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wie ein Wet­ter­strahl den Schul­di­gen, und der Feld­herr, von Ar­min be­stärkt, re­det sich ein, dass mit dem Blut ei­nes rö­mi­schen Le­gio­närs das Blut ei­nes al­ten ger­ma­ni­schen Hol­zweib­leins mehr als be­zahlt sei. Aber das Hol­zweib­lein war die all­ver­ehr­te Se­he­rin des Stam­mes ge­we­sen, und ihr Tod ist für den Fürs­ten der will­kom­me­ne He­bel, das Volk zum Auf­stand zu be­we­gen. Rasch lässt er Ru­nen schnit­zen und ihre Weis­sa­gung von ei­nem na­hen un­er­bitt­li­chen Straf­ge­richt über alle um­woh­nen­den Stäm­me ver­brei­ten. Bis da­hin hat er noch der ger­ma­ni­schen Träg­heit und Un­ei­nig­keit miss­traut, jetzt, wo die Se­he­rin er­schla­gen, die Hei­lig­tü­mer ge­schän­det sind, kann er den hei­li­gen Krieg ent­bie­ten, und jetzt ver­lässt er sich fest auf sei­ne Lands­leu­te. Je­doch Se­ge­s­tes durch­schaut den An­schlag und ent­deckt ihn dem Va­rus. Al­les scheint ver­lo­ren. Va­rus aber ist nicht zu war­nen. Sein Ver­trau­en in Ar­mi­ni­us hat et­was Schick­sal­haf­tes wie das des Fried­län­ders in den Pik­ko­lo­mi­ni. Er hält es für un­mög­lich, dass ei­ner, der die rö­mi­sche Rit­ter­wür­de trägt, sei­ne hei­mi­schen Wäl­der und ro­hen Stein­al­tä­re den ver­gol­de­ten Tem­peln Roms und sei­nen ge­sel­li­gen Genüs­sen vor­zie­hen soll­te. Von al­len Bar­ba­ren ehrt er nur die­sen Ei­nen als sei­nes­glei­chen. Auch der er­ge­be­ne Se­ge­s­tes ist ihm nur der dumm­schlaue Wil­de, des­sen selbsti­sche Ab­sich­ten er durch­schaut; in dem schö­nen, von Geist um­leuch­te­ten Che­rus­ker­jüng­ling sieht er die wah­re Stüt­ze des Rö­mer­tums und lässt sich ganz von sei­nen Ratschlä­gen lei­ten. Und völ­lig si­cher, wie von ei­ner hö­he­ren Macht ge­führt, geht der jun­ge Held sei­ne ge­fähr­li­chen Wege. Er spielt noch in grau­sa­mer Lust mit den Rö­mern, ehe er sie ver­nich­tet. Va­rus hat ihm beim Gast­mahl eine grie­chi­sche Flö­ten­spie­le­rin an die Sei­te ge­legt, und der Gat­te Thus­nel­dens tän­delt mit dem schö­nen frem­den Sing­vo­gel, von dem man ihn ge­fes­selt glaubt, wäh­rend schon alle Wäl­der und Schlupf­win­kel von be­waff­ne­ten Che­rus­kern und ih­ren Ver­bün­de­ten wim­meln. Thus­nel­da zürnt und for­dert von dem Rö­mer­ge­setz die Schei­dung, die ihr der ger­ma­ni­sche Brauch ver­sagt, Ar­min be­schwich­tigt sie und ver­spricht ihr Süh­ne, doch in sein Ge­heim­nis lässt er auch die Toch­ter des Se­gest nicht bli­cken.

      Hier leg­te auf ein­mal Ade­le, das selt­sa­me Mäd­chen, den Kopf auf den Arm und wein­te. Vi­el­leicht sag­te ihr das weib­li­che Ge­fühl, dass ihr Dich­ter die Frau­en nicht ernst nahm; wes­halb auch die Lie­bes­s­ze­nen im­mer die schwächs­ten Stel­len des Dra­mas blei­ben soll­ten. Man war üb­ri­gens Ade­les Selt­sam­kei­ten ge­wohnt und ach­te­te nicht dar­auf. Am we­nigs­ten Gu­stav, des­sen Ge­dan­ken alle um den Che­rus­ker kreis­ten. Er hielt ihm noch eine glü­hen­de Lo­b­re­de.

      Zu den­ken, dass der deut­sche Ge­ni­us und die deut­sche Spra­che nicht mehr wä­ren, dass es kei­nen Faust gäbe, dass nicht ein ein­zi­ges deut­sches Lied ge­dich­tet wer­den könn­te, wäre Er nicht ge­we­sen, der un­ser Volks­tum und un­se­re Mut­ter­spra­che ge­ret­tet hat. Ohne ihn wä­ren wir wie die un­ter­wor­fe­nen Gal­lier zu Rö­mern und Rö­me­raf­fen ge­wor­den. Wenn ein­mal der deut­sche Ge­ni­us sein Wel­treich an­tritt, zu dem er be­ru­fen ist, so dankt er es ein­zig dem Ar­min. Und sei­ne Spur hat das sieg­rei­che Chris­ten­tum aus­ge­löscht mit al­len großen Erin­ne­run­gen un­se­rer Früh­zeit. Die Lie­der hat es ver­nich­tet, die sein Volk auf ihn sang. Aber ge­trost, wir wer­den neue Lie­der sin­gen. – Und nun gu­ten Mor­gen, Sie schläf­ri­ge Hebe, rich­ten Sie den Kopf in die Höhe, die Son­ne geht auf, da müs­sen auch die Blu­men­köpf­chen sich he­ben.

      Ade­le rich­te­te sich folg­sam auf und lä­chel­te; sie glich nun wirk­lich ei­ner Blu­me, die ihre be­tau­ten Kelch­blät­ter dem Son­nen­strahl öff­net. Kuno und Olaf gin­gen heim, den ver­säum­ten Schlaf nach­zu­ho­len. Ich be­glei­te­te Gu­stav, der sei­nen hei­ßen Kopf auf ei­nem Früh­spa­zier­gang lüf­ten woll­te, nahm noch mit ihm ein Bad in dem eis­kal­ten Flus­se und sah ihn dann er­frischt ins Kol­leg ge­hen, als ob er eben erst vom Bet­te auf­ge­stan­den wäre. Und die gan­ze fol­gen­de Nacht fiel wie­der aus dem ho­hen Turm­zim­mer der Schein der Lam­pe über den dunklen Neckar.

      *

      In je­nen Som­mer, der ein rau­er und stür­mi­scher war, fiel Olafs schwe­re Er­kran­kung. Er hat­te sich eben von ei­nem Lun­gen­ka­tarrh küm­mer­lich er­holt, als ihn eine Rip­pen­fell­ent­zün­dung aufs neue nie­der­warf. Ein Wun­der, dass der zar­te Kör­per dem dop­pel­ten An­griff stand­hielt. Sei­ne Mut­ter, die ihm auf die Uni­ver­si­tät nach­ge­zo­gen war, pfleg­te ihn; eine zar­te Frau, aber von stäh­ler­ner Spann­kraft. Sie gli­chen sich im Äu­ßern merk­wür­dig, bei­de hat­ten den glei­chen ed­len Schnitt der Au­gen und das äh­ren­gel­be Haar, durch das der Jüng­ling von wei­tem auf­fiel. Die Freun­de hal­fen bei der Pfle­ge, und das son­ni­ge Kran­ken­zim­mer war ein Ort stil­ler Er­he­bung für alle. So­gar Gu­stav, der im­mer mit sich selbst Be­schäf­tig­te, wid­me­te dem kran­ken Olaf man­che Stun­de. Er las die aus­ge­ar­bei­te­ten Sze­nen des drit­ten Ak­tes, so wie sie fer­tig wur­den, an sei­nem Bet­te vor, und der Kran­ke leb­te und web­te mit ihm in dem ent­ste­hen­den Werk. Im­mer zwin­gen­der ent­wi­ckel­te sich die Per­sön­lich­keit des Hel­den und sei­ne dä­mo­ni­sche Macht über den Va­rus, den Se­gest ver­geb­lich zu ret­ten sucht, in­dem er den ei­ge­nen Schwie­ger­sohn in Ket­ten legt, denn der Göt­ter­ver­blen­de­te macht selbst sei­nen Ver­til­ger frei. Auch die­ser Zug war der rö­mi­schen Über­lie­fe­rung ent­nom­men, von der Gu­stav sag­te, dass sie tief­sin­ni­ger und dich­te­ri­scher sei als alle spä­te­re Dich­te­rer­fin­dung.

      Unabläs­sig wur­den jetzt die Cha­rak­tere und Ver­wick­lun­gen durch­ge­spro­chen, die wir zu­erst nur so über­wäl­tigt hin­ge­nom­men hat­ten wie et­was Ge­ge­be­nes, wirk­lich Vor­han­de­nes. Und der Eif­rigs­te bei die­sen Er­ör­te­run­gen war der Dich­ter selbst; seit­dem das Eis ge­bro­chen war, ström­te ihm das Herz fort­wäh­rend über. Nach­träg­lich muss ich mich wun­dern, wie eine wer­den­de Dich­tung so viel Be­schrei­en ver­tra­gen konn­te; Gu­stav war dar­in an­ders als alle an­dern schaf­fen­den Geis­ter, de­nen ich im Le­ben nä­her­trat. Un­ser An­teil hob und trug ihn, die Ein­ge­bun­gen ström­ten ihm stär­ker zu, wenn sie gleich auf an­de­re wirk­ten, und kri­ti­sche Ein­wän­de stör­ten ihn nicht nur nicht, er for­der­te sie ge­ra­de­zu her­aus. Da­bei ver­ga­ßen wir alle, und er selbst am meis­ten, dass das Dra­ma, des­sen Wurf uns fort­riss, großen­teils noch gar nicht auf dem Pa­pier stand, denn der Dich­ter pfleg­te zwi­schen Le­sen und Er­zäh­len ab­zu­wech­seln, und sei­ne feu­ri­ge Fan­ta­sie lief der Ge­stal­tung weit vor­aus. Er ar­bei­te­te im­mer un­ter ei­nem Wust von Zet­teln, auf de­nen er sei­ne Ein­fäl­le, wie sie ihm ka­men, nie­der­schrieb, aber das kunst­mä­ßi­ge Ver­wen­den die­ses Vor­rats mach­te ihm eine un­säg­li­che Mühe, weil er im­mer noch mehr hin­ein­zie­hen woll­te als der Rah­men fass­te und doch viel zu fein­füh­lig war, um nicht die Über­las­tung au­gen­blick­lich zu emp­fin­den. So ar­bei­te­te er viel schwe­rer, als man bei sei­ner wo­gen­den Fül­le hät­te glau­ben sol­len. Aber in sei­nen ge­ho­be­nen Stun­den ver­gaß er die­se Hin­der­nis­se und ließ das Werk, das so gut wie fer­tig vor sei­nem Geis­te stand, auch vor uns als fer­tig er­schei­nen.

      Olaf hat­te sich beim Vor­le­sen in die grie­chi­sche Flö­ten­spie­le­rin ver­liebt, die er sich un­ter Ade­les Zü­gen vor­stell­te.

      Sie

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