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dem ich gebückt ausweichen mußte, vor mir ein breiter, oben flach gehauener Buchenstamm lag, eine Brücke zum toten, eingeklemmten Teile des Gletschers.

      Weiter hinein in die immer köstlichere milde Lichtfülle der blanken glitzernden Wände …

      Ein Torbogen aus Eis … Eissäulen zu beiden Seiten, von Menschenhand herausgehauen, geglättet, verziert mit gelben uralten Götzenfiguren in kleine Nischen. Gelb – – Gold! Gold – – zahllose dieser Figuren, zahllose Tempelgeräte, Waffen, Gebrauchsgegenstände: alles Gold!

      Und hinter der zehnten dieser Säulen eine Eishalle …

      Fackellicht …

      Dreißig, vierzig Harzfackeln brannten hier, in den Eiswänden befestigt, angezündet von Coy Cala, der, ganz Statue, dicht neben den beiden Reitern stand, die mitten in dem weiten, hohen Mausoleum als Mumien auf mumienhaften Pferden saßen, beide in Ledertracht, der rechte ein Europäer mit blondem, leicht ergrautem Spitzbart: Tounens, der Normanne, der König von Araukanien, angeblich in Frankreich bestattet, in Wahrheit zurückgeholt von seinem Sohne, dem Vater meines Coy, hierher in dieses Eismausoleum.

      Ein Wunderbau …

      Säulen ringsum … Eissäulen … Die Decke mit plumpen Ornamenten verziert, plump, aber eindrucksvoll …

      Der Eisdom schien zu glühen …

      Fackellicht zauberte die wunderbarsten Lichtreflexe hervor …

      Fackellicht, unruhig und wechselnd, belebte die starren Mumiengesichter, rief unheimliches Leben auf des Königs kühnen Zügen hervor, kühn und wild wie die meines Freundes, der noch immer reglos verharrte …

      Und mein befangener Blick irrte abermals über die Säulen hin, über den Hintergrund des Domes, der von einem farbenfrohen Gewebe gebildet wurde, wie es die Frauen der Araukaner aus Baumrinde herzustellen wissen – ein mächtiger Teppich, ein Künstlerwerk, bunt und wundervoll, voller Figuren, Reitern, Hirschen, Straußen, Pumas, in der Mitte ein Oval: ein einzelner Reiter: König Tounens!

      Befangen mein Blick auch von den Reichtümern, die hier in geschmackvollen Pyramiden aufgestapelt waren … Gold … Gold …

      Und meine Freunde aus der Gallegos-Bucht lebten in bitterster Armut, während hier Millionenwerte aufgehäuft waren, dachten nicht daran, auch nur das geringste Stück dieser Kostbarkeiten zu veräußern.

      Meine Augen blieben wieder auf dem Araukanerkönig haften – auf dem Orden auf seiner Brust.

      Orden … – Nun wußte ich: Braanken hatte den Orden von hier gestohlen!

      Nun wußte ich: Edith Gordon hatte gleichfalls diese Stätte besuchen wollen, über deren Existenz längst in den Hafenstädten Chiles allerlei vage Gerüchte umgingen. –

      Miß Gordon hat das Mausoleum König Tounens’ in ihrer Artikelserie in der Londoner Times später weit ausführlicher geschildert als ich es hier in der Überzeugung tue, daß Worte stets nur Worte bleiben und daß nur eigenes Schauen die erhabene Eigenart dieser Grabstätte vollkommen würdigen kann. Miß Gordon hat aber auch ihr Versprechen gehalten und ihre Niederschrift so abgefaßt, daß ein Uneingeweihter dieses Gletschermausoleum nie finden wird, ganz abgesehen davon, daß der Zugang zu jenen Höhen nunmehr für alle Ewigkeit verstopft ist – und es gibt nur den einen Zugang durch die Höllenschlucht – es gab ihn! –

      13. Kapitel

       Braankens letzter Schuß

       Inhaltsverzeichnis

      Coy trat zu mir. Mein tranduftender bärenstarker Coy mit dem scharfen, kühnen Profil und der hohen klugen Stirn. Coy, jetzt trotz allem nicht mein Coy, wie ich ihn bisher gekannt hatte.

      »Freund Karl Olaf,« sagte er mit einer Würde, die mich durchaus nicht in Erstaunen setzte, die mir vielmehr gerade in dieser Umgebung sehr angebracht erschien … »Freund, weißer Freund, Coy nicht brauchen zu erklären, was dies hier sein … Sein dies Heiligtum von einst so mächtige Araukaner-Nation … Sein dies Grab meiner Väter, weißer Freund, – fließen auch in Coy Calas Adern helles Blut von französische Normannen.« Sein Blick hing dabei unverwandt auf der Reitermumie des einigen einzigen Araukanerkönigs. Seine Stimme wurde heller, lauter, klingender. »Weißer weiser Freund, du nicht ahnen, daß armer Fischer und Jäger Coy Cala an Gallegos-Bucht sein in Wirklichkeit rechtmäßiger Großtoqui und König über viele viele tausend Araukaner … Sein so … Coy Cala, ich, – nur ein Wort aus meinem Munde, und droben in den wärmeren Steppen meiner wahren Heimat würden Tausende satteln ihre Pferde und kommen und holen ihren Großtoqui. Aber Coy Cala …« – und seine Stimme sank zu schmerzlicher Melancholie – »streben nicht nach Macht … Vergangenheit tot sein. Zeiten vorbei, wo braune Indios mit fremden Eroberern kämpfen konnten. Coy viel, viel gesehen, viel gelernt. Coy friedlich weiter als armer Fischer leben wie bisher. Coy genug sein, daß weißen Freund haben.«

      Seine Hand fand die meine …

      »Olaf Karl – El Gento, weißer weiser Bruder, du sein bester Teil von mir, du sein Bruder, Vater, sein genug mir, nichts mehr verlangen Coy …«

      Ein schlichteres und doch so überaus inniges Eingeständnis seiner Anhänglichkeit und Liebe war nie über seine Lippen gekommen.

      Das Schicksal ist so unendlich grausam zuweilen. Das Schicksal ließ mir keine Zeit mehr, Coy so zu antworten, wie mir ums Herz war. Ein armer Wahnsinniger, dessen Geist sich angesichts der geschändeten Leiche seines jungen Weibes verwirrt hatte, war von der unbegreiflichen höheren Fügung dazu ausersehen, einen Riesen zu fällen, einen wahrhaft guten Menschen zu qualvollem Siechtum zu verdammen.

      Ein entsetzliches, hier in der kalten Eisgrotte gellend widerhallendes Hohnlachen … Dann ein Schuß von der Säulenreihe her …

      Coys Rechte flog aus der meinen, fuhr gegen die eigene Brust …

      Ich fing den Taumelden auf, legte ihn sanft auf den feuchten, schillernden Eisboden. An mich selbst dachte ich nicht. Daß eine zweite Kugel mir gelten könnte – erst Coy!

      Und Coys fahles, jäh verfallenes Gesicht, seine geschlossenen Augen, – mein Herz krampfte sich zusammen. Und wie etwas, das mich selbst nichts mehr anging, vernahm ich aus dem Säulengang jetzt den schrillen Todesschrei eines Menschen und unverkennbar des dürren sehnigen Chico grimme Stimme:

      »So – – Braanken nie mehr Drücker von Büchse berühren werden …« Der dumpfe Krach eines zu Boden schlagenden Körpers folgte …

      Neben mir tauchte der kleine stämmige Melancholiker Chubur auf, warf sich wortlos neben Coy in die Knie und riß ihm das Lederwams und das Hemd auf, legte so die Einschußstelle frei – ein roter, etwas blutiger Fleck, harmlos ausschauend wie eine starke Quetschung, und doch – der Anfang vom Ende!

      Der lange Chico drängte mich beiseite. Ein Blick auf das Jagdmesser in seiner Hand. Ein einzelner Blutstropfen fiel von der Spitze der breiten Klinge auf das klare kalte Eis.

      Chico stierte auf Coys Wunde, auf das schreckvoll veränderte Gesicht. Chubur hatte des Bewußtlosen Jacke und Hemd noch weiter geöffnet. Die Kugel war zwischen der dritten und vierten Rippe wieder herausgetreten, der daumengroße Ausschuß spie helles schaumiges Blut. Das Geschoß mußte beide Lungenflügel verletzt haben.

      Chico neben mir mit heiserer, gequälter Stimme:

      »Mistre Coy verbinden … Schnell … Chubur und Chico oben auf Gletschern dreckige Tehus verscheuchen. Sein da mit weiße Miß – zehn Tehus.«

      Und zu Chubur – befehlend: »He – du kommen, Chubur!! Kommen rasch du …!«

      Sie eilten davon. Sie waren keine Schwätzer. Sie wußten, daß ich mir alles Nötige schon zusammenreimen würde. War ja auch nicht schwer. Braanken und Miß Gordon waren ihnen offenbar mit Hilfe jener zehn Tehus, die der alte Kapike Tuluma hinter Coy und mir dreingeschickt hatte, entwichen. Braanken, der ja bereits einmal das Eismausoleum

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