetzt, um ein Modegetränk auf dem Markt zu etablieren, den Firmensitz umgestaltet und … und … und …

      Bettina mochte überhaupt nicht mehr darüber nachdenken, und sie war froh, als sie die kleine Kapelle vor sich sah, die einer ihrer Vorfahren hatte bauen lassen.

      Sie stellte ihr Fahrrad in der Kehre ab, in der sonst Autos geparkt wurden, dann ging sie den Rest des Weges zu Fuß, immer an dem kleinen Bach entlang, der sich munter plätschernd den Hügel hinunterschlängelte, um sich unten im Dorf mit dem träge dahinströmenden Fluss zu vereinen.

      Bettina wollte gerade die schwere Eichentür öffnen, als diese von innen geöffnet wurde und jemand herauskam.

      Das passierte hier und da, die Kapelle wurde nicht nur bei Hochzeiten, Kindtaufen oder Trauerfeiern der Fahrenbacher frequentiert, sondern sie kamen auch, um einfach zu verweilen, zu beten oder um Kerzen anzuzünden, Blumen zu bringen oder einfach nur, um die Kapelle sauberzumachen.

      Aber wer jetzt aus der Kapelle kam, das war niemand aus Fahrenbach, sondern es war ihr neuer Gast, Frau Steinbrecher.

      Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass sie geweint hatte, etwas, was zu dem ersten Eindruck passte, sie war verwirrt

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