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auf Coy abgegeben, während Chubur und Chico leider um wenige Sekunden zu spät auf dem Schauplatz erschienen waren.

      Zu spät.

      Coys Geschick hatte sich erfüllt. Während ich Ein- und Ausschuß verband, blieb er bewußtlos, glich mehr einem Toten als einem Lebenden. Entsetzlich waren die pfeifenden, rasselnden Atemzüge, entsetzlich die schaumigen Blutfäden, die ihm immer wieder aus den Mundwinkeln hervorrannen.

      Traurige, traurigste Freundespflicht …

      Nun lag er da auf meiner Lederjacke in dieser kalten feuchten Luft – reglos, einer, der nie mehr den Odem des weiten Meeres an der Gallegos-Bucht genießen würde, wie ich in jener unheilvollen Stunde fürchtete, – einer, der hier angesichts seiner stillen Väter vom verderblichen Blei ereilt war.

      Ich richtete mich auf. Ich konnte für ihn vorerst nichts weiter tun. Eine winzige, winzige Hoffnung linderte den dumpfen Schmerz in meiner Seele: daß Coys Bärennatur trotz allem dem Sensenmann noch trotzen würde! Unfaßbar wär’s gewesen, daß dieser kraftstrotzende Körper durch ein kleines längliches Stückchen Blei hingemäht sein sollte!

      Ich lauschte …

      Um mich her war Grabesstille. Nur das Knistern und Zischen der zahlreichen Harzfackeln und das unregelmäßige Fallen der Tropfen von der Eisdecke bildeten die einzigen stärkeren Geräusche.

      Und doch war’s um mich her wie ein beständiges Wispern und Raunen ferner unverständlicher Stimmen. Es war das Gletschereis, es war diese ungeheure Eismasse, die unter dem Einfluß der Sonnenstrahlung in ihren verschieden dicken Schichten sich dehnte und allerlei Töne hervorbrachte.

      Dann der schwache ferne Knall einiger Schüsse. Ich warf noch einen Blick auf den Freund, nahm die Büchse und eilte in die blaugrüne Dämmerung des Eissäulenganges hinaus. Vor mir lag Braankens Leiche auf dem Rücken. Seine rechte Hand war unter die Lederjacke geschoben. Im letzten Todeskrampf noch hatte der Unglückliche seines Weibes gedacht und ihr Bild aus der Innentasche halb hervorgeholt und mit zuckenden Fingern zusammengedrückt. Sein gesprenkeltes Gesicht zeigte einen unbeschreiblich schmerzlichen Ausdruck. Die Augen waren weit aufgerissen, und die Pupillen vollkommen klar, ohne jeden milchigen Überzug. Und auch diese Augen bestärkten mich noch in der erschütternden Annahme, daß der umnachtete Geist dieses Bedauernswerten noch kurz, ganz kurz vor dem Antritt der ungewissen Wanderung in ein ungewisses Jenseits zu voller Klarheit sich geläutert habe, daß Braanken den hinterlistigen zwecklosen Schuß auf Coy Cala klaren Geistes bereut habe.

      Menschenschicksale fernab vom Alltag …

      Hier ein Toter, der in den glutheißen Gefilden Westafrikas ein Heim, ein Weib besessen, – – ein Toter nun hier am Ende der Welt, im gefährlichsten Wetterwinkel des Erdenrunds … Und sein Opfer keine zehn Meter entfernt, waidwund, ohne Sinn niedergeknallt … –

      Wieder droben ein paar Schüsse. Ich eilte weiter, überschritt den Buchenstamm, klomm in der Gletscherspalte empor, sah aber nur Chicos Seehundsstiefel.

      Peng … peng … peng …

      Eisstücke spritzten. Chico lachte verächtlich. Ich schob mich neben ihn. Hier am Ostrande der Spalte hatte der lange Araukaner aus Steinen eine kleine Brustwehr errichtet. Ich lugte hindurch.

      »Tehus dreckige schießen wie Kinder,« meinte der Araukaner und zielte von neuem.

      Ich erblickte drüben, wo der Gletscherbach in die Tiefe sauste, gleichfalls hinter Steinen die Hutränder einiger Thonecas, erblickte auch Edith Gordon, die sich etwas abseits auf einen Felsblock gesetzt hatte und eine Zigarette rauchte und … schrieb. Ihr Bleistift flog nur so über das Papier eines dicken schmalen Büchleins hin, das sie auf das rechte hochgezogene Knie gestützt hatte. Sie tat vollkommen unbeteiligt. Wenn sie einmal aufschaute, hatten ihr Blick und ihr Gesichtsausdruck etwas äußerst Gereiztes. Sie war zweifellos mit dem Feuergefecht zwischen den Tehuelchen und uns nicht einverstanden.

      Die Sonne war bereits im Sinken begriffen. Trotzdem lagerte über dem Gletscher noch eine merkliche Welle warme Luft. Die seltsame Klarheit dieses Spätnachmittaglichtes zeigte mir auch die weitere Umgebung des Gletschers in auffallender Deutlichkeit. Mehr noch als bei meinem ersten Marsch über das Gletschereis beachtete ich die strenge Abgeschlossenheit dieser geheiligten Stätte. Unmöglich war’s, daß man den Gletscher auf einem anderen Wege als durch die Höllenschlucht erreichte. Die Berge ringsum mit ihren senkrechten Steilwänden von verwirrender Höhe spotteten jeglichen Versuchs einer Annäherung an die wandelnde Eismasse.

      Chico setzte den Karabiner wieder ab. »Sein vorsichtig, die Tehus … Haben drei Mann verloren, vierter Schulterschuß … Noch sechs, Mister. Wird keiner mehr Pampas sehen – keiner. Chubur sein in Loch von Gletscherbach, passen auf. Keiner mehr an Tau hinabklettern in Schlucht, auch weiße Miß nicht. Heiligtum von große Araukaner-Nation dann sicher. Müssen alle sterben.« Und so, wie er das sagte, war auch für Edith Gordon wenig Aussicht vorhanden, jemals wieder Londoner Luft zu atmen. Doch – ich war ja noch da! Und ich gedachte meinen Einfluß auf Chico nun sofort geltend zu machen. Diese Schießerei hier mußte ein Ende haben. Übergenug war’s an drei Toten.

      »Chico!«

      Drüben gleichzeitig ein einzelner Schuß …

      Und der dürre Chico schnellte aus der Deckung hoch und sank kraftlos quer über meinen Rücken.

      Drüben ein Brüllen, Heulen und ein wahres Schnellfeuer …

      Ein Blick …

      Höchste Zeit …

      Ich schüttelte den Toten von mir. Er rollte bis zur nächsten Eiszacke … blieb dort hängen.

      Die sechs Tehus griffen an. In langen Sätzen kamen sie, glaubten wohl, daß Chico allein gewesen.

      Kamen, glitten aus auf blanken Eisstellen, rutschten, taumelten …

      Aber sie kamen – näher … näher …

      Ich erhob mich hinter der Deckung, die Sniders halb im Anschlag …

      »Hallo – – halt!!«

      Aber die Antwort belehrte mich, daß die stiernackigen Kerle mich nicht schonen würden.

      Einer feuerte im Laufen. Ein zweiter schleuderte das Jagdmesser …

      Zwanzig Meter …

      Ich hatte mich geduckt … schoß …

      Der vorderste klatschte zusammen …

      Hinter den Angreifern die helle klingende Stimme der Engländerin:

      »Halt – –!!« Und auch sie hatte jetzt Deckung genommen, – sie schlug sich auf unsere Seite …

      »Halt!«

      Die fünf standen …

      Nicht nur Edith Gordon gebot den Angreifern dieses eindringliche Halt! Nein, auch die Natur selbst schien jedes weitere Blutvergießen hier auf dem unberührten Gletscher, dessen Eismassen das Mausoleum eines kühnen Abenteurer-Königs bargen, verhindern zu wollen.

      Die Sonne hatte bereits jene rotviolette Färbung angenommen, die der glühenden Weltenkugel um die Zeit ihres Untertauchens zur anderen Erdenhälfte in diesen Breiten eigen ist. Und rotviolett erstrahlten das Eis, die Schneefelder, die Gipfel und Zacken. Eine berauschende Farbensinfonie hüllte die ganze Umgebung ein, bis dann gerade in dem Moment, als die fünf verdutzten Tehus sich auch im Rücken bedroht sahen, eine kleine einzelne Wolke sich als Blende vor den Sonnenball schob und mit einem Schlage ein düsteres, drohendes Zwielicht die prachtvollen Farbentöne auflöste.

      So seltsam wirkte dieser Beleuchtungswechsel, daß auch ich förmlich erschrak und den Kopf nach Westen wandte, – emporblickte zu dem keilförmigen Ausschnitt in den Bergen, wo das Abschied nehmende Tagesgestirn wie eine abgeblendete ungeheure Laterne zwischen dunklen Felswänden matt schimmerte.

      Als ich, rasch meiner Unvorsichtigkeit mir bewußt werdend, die Front dem Feinde wieder zukehrte, hatten die Thonecas bereits den Rückzug angetreten. In schräger Richtung suchten sie an dem Felsen vorüberzukommen,

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