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dop­pelt ge­bor­gen! Ein Heim für den Som­mer, eins für den Win­ter, und die­ses letz­te­re für mei­nen aus­schließ­li­chen ei­ge­nen Be­darf. In je­dem Raum Stil­le und Wei­he wie in ei­ner Kir­che; Freun­de konn­ten sich an mei­nen Tisch set­zen wo ich al­lei­ne ge­bot; ich war be­se­ligt wie Walt­her von der Vo­gel­wei­de, als er end­lich sein Le­hen hat­te und es er­leb­te, dass er »den Gast auch grüe­ze«. Und alle Ge­gen­stän­de rund­um sag­ten ihr stum­mes Ja zu mei­ner Ge­gen­wart. Ich lieb­te sie alle, gab ih­nen Na­men, die sie zu schwei­gen­den Per­sön­lich­kei­ten mach­ten, denn teils hat­te ich sie schon so ge­wählt, dass man ih­nen an­se­hen konn­te, sie hat­ten zu mir ge­wollt, teils pass­ten sie sich, wenn sie von frem­der Hand ka­men, der Um­ge­bung an. Mei­ne Bü­cher und die klei­nen Kost­bar­kei­ten, die sich im Lauf der Jah­re an­ge­sam­melt hat­ten, wur­den wie­der auf­ge­stellt, edel ge­wirk­te ori­en­ta­li­sche Schals, ein großer ja­pa­ni­scher Tep­pich aus­ge­brei­tet. Man­ches gute Stück al­tes Haus­ge­rät war da­mals noch in klei­nen Läd­chen um bil­li­gen Preis auf­zu­trei­ben, an­de­res ließ ich nach gu­ten Mus­tern nach­schnit­zen; mein An­teil an dem Haus in der Via del­le Por­te nuo­ve war ab­ge­gol­ten, mein klei­nes Ka­pi­tal wie­der flüs­sig, die deut­schen Ho­no­ra­re wa­ren gut, man brauch­te nicht zu den Viel­schrei­bern zu ge­hö­ren. Und das Le­ben in Flo­renz war da­mals in vie­len Din­gen noch so pa­tri­ar­cha­lisch ein­fach. Wenn der Post­bo­te klin­gel­te, so wur­de von der Ar­beit auf­ge­sprun­gen und durch das Fens­ter ein Körb­chen an ro­tem Fa­den hin­ab­ge­las­sen, in das er sei­ne Fracht leg­te. Aus al­len Stock­wer­ken ge­sch­ah Glei­ches, denn nie­mand woll­te dem Mann ohne be­son­de­ren An­lass die Trep­pe zu­mu­ten. Wie vie­le lie­be, be­glücken­de Grü­ße sind Tag für Tag an dem ro­ten Fa­den zu mir her­auf­ge­schwebt, wie vie­le er­he­ben­de Zu­ru­fe von un­be­kann­ten Sei­ten, oft aus den ent­le­gens­ten Räu­men un­se­res Glo­bus, wo Deut­sche woh­nen. Ich be­kam da­mals so­gar eine lei­se Ah­nung von dem Nach­teil des Ei­gen­tums, dass es das Le­ben zu wert­voll macht; je­der der ver­trau­ten Ge­gen­stän­de wur­de mir zu ei­ner zärt­li­chen Bin­dung, und zum ers­ten Mal däm­mer­te mir das Be­wusst­sein vom Flu­ge der Zeit, dem ich im­mer wie ein Kind ge­gen­über­ge­stan­den hat­te, und dass es trau­rig sein müs­se, ein­mal von all dem Lie­ben und Hol­den, das mich um­gab, zu schei­den. Über­haupt, war es nicht viel­leicht zu viel des Gu­ten, was mir da in ei­nem Jah­re zu­ge­fal­len war? Lau­er­ten nicht viel­leicht schon wie­der die Dä­mo­nen dar­auf, es zu zer­schla­gen? Ja, sie lau­er­ten nahe, aber noch war ihre Macht ge­bun­den. Ge­bun­den nicht in dem Sin­ne, dass nun rings­um ei­tel Son­nen­schein ge­we­sen wäre. Wenn die äu­ße­ren Be­dräng­nis­se aus­setz­ten, schuf sich das In­ne­re sei­ne Ge­s­pens­ter. Ich hat­te noch im­mer die nächt­li­chen Angst­träu­me der Ju­gend, die sich erst lang­sam bei vor­rücken­den Le­bens­jah­ren mil­der­ten oder im Au­gen­blick höchs­ter Stei­ge­rung durch frei­wil­li­ges Er­wa­chen ab­schnei­den lie­ßen. Und nie­mals konn­te ich den un­sicht­ba­ren Auf­nah­me­ap­pa­rat in mei­nem In­ne­ren ab­stel­len, der mir Un­heils­bot­schaf­ten oft­mals zu Un­recht zu­trug, wie sie im Raum um­schwir­ren mö­gen. Sie rühr­ten wie Not­ru­fe mei­ner ab­we­sen­den Lie­ben an mei­ne emp­find­li­chen An­ten­nen und ver­ur­sach­ten mir ban­ge Stun­den, wenn sie auch in Wahr­heit gar nicht mir gal­ten. Es bil­de­te einen Teil die­ser An­la­ge, dass man nicht leicht mit ei­nem Ge­heim­nis in der See­le vor mich tre­ten konn­te, ohne dass es sich mir auf nicht zu er­klä­ren­de Wei­se über­trug, wo­für ich ge­le­gent­lich erst Jah­re spä­ter die Be­stä­ti­gung er­hielt. Dass Men­schen von sol­cher Be­schaf­fen­heit nie eine völ­li­ge Gleich­ge­wichts­la­ge ge­nie­ßen, son­dern im­mer die schwan­ken­den Scha­len aus­zu­glei­chen su­chen müs­sen; liegt auf der Hand, wie auch, dass die Auf­ge­reg­ten, ganz Un­aus­ge­gli­che­nen, die auf Scho­nung an­ge­wie­sen sind, leich­tes Spiel mit ihm ha­ben; nur dass mir bei der frü­he ge­wohn­ten äu­ße­ren Be­herrscht­heit nicht leicht je­mand das ste­te Hor­chen auf die Nähe der Schick­sals­mäch­te an­sah. So wag­te ich nie­mals, auch jetzt nicht, den Fuß völ­lig fest im Le­ben auf­zu­set­zen. Und es ge­sch­ah zum Schutz ge­gen den Neid der Dä­mo­nen, dass ich an die neue Woh­nung nie die not­wen­di­ge letz­te Hand leg­te. Ich hielt mich für ge­si­cher­ter, wenn mir ge­nug zu wün­schen blieb. Zu­gleich be­griff ich aber auch, wie we­nig ge­mäß mir ein dau­ern­des Gleich­maß, ein ver­bürg­tes wan­del­lo­ses Wohl­er­ge­hen ge­we­sen wäre. Denn gleich mel­de­ten sich die Ge­s­pens­ter al­ler der Din­ge, de­nen man im Le­ben be­geg­nen könn­te, aber nie­mals be­geg­net, de­ren angst­vol­ler Be­klem­mung ich in den »Geis­tern der Wind­stil­le« Wor­te gab:

       Wie ein ge­spens­ti­sches Trau­er­spiel

       Weht’s dich an und um­hüllt dich mit Schau­ern,

       Alle Kraft ver­zehrt sich in Trau­ern

       Um ein Op­fer, das nir­gends fiel.

       Kennst du das Stück?

       Nein, und kennst der Spie­ler nicht einen,

       Aber wei­nen musst du und wei­nen

       Um ein ver­lo­re­nes

       Und doch nie be­ses­se­nes Glück.

       Eine Schuld, die du nicht be­gan­gen,

       Bleicht dir die Wan­gen,

       Ein Ver­gang­nes, das nie ge­we­sen,

       Hält dich und lässt dich nim­mer ge­ne­sen. – –

      Ge­gen sol­che in­ne­re Ver­fol­gung gab es kei­ne an­de­re Zuf­lucht als die ins Werk.

      *

      Das ers­te, was die Gunst der neu­en Woh­nung mir be­scher­te, war die Vollen­dung der »Stadt des Le­bens«. Dann form­te sich der In­halt ei­nes neu­en No­vel­len­ban­des, der un­ter dem nicht ganz ent­spre­chen­den Ti­tel »Le­bens­flu­ten« bei Cot­ta er­schi­en. Er soll­te zu­vor »Den Strom hin­un­ter« hei­ßen nach der An­fangs­er­zäh­lung, die die­sen Ti­tel im dop­pel­ten Sin­ne trug. Aber Hey­se bat mich, dar­auf zu ver­zich­ten, weil er selbst im Be­grif­fe ste­he, ein No­vel­len­buch un­ter die­ser Flag­ge se­geln zu las­sen. Die Rück­sicht­nah­me war selbst­ver­ständ­lich, aber ich ge­riet in Ver­le­gen­heit um einen neu­en Ti­tel, bis man sich nach wie­der­hol­ter Ver­hand­lung mit dem bei­der­sei­ti­gen Ver­le­ger, der kein an­de­rer war als der alte Freund Krö­ner, jetzt Cot­ta Nach­fol­ger, sich auf »Le­bens­flu­ten« ei­nig­te, ein Not­be­helf, der von dem wech­sel­vol­len In­halt nichts aus­sa­gen konn­te als das wech­sel­vol­le Spiel des Le­bens selbst.

      In dem stil­len Glas­ge­mach, beim Rin­nen des Arno, wäh­rend das nächt­li­che Flo­renz im Ster­nen­schim­mer lag, füg­te sich mir nach und nach die zwei­te Fol­ge mei­ner Ge­dich­te. Man­ches da­von war schon in den gu­ten Jah­ren am Pog­gio Im­pe­ria­le ent­stan­den. Im­mer wenn der zar­te Geist der Lie­der auf sei­nen Schmet­ter­lings­flü­geln er­schi­en, den das Tun des Ta­ges so ger­ne ver­scheucht, muss­te auf Wo­chen die Fe­der, die Pro­sa schrieb, ru­hen, denn er brach­te sei­ne Ga­ben nie ver­ein­zelt, son­dern reih­te sie, Hei­te­res und Erns­tes, in viel­far­bi­gen Ket­ten auf. Er war noch im­mer gleich lau­nen­haft und gleich er­fül­lend. Ru­fen ließ er sich nicht gern, denn es bleibt im­mer et­was Un­wäg­ba­res um das Ge­dicht, und was ich in ah­nen­der Ju­gend dar­über ge­sagt hat­te: »Von Men­schen ist es nicht ge­macht, es wächst mit andrem Blu­men­flo­re, ge­fun­den wird’s und nicht er­dacht«, das be­stand mir noch im­mer in ge­wis­sem Sin­ne zu

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