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und ge­dämpf­tes Licht, durch Tep­pi­che und Vor­hän­ge wa­ren sei­ne Ar­beits­räu­me zu Stil­le und Schaf­fens­se­lig­keit ge­stimmt; eine Men­ge klei­ner Be­quem­lich­kei­ten soll­te die Ar­beit er­leich­tern. Die­ses Stu­dier­zim­mer war Gu­stavs ei­gens­tes Werk, denn Sel­ma hat­te kei­nen ent­wi­ckel­ten Ge­schmack, wie die von ihr be­wohn­ten, mit lau­ter Flit­ter be­häng­ten Zim­mer be­wie­sen. Da­ge­gen war sie mit frau­li­cher Sorg­falt be­flis­sen, dem Ge­lieb­ten jede Stö­rung fern­zu­hal­ten; kein Mäu­schen durf­te sich rüh­ren, wäh­rend er ar­bei­te­te. Die ge­fei­er­te Schau­spie­le­rin, die vor der Öf­fent­lich­keit in die­ser Ehe die Haupt­per­son war, trat im Hau­se so gänz­lich vor den Be­dürf­nis­sen und Ge­wohn­hei­ten des Man­nes in den Hin­ter­grund, wie man es kaum von der un­be­deu­tends­ten al­ler Frau­en hät­te er­war­ten kön­nen. Es war ein frei­wil­li­ges Lie­bes­op­fer, das er als et­was Selbst­ver­ständ­li­ches hin­nahm. Wer die Um­stän­de nicht kann­te, hät­te nie ver­mu­ten kön­nen, dass die Frau es war, die die Mit­tel zu dem sor­gen­lo­sen Da­sein schaff­te. Im Hau­se ver­kehr­ten nur Freun­de und Be­kann­te des Man­nes; mit ih­ren Kunst­ge­nos­sen pfleg­te sie au­ßer­halb der Büh­ne kei­nen Um­gang. Es war ge­ra­de­zu, als ob sie ih­ren Stolz dar­ein setz­te, die Künst­le­rin ganz hin­ter der lie­ben­den Frau ver­schwin­den zu las­sen.

      Da­mals lern­te ich einen ge­wis­sen Dr. Ber­ka, einen Buch­men­schen ken­nen, der Borck wie sein Schat­ten be­glei­te­te. Was sein ei­gent­li­cher Be­ruf war, habe ich nicht er­fah­ren; im Hau­se hat­te er die Auf­ga­be, die Bro­sa­men auf­zu­le­sen, die vom Ti­sche des Rei­chen fie­len. »Un­sern Ecker­mann« nann­te ihn Sel­ma, die glück­lich war; dass ihr Mann einen so er­ge­be­nen Be­wun­de­rer ge­fun­den hat­te.

      Sel­ten hat mir ein Mensch auf den ers­ten Blick miss­fal­len wie die­ser Ber­ka. Er war von klei­ner, un­an­sehn­li­cher Ge­stalt, mit über­großem Kopf und fah­lem Ge­sicht, über das es fort­wäh­rend wie Amei­senkrib­beln lief. Der Auss­pra­che nach muss­te er ir­gend­wo an der pol­ni­schen Gren­ze zu Hau­se sein. Au­gen­schein­lich war er sehr be­le­sen und be­saß ein un­ge­wöhn­li­ches Ge­dächt­nis für an­de­rer Leu­te Ge­dan­ken, die er je­den Au­gen­blick mit über­ra­schen­der Schlag­fer­tig­keit ins Feld füh­ren konn­te.

      Er ist ganz Hirn, sag­te Gu­stav von ihm, er hat we­der Sin­ne noch See­le, al­les nimmt bei ihm den Weg über das Den­ken. Da­für ist es aber auch in sei­nem Kop­fe so hell, wie in kei­nem an­dern Men­schen­kopf, den ich ken­ne, und die­se Na­tur­er­schei­nung be­schäf­tigt mich im­mer aufs neue.

      Da ich ge­wohnt war, mein Ur­teil dem Ur­teil Gu­stavs un­ter­zu­ord­nen, nahm ich mir vor, den un­er­freu­li­chen Ge­sel­len un­ter al­len Um­stän­den er­träg­lich zu fin­den.

      Am zwei­ten Abend soll­te Sel­ma in ei­nem neu ein­ge­üb­ten fran­zö­si­schen Stück auf­tre­ten. Gleich­wohl hat­te sie dar­auf be­stan­den, ich müs­se auch die­sen Mit­tag ihr Gast sein. Aber sie litt an un­er­träg­li­chem Lam­pen­fie­ber und konn­te nicht ru­hig auf dem Stuh­le sit­zen, des­halb zo­gen wir bei­den Män­ner nach der Mahl­zeit uns gleich in Gu­stavs Ar­beits­zim­mer zu­rück, wo­hin uns der Kaf­fee nach­ge­bracht wur­de. Sel­ma in ei­nem gelb­sei­de­nen Haus­ge­wand von ori­en­ta­li­schem Schnitt, die schö­nen Haa­re ein­fach auf­ge­wun­den – wenn sie abends spiel­te, blieb sie den gan­zen Tag im Mor­gen­rock –, ging in ih­rer Un­ru­he rast­los aus und ein. Bald setz­te sie sich ganz nahe zu uns, wie wenn hier Schutz vor der Auf­re­gung zu fin­den wäre, bald sprang sie jäh­lings auf und eil­te hin­aus, als hät­te sie et­was Wich­ti­ges ver­ges­sen. Ich be­gann mich mit ihr und für sie zu ängs­ten, da ich dach­te, sie füh­le sich viel­leicht in ih­rer Rol­le nicht si­cher, Gu­stav aber saß mit über­ge­schla­ge­nen Bei­nen und rauch­te ge­las­sen.

      Sei ganz ru­hig um ih­ret­wil­len, sag­te er. Es ist das bes­te, du gibst auf ih­ren Zu­stand gar nicht acht. Ich habe mich schon dar­an ge­wöhnt. Es ist je­des Mal so, wenn sie auf­tritt. Das wächst jetzt von Stun­de zu Stun­de, und wenn heu­te Abend der Wa­gen kommt, sie ab­zu­ho­len, so wird es sein, als ob eine Tod­kran­ke weg­ge­führt wür­de. Aber es dau­ert nur so lan­ge, bis sie auf der Büh­ne steht. Beim ers­ten Wort, das sie spricht, fällt die Angst von ihr ab und sie ist völ­lig Her­rin ih­rer selbst. Das heißt: wenn ich nicht zu­ge­gen bin, denn mei­ne An­we­sen­heit macht sie im­mer un­si­cher, ich be­grei­fe nicht, warum.

      Ich hät­te es ihm sa­gen kön­nen, es war das vie­le Hof­meis­tern und Bil­den­wol­len, wo­mit er die Arme um ihre Un­be­fan­gen­heit brach­te.

      Das geht so weit, fuhr er fort, dass ich je­des Mal zu Hau­se blei­ben muss, wenn sie in ei­ner neu­en Rol­le auf­tritt. Aber heu­te Abend wol­len wir sie Bei­de be­wun­dern. Ich habe mir heim­lich zwei ganz ver­steck­te Lo­gen­plät­ze ne­ben ei­ner Säu­le ver­schafft, wo sie uns nicht ver­mu­tet. Sie darf kei­ne Ah­nung ha­ben, dass wir da sind. Ich bin ge­wiss, sie wird hin­rei­ßend sein. Wir ha­ben das Stück zu­sam­men durch­ge­nom­men, ich fin­de es ab­ge­schmackt, aber ich muss zu­ge­ben, es »liegt« ihr. Ich wer­de nie ein Stück schrei­ben, das ihr so liegt wie die­ser neue Sar­dou.

      Es ging ganz so, wie Borck vor­her­ge­sagt hat­te. Sel­ma trat her­aus, von ei­ner freu­di­gen Be­we­gung im Zuschau­er­raum be­grüßt. Von ih­rer Angst war ihr nichts mehr an­zu­se­hen, sie war strah­lend schön und spiel­te mit ei­ner in­ne­ren Wahr­heit, die aus der öden Rüh­rig­keit ih­rer Rol­le ein un­mit­tel­ba­res mensch­li­ches Füh­len mach­te, und stei­gen­der Bei­fall dank­te ihr nach je­dem Akt­schluss. Wir bei­de wa­ren in völ­li­ger Selbst­ver­ges­sen­heit hin­ter der Säu­le her­vor­ge­tre­ten, um bes­ser zu se­hen. Da stock­te sie mit­ten im Spiel und sah einen Herz­schlag lang wie an­ge­wur­zelt zu uns her­über, sie war Gu­stavs an­sich­tig ge­wor­den. Um sie an­zu­feu­ern, mach­te er ganz lei­se die Ge­bär­de des Hän­de­klat­schens, die wie ein Si­gnal auf die Ne­ben­sit­zen­den wirk­te, denn plötz­lich er­hob sich aus un­se­rer Rei­he ein Bei­fall, der von Ga­le­rie zu Ga­le­rie lief und am Ende al­les mit­riss, so­dass ge­gen jede Ge­wohn­heit der Schau­spie­le­rin mit­ten im Auf­tritt eine brau­sen­de Hul­di­gung dar­ge­bracht wur­de. Ihr gu­ter Ge­ni­us hat­te es so ge­fügt, dass je­nes Zu­sam­men­fah­ren und Er­star­ren ge­ra­de auf den Au­gen­blick pass­te und als ein Gip­fel­punkt ih­rer Kunst er­schi­en. Nach dem Akt­schluss wur­de ihr ein mäch­ti­ger Lor­beer­kranz mit flam­mend­ro­ten Bän­dern auf die Büh­ne ge­reicht.

      Se­lig wan­del­te sie an je­nem Abend an Gu­stavs Arm nach Hau­se, ich muss­te noch hel­fen, ih­ren Tri­umph, der ihr erst durch sei­nen Bei­fall zu ei­nem voll­stän­di­gen ge­wor­den war, in Cham­pa­gner zu fei­ern. Als die Glä­ser leer wa­ren, ließ sie sich durch das Mäd­chen den schwe­ren Lor­beer­kranz her­ein­ho­len und zer­pflück­te ihn auf ih­rem Schoß zu tau­send Blät­tern. Die­se schüt­te­te sie dann, sich plötz­lich er­he­bend, aus den Fal­ten ih­res Klei­des alle dem Man­ne zu Fü­ßen und sag­te, in­dem sie bei ihm nie­der­knie­te:

      Der Lor­beer ist für den schaf­fen­den Künst­ler, des­sen Ge­bil­de dau­ern. Ich kann nur nach­ge­stal­ten, und was ich gebe, das ist im nächs­ten Au­gen­blick nicht mehr. Des­halb ver­lan­ge ich auch kei­nen Ruhm als den, sein Weib zu sein.

      In ih­ren schö­nen Au­gen, die trun­ken wa­ren vom Er­fol­ge die­ses Abends, glänz­te die tiefe­re Wol­lust, so von ih­rem Thron her­ab­zu­stei­gen und ihr Haupt auf die Knie des ge­lieb­ten Man­nes zu le­gen.

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