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ihn.

      Still, gleich wird es ge­sche­hen, hör­te man ihn ge­heim­nis­voll sa­gen. Gleich, gleich jetzt, das Wun­der ist nahe.

      Gu­stav! sag­te sie ganz laut, was tä­test du, wenn ich ins Was­ser sprän­ge?

      Er rich­te­te sich halb auf und sag­te noch im­mer in sei­nem ver­träum­ten Ton:

      Ich lie­ße dich sin­ken und sän­ge wei­ter. Dem Leid ent­blüh­te das schöns­te Lied.

      Wür­de das dich glück­lich ma­chen, Gu­stav? frag­te die lei­den­schaft­li­che Frau.

      Ge­sang ist Glück, es gibt kein an­de­res. Schön ist das Le­ben, schön ist die Lie­be, doch der schöns­te Sang ist der Sang vom Tod. So stirb, Ge­lieb­te, dass ich ihn sin­ge.

      Noch hat­te er nicht aus­ge­spro­chen, so lag Sel­ma im Was­ser, das hoch auf­rausch­te.

      Ich dach­te: Träu­me ich das oder sind wir alle drei wahn­sin­nig? – denn einen Au­gen­blick sah ich sie mit­ten in ih­ren ge­bausch­ten Rö­cken auf der Flut sit­zen wie eine Was­ser­li­lie in ih­rem Blatt­werk. Dann ver­sank sie.

      Ich hat­te schon die Ru­der fah­ren las­sen und sprang ihr nach. Ne­ben mir tauch­te Gu­stav un­ter. Wir zo­gen sie her­auf, aber sie hat­te Was­ser ein­ge­at­met und schi­en am Er­sti­cken, denn sie gab schreck­li­che, keu­chen­de Töne von sich und schlug mit den Ar­men, dass wir sie kaum hal­ten konn­ten.

      Gu­stav klam­mer­te sich mit ihr an die Boots­wand, ich schwang mich über Bord und half von in­nen nach, so brach­ten wir sie glück­lich ins Tro­cke­ne. Ich ru­der­te aus al­len Kräf­ten zu­rück, wäh­rend er die Be­sin­nungs­lo­se rieb und klopf­te und sich ver­zwei­felt um sie be­müh­te. Die At­mung hat­te sich zwar von selbst wie­der­her­ge­stellt, aber die Frau lag to­des­blass und re­gungs­los mit ge­schlos­se­nen Au­gen auf der Bank aus­ge­streckt, wo kurz zu­vor Gu­stav in sei­nen Träu­me­rei­en ge­le­gen hat­te.

      Die­ser war wie ver­wan­delt.

      Stirb nicht, Sel­ma, stirb nicht, fleh­te er ge­ängs­tet.

      So tru­gen wir bei­den Trie­fen­den die Trie­fen­de in den Gast­hof zu­rück. Ein Arzt wur­de ge­ru­fen, man ent­klei­de­te sie, wärm­te sie und brach­te sie zu Bet­te. Gu­stav war in sol­cher Auf­re­gung, dass ich im Ne­ben­zim­mer, das sein Ar­beits­raum war, die hal­be Nacht mit ihm ver­brin­gen muss­te, um ihn zu trös­ten, wäh­rend er angst­voll auf und ab ging, sich selbst mit An­kla­gen über­häu­fend.

      Ich ma­che sie un­glück­lich. Aber ich kann es nicht än­dern. Ich hät­te nicht hei­ra­ten dür­fen, Kuno Schüt­te hat es mir vor­aus­ge­sagt. Ich kann ihn ja nicht ab­wer­fen, den Zwang mei­nes De­spo­ten. Wie soll je ein Weib si­cher an mei­ner Brust ru­hen? Ich bin ein schlech­ter Sohn, ein schlech­ter Gat­te, ein schlech­ter Staats­bür­ger, denn al­les Le­ben hat für mich nur Wert, so­weit es sich in Dich­tung ver­wan­deln lässt. Ich habe Stun­den, wo ich dem Nero nach­füh­len kann, wie er Rom in Brand steckt, um die Flam­men von Tro­ja zu sin­gen. Ich kann zum Un­hold wer­den. Aber sie wuss­te es ja. Sie hät­te mich nicht neh­men dür­fen.

      Schließ­lich bist du doch für sol­che Über­spannt­hei­ten nicht ver­ant­wort­lich, ent­geg­ne­te ich tro­cken, denn ich hat­te mich über Sel­mas Un­ver­stand herz­lich ge­är­gert.

      Oh, du weißt nicht, welch grau­sa­me Wor­te ich oft zu ihr ge­spro­chen habe, war sei­ne Ant­wort. Das arme Weib! Sie liebt mich zu sehr. Es tut nicht gut.

      So sich an­kla­gend und sein In­ne­res un­barm­her­zig bloß­le­gend, wühl­te er rast­los um­her, bis er sich über­zeug­te, dass die Kran­ke ne­ben­an ge­sund und ru­hig schlum­mer­te. Da leg­te er plötz­lich am Tisch­chen, wo ich saß, den Kopf auf die Arme und ent­sch­lief gleich­falls.

      Als ich mich am Vor­mit­tag ver­ab­schie­de­te, lag Sel­ma blass, aber glück­se­lig lä­chelnd in dem tie­fen Lehn­stuhl. Eine Auss­pra­che zwi­schen den Gat­ten muss­te vor­an­ge­gan­gen sein, denn bei­de hat­ten ver­wein­te Au­gen und wa­ren zärt­li­cher als je zu­sam­men.

      Ich bin so glück­lich, sag­te sie, als Gu­stav sich auf einen Au­gen­blick ent­fern­te. – Es war eine har­te Pro­be. Ich war schon ge­stor­ben, und Ster­ben ist fürch­ter­lich. Aber ich weiß es jetzt si­cher, dass er mich liebt. Ich will ihm ja ge­wiss nie wie­der einen sol­chen Schre­cken ver­ur­sa­chen. Und se­hen Sie, auch mein Ta­lis­man ist un­be­schä­digt aus dem Bade ge­kom­men.

      Sie mein­te Gu­stavs Kin­der­bild und ein Löck­lein sei­nes hel­len Kin­der­haars, das heim­li­che Ge­schenk sei­ner Mut­ter, das sie zur Hoch­zeit von die­ser er­hal­ten hat­te. Es war das ein­zi­ge freund­li­che Zei­chen, das ihr von sei­ner Fa­mi­lie zu­teil wur­de, denn aus Vor­ur­teil ge­gen die Schau­spie­le­rin schrie­ben sie ihr auch die Schuld an sei­nem zwei­ten Be­rufs­wech­sel zu und hat­ten je­den Ver­kehr von vorn­her­ein ab­ge­lehnt. Um so hö­her schätz­te sie die­ses An­ge­bin­de; es war ihr das Teu­ers­te, was sie be­saß, und sie trug es an dem dün­nen, gol­de­nen Kett­lein in der gol­de­nen Kap­sel, wie sie es er­hal­ten hat­te, un­ter dem Klei­de auf der Brust.

      Im Früh­jahr rief mich eine Fa­mi­li­en­an­ge­le­gen­heit nach Ame­ri­ka zu­rück, aber ich woll­te Eu­ro­pa nicht ver­las­sen, ohne mein den Freun­den ge­ge­be­nes Ver­spre­chen wahrzu­ma­chen und sie in ih­rem jun­gen Heim in Stutt­gart zu be­su­chen. Ich kam von ei­ner Fuß­wan­de­rung im He­gau her und stieg zu­erst in der al­ten Uni­ver­si­täts­stadt aus. Dort fand ich nur noch Kuno Schüt­te, der eben da­bei war, sei­nen phi­lo­so­phi­schen Dok­tor zu ma­chen. Alle die lie­ben Orte such­ten wir noch ein­mal zu­sam­men auf und schmück­ten auch die Grä­ber Olafs und Ade­lens.

      Als ich aber das End­ziel mei­ner Rei­se nann­te, ver­fins­ter­te sich Ku­nos Ge­sicht; er war noch im­mer nicht mit des Freun­des Hei­rat aus­ge­söhnt.

      Der Dich­ter muss ein blin­der Bett­ler sein, der nichts be­sitzt als sei­ne Lie­der, sag­te er. Dann ist er all­mäch­tig, dann wird er un­s­terb­lich. Ein wohl­ge­pfleg­ter, ge­hät­schel­ter Ehe­mann, der zwi­schen zwei Mahl­zei­ten be­hag­lich sei­ne Dra­men schreibt, ist kein Dich­ter mehr. Was hat er denn ge­schaf­fen, seit er die Ehre hat, Frau Sel­ma Ha­nusch-Borcks Gat­te zu hei­ßen? Ich habe sein jüngs­tes Stück ge­se­hen – das hät­te ein An­de­rer auch ge­konnt! Sind das Auf­ga­ben für einen Gu­stav Borck? Man spürt noch die Lö­wen­klaue, ja, aber wo bleibt der Löwe?

      Er wird wie­der­kom­men, wenn der ers­te Rausch ver­flo­gen ist, trös­te­te ich.

      Den Teu­fel wird er! war die un­wir­sche Ant­wort. Die­ses Stutt­gart ist sein Ka­pua. Was stellt sich Sel­ma un­ter ei­ner voll­kom­me­nen Ehe vor? Den Mann ent­waff­nen, ihm die Sim­sons­lo­cken ab­schnei­den, dass er über dem Tän­del­spiel sein Werk ver­gisst. Um ihm die Freun­de zu ent­frem­den, schmei­chelt sie ihm, bis er sich für den Mit­tel­punkt des Erd­krei­ses an­sieht und kei­nen Um­gang mehr er­trägt, der die­se Ton­art nicht auf­nimmt. Ich sah es ja kom­men. Täg­lich trinkt er aus dem ver­gif­te­ten Be­cher und merkt es nicht. Selbst die un­glück­li­che, schmach­ten­de Ade­le wäre eine bes­se­re Frau für ihn ge­we­sen.

      Der arme Kuno fängt an zu ver­knö­chern, dach­te ich. Und na­tür­lich fand ich sei­ne Schwarz­se­he­rei wie­der sehr über­trie­ben. Auch sonst war er mir un­heim­lich ge­wor­den. Stu­di­um und Ab­tö­tung hat­ten ihn in der Zwi­schen­zeit noch mehr aus­ge­zehrt und das Geis­ter­haf­te sei­nes Ge­sichts trat stär­ker

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