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mit der dä­mo­ni­schen, all­ver­til­gen­den Wild­heit, von der er sei­nen Ar­min be­ses­sen zeig­te, nicht ver­ein­bar.

      Was wird aber aus dei­nem Hel­den, wenn er ge­siegt hat? frag­te Olaf ein­mal nach­denk­lich. Wie wird dem ehe­ma­li­gen rö­mi­schen Rit­ter, der die Kunst der Grie­chen kennt und über den Pla­ton mit­re­det, das Le­ben im ger­ma­ni­schen Ur­wald wie­der mun­den?

      Eine wohl­be­rech­tig­te Fra­ge, lä­chel­te Gu­stav. Der Dich­ter wird da­für sor­gen müs­sen, dass dem Hel­den kei­ne Zeit bleibt, sie sich vor­zu­le­gen. Erst muss er die Rö­mer un­ter Ger­ma­ni­kus ein zwei­tes Mal ver­ja­gen. Dann kommt der deut­sche Dank. Die ger­ma­ni­schen Stäm­me wol­len ja gar kein ge­mein­sa­mes Ober­haupt, am we­nigs­ten eins aus ei­ge­nem Blu­te. Lie­ber rö­misch als che­rus­kisch, murrt es um ihn her. Das Mur­ren wächst mit sei­nen Er­fol­gen. Und wo­für sind die Ver­wand­ten da, der Oheim In­go­mar und der Schwie­ger­va­ter? Sein Weib den Rö­mern aus­ge­lie­fert, sein un­ge­bo­re­ner Sohn ein Skla­ve, um ihn selbst die Fall­stri­cke der Ver­schwö­rung! und über sei­ner Lei­che fal­len die ge­ein­ten Stäm­me wie­der aus­ein­an­der.

      Gu­stav, Gu­stav, was machst du? Das ist jam­mer­voll, sag­te Olaf.

      Es ist Hel­den­los, und vor al­lem deut­sches. Oder weißt du es an­ders, Olaf? ant­wor­te­te die­ser.

      Die lan­gen Krank­heits­wo­chen reif­ten den Jüng­ling mehr als sei­ne vier Se­mes­ter Uni­ver­si­tät. Er re­de­te jetzt ohne zu sto­cken über die höchs­ten und tiefs­ten Din­ge, und aus sei­nen großen blau­en Au­gen strahl­te schon ein Licht aus an­de­ren Wel­ten. Er wuss­te, dass sein Tag sich neig­te, aber er sprach nicht dar­über. Nur ein­mal sag­te er zu mir:

      Gu­stav Borck wird ein ganz großer Dich­ter wer­den, und ihr alle wer­det den Sie­ges­zug sei­nes »Be­frei­ers« mit­er­le­ben. Nur ich wer­de nicht da­bei sein. Dann klat­schet auch für mich, und du, Har­ry, schi­cke ihm in mei­nem Na­men einen Lor­beer­kranz.

      Es war zum Lä­cheln und zum Wei­nen, wie der kind­li­che Mensch mir aus ei­nem Beu­tel­chen ein ein­ge­wi­ckel­tes Gold­stück übergab und dazu den Fin­ger an den Mund leg­te.

      In ei­nem mil­de­ren Kli­ma wäre er viel­leicht ge­ne­sen. Aber an der­glei­chen dach­te man in den da­ma­li­gen en­gen deut­schen Ver­hält­nis­sen we­nig. Man nahm den Ort, an den man vom Zu­fall ge­stellt war, als et­was Gott­ge­ge­be­nes, das nicht in Fra­ge ge­zo­gen wur­de.

      Den­noch kehr­te er noch ein­mal auf die Erde zu­rück und saß wie­der die Aben­de im klei­nen Stüb­chen ne­ben der An­rich­te, wo Ade­le, fühl­los ge­gen sein stum­mes Lie­bes­wer­ben, nur mit den Au­gen an Gu­stav Borck hing.

      Die­ser aber war in ei­ner fürch­ter­li­chen Lau­ne. Der rei­che Gön­ner, der die Vor­schüs­se gab, be­stand dar­auf, dass er im Herbst die ers­te ju­ris­ti­sche Prü­fung ab­le­ge, und Gu­stav muss­te ge­hor­chen, denn es han­del­te sich um Sein oder Nicht­sein. Über den Aus­gang brauch­te er sich bei sei­nem glän­zen­den Kopf kei­ne Sor­ge zu ma­chen, er hat­te ja auch trotz dem poe­ti­schen Fie­ber, das ihn ver­zehr­te, ge­wis­sen­haft sei­ne Stu­di­en fort­ge­trie­ben. Aber der Ar­mi­ni­us muss­te ins Schub­fach zu­rück­wan­dern und die Ge­sich­te ver­blass­ten. – Man be­griff sei­ne Miss­s­tim­mung, und nie­mand ver­arg­te es ihm, wenn er als stum­mer Gast am Ti­sche saß, mit fins­te­rem Ge­sicht Rauch­krin­gel in die Luft blies und Ade­les köst­li­ches Ge­bräu mit ei­ner Mie­ne schlürf­te, als ob es Gift wäre. Aber ge­heu­er war es in sei­ner Nähe nicht, und ei­ner nach dem an­dern blieb weg. Zu­letzt kam au­ßer ihm und mir nur noch Olaf, und je­der las schwei­gend ein Stück der aus­ge­leg­ten Zei­tung, in die wir uns teil­ten. Auch in sei­nem ver­düs­ter­ten Zu­stand zog es Gu­stav Borck zu Olaf Han­sen, als ob bei ihm, bei sei­nem in­ne­ren Blü­hen, al­lein noch Frie­den und Har­mo­nie zu fin­den wä­ren. Und Olaf, der gar nichts vom Le­ben for­der­te, ge­noss die letz­ten Atem­zü­ge, die ihm noch ver­stat­tet wa­ren, wie ein Ge­schenk der Göt­ter.

      Da brach­te der dümms­te, ge­meins­te al­ler Zwi­schen­fäl­le das Ver­häng­nis.

      Ei­nes Abends, als Olaf al­lein im Stüb­chen saß, kam ein Korps­stu­dent in an­ge­trun­ke­nem Zu­stand aus dem obe­ren Ge­lass her­un­ter und be­gann Ade­le in ih­rer An­rich­te auf täp­pi­sche Wei­se zu be­läs­ti­gen. Olaf er­hob sich be­bend, um ihm ent­ge­gen­zu­tre­ten, aber der Roh­ling, der ihn nicht kann­te und wahr­schein­lich für einen Kna­ben hielt, warf den Kran­ken la­chend an die Wand. In die­sem Au­gen­blick trat Gu­stav her­ein, er stürz­te sich auf den An­grei­fer und gab ihm einen Schlag ins Ge­sicht. Ein Lärm ent­stand, die Kom­mi­li­to­nen des Ge­schla­ge­nen, der blind­lings um sich hieb, eil­ten her­un­ter und führ­ten den Wü­ten­den weg. Ein Zwei­kampf war un­ver­meid­lich. Die Kar­tell­trä­ger gin­gen hin und her, der Geohr­feig­te ließ Gu­stav auf Sä­bel for­dern, die­ser aber er­klär­te, ob­wohl er ein ge­wand­ter Fech­ter war, sich nur auf Pis­to­len zu schla­gen. Ver­ge­bens such­ten sei­ne Freun­de ihn an­de­ren Sin­nes zu ma­chen im Hin­weis auf das hö­he­re Ziel, dem sein Le­ben ge­hör­te.

      Gera­de des­halb, ant­wor­te­te er und be­stand auf sei­nem Wil­len.

      Als wir nach dem Ort des Zwei­kamp­fes, ei­nem Wäld­chen bei Lust­nau, fuh­ren, zeig­te er eine Hei­ter­keit und Auf­ge­räumt­heit, die man seit lan­gem nicht an ihm kann­te. Spä­ter ge­stand er mir, er habe das Duell als ein Got­tes­ur­teil zwi­schen sich und sei­nem Ge­ni­us, der ihn ver­las­sen zu ha­ben schi­en, be­trach­tet.

      Al­les ver­lief streng nach dem Her­kom­men: die vor­ge­schrie­be­nen Ver­söh­nungs­ver­su­che der Se­kun­dan­ten, das La­den der Pis­to­len usw. Beim zwei­ten Ku­gel­wech­sel er­hielt Gu­stav einen Streif­schuss in den lin­ken Obe­r­arm, denn er war mit der lin­ken Sei­te vor­ge­tre­ten, da er, wie ich erst jetzt ent­deck­te, ein Links­hän­der war. Da­mit war der Zwei­kampf be­en­det. Die Wun­de wur­de ver­bun­den, die Geg­ner ver­söhn­ten sich und wir fuh­ren in der glück­lichs­ten Stim­mung in die Stadt zu­rück zu ei­nem Früh­schop­pen. Als ich nach Hau­se kam, hör­te ich, Olafs Mut­ter habe nach mir ge­schickt. Die Auf­re­gung hat­te den Halb­ge­ne­se­nen aufs neue nie­der­ge­wor­fen, ob­wohl der Be­lei­di­ger so rit­ter­lich ge­we­sen war, ihn, ehe er zum Ku­gel­wech­sel mit Gu­stav Borck an­trat, um Ver­zei­hung bit­ten zu las­sen. Ich eil­te in Olafs Woh­nung und fand die ers­te me­di­zi­ni­sche Grö­ße an sei­nem Bett, die dem Kran­ken und sei­ner Mut­ter tröst­li­che Wor­te sag­te, mir aber im Hin­aus­ge­hen kei­nen Zwei­fel ließ, dass sein Zu­stand hoff­nungs­los war. Und doch wehr­te sich die zar­te Na­tur mit wun­der­ba­rer Wi­der­stands­kraft noch durch eine Rei­he von Ta­gen. Auch Gu­stav und die an­dern Freun­de ka­men, denn er woll­te alle noch se­hen. Es schi­en uns un­fass­bar, ihn zu ver­lie­ren, und dass das Schö­ne, das jetzt war, auf­hö­ren soll­te zu sein. Denn je mehr sei­ne Kräf­te schwan­den, de­sto blü­hen­der und se­ra­phi­scher wur­de sein gan­zes We­sen.

      Ei­nes Ta­ges, als es be­son­ders schlecht mit ihm stand, las ich mehr in sei­nen Au­gen als von sei­nen Lip­pen die Fra­ge nach Ade­le.

      Blitz­schnell dach­te ich mir eine from­me Lüge aus.

      Willst du sie se­hen, Olaf? Sie kommt täg­lich nach dir fra­gen.

      Sie kommt hier­her? Zu mir?’

      Sie wäre glück­lich, dich zu se­hen.

      O

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