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willig, als Coy und ich je eins der Lämmer am Strick hinter uns her zogen. Die Tierchen blökten kläglich, und der Mutterinstinkt der beiden Guanacos und die Stockhiebe, von Joachim und Allan ohne Roheit ausgeteilt, taten das übrige. Nach einer halben Stunde ging’s schon recht flott voran. Unsere kleine Karawane vermied alle grasreichen Stellen, und als wir dann noch in einem Bergbach eine Strecke abwärts in ein kahles Tal gestiegen waren, schwor Coy tausend Eide, daß nicht einmal ein Schweißhund uns finden würde. Er behielt recht. Wir merkten nichts mehr von den Verfolgern.

      Vier Tage folgten, die ich hier übergehen kann. Dann zwang uns ein Sturm, der uns auf einer Hochebene dicht an der Westküste überraschte, zu unerwünschtem Aufenthalt. Eine flache Höhle nahm uns und die Tiere auf. Es regnete, schneite, hagelte, und dennoch kehrte Coy nach drei Stunden mit einem erlegten Guanaco zurück. Es war das vierte, das wir inzwischen geschossen hatten. Die drei ersten kamen auf Joachims Konto. Das war noch mitten im Hochgebirge gewesen. Hochgebirge – denn Santa Ines ist im Grunde nur ein abgetrennter Teil der Kordilleren.

      Unsere Lasttiere und die Lämmer waren jetzt völlig zahm. Wir behandelten sie gut, und kein Tier verschließt sich gegen die Freundlichkeit seines Erzfeindes Mensch. Allan hatte unsere vierbeinigen Gefährten längst getauft. Die Lämmer hießen Strupp und Rupp, und die Alten Mary und Fanny. Coy hatte eins der Lämmer schon am dritten Tag schlachten wollen. Aber da war Allan zur Wildkatze geworden. Coy hatte gelacht, und die Tierchen blieben leben, leben wohl heute noch als freie Guanacos auf den Plateaus von Santa Ines.

      Vier Tage flotten Marsches, und jetzt zwei Tage Ruhe. Coy gerbte die Guanacofelle. Und am Feuer saßen wir und langweilten uns. Draußen war die Hölle los …

      Joachim und Allan spielten Rätselraten. Joachim erfand Knittelverse mit wunderbaren Pointen, und unser Junge lachte fröhlich, wenn er früher als ich die Lösung fand. Mammi und Ponny und Hunde waren vergessen …

      Im Hintergrund lagen die Tiere auf Grasstreu, kauten, rülpsten, stanken … Das Feuer qualmte, und die vor den Eingang gespannten Felle knallten im Winddruck.

      Aber auch das war Leben, Erleben.

      Dann sprang der Wind um, und die Sonne kam und Licht und Wärme. Mittags ging’s weiter.

      Eine Hochebene, endlos, grasreich, voller Waldflecken, trennte uns noch von der Küste. Daß Freund Coy die Richtung tadellos eingehalten hatte, daß es seinem Ortssinn vollauf genügt hatte, was Chubur über die Lage jener Bucht der Familie Turido und über die verlassene Schaffarm ihm angegeben hatte, das merkten wir nachmittags gegen fünf Uhr, nachdem wir an einer Unmenge von Tierschädeln und Skeletteilen vorübergekommen waren. In einem dichten Buchenwalde entdeckten wir neben einem klaren Bache auf einer idyllischen Lichtung die Ruinen von Gebäuden – alles bereits von Unkraut überwuchert, besonders von jener besonderen Dornenart, die hier im Magelhaens-Archipel eine immergrüne Form angenommen hat.

      Hier lagerten wir auch, denn Coy schätzte die Entfernung bis zur Ostbucht drüben auf knapp drei Meilen, und diesen Rest des Weges mußten wir, um nicht vorzeitig unsere Anwesenheit zu verraten, bei Nacht zurücklegen.

      Das ehemalige Wohnhaus des Farmverwalters, ein plumper Steinkasten, war noch am besten erhalten. Coy und ich säuberten die eine Vorderstube, während Joachim und Allan, die jetzt Unzertrennlichen, draußen für die Tiere sorgten. Es war für mich ein merkwürdiges Gefühl, seit Monaten wieder einmal ein richtiges Gebäude zu betreten und ein richtiges Hausdach überm Kopfe zu haben. Ich besinne mich genau, daß ich nachher, als wir uns zur Ruhe niedergelegt hatten und nur Joachim, der die erste Wache hatte, draußen im Mondschein hin und her ging und sein Schatten dabei in regelmäßigen Pausen über die scheibenlosen Fenster glitt, der Schlaf mich lange Zeit floh, weil ich eben nur noch an ein Nachtlager im Freien oder an eine leicht schwankende Schiffskoje gewöhnt war. Außerdem störte mich auch Coys rasselndes Atmen und die ewige Unruhe hin und her huschender Ratten unter den halb verfaulten Dielen. Die Feuerland-Ratten sind leider noch üblere Viecher als die europäischen, da sie zu einer Spielart der Moschusratten gehören und sehr intensiv riechen. So auch die Stube trotz der leeren Fensteröffnungen. Nein, damals wollte der Schlaf sich durchaus nicht einstellen, und als ich schließlich einschlummerte, war es nur jener Halbschlummer, der niemals erquickt und der unsere Sinne für alle äußeren Eindrücke fast ebenso empfindlich bleiben läßt wie im wachen Zustande.

      Ich hatte so kaum eine halbe Stunde da gelegen, als eine dieser langschwänzigen graugrünen Biester dicht neben mir an unserem letzten Paket Zwieback (aus dem Zelte Gerald Mangroves stammend) zu knabbern begann. Ein Fausthieb, ein Quieken – und die Ratte flog gegen die Wand. Das Mondlicht fiel auf das zuckende Tier, dem ich das Rückgrat gebrochen hatte. Um es nicht unnötig leiden zu lassen, nahm ich mein Messer und schlug der Ratte mit der großen Klinge das Genick durch. Der Schlag war allzu kräftig, das verfaulte Fußbodenstück brach durch, die Ratte fiel nach unten und mein Messer glitt mir aus den Fingern … – Kleine Ursachen, große Wirkungen … Ich mußte das Messer wiederhaben, beugte mich zur Seite und fühlte mit der Hand in das Loch hinein. Aber selbst mein Arm war nicht lang genug, den Grund dieser Öffnung zu berühren. – Wir hatten von einer Unterkellerung dieser Stube bisher nichts gemerkt. Wie kam es also, daß sich hier eine solche Vertiefung befand?! Ich rieb ein Zündholz an, leuchtete hinab. Wirklich – ein ausgemauertes, viereckiges tiefes Loch, ein Schacht. Was mir sofort auffiel, waren die hellen Streifen des Mörtels zwischen den Steinen. Nicht etwa Ziegel, nein, Feldsteine … Felsstücke. Der Mörtel war frisch.

      Die Sache begann mich zu interessieren. Unwillkürlich dachte ich an die Turidos, die hier diese Farm ruiniert hatten – auf gemeinste Weise, durch Gift. Gift, gegen Menschen oder Tiere benutzt, ganz gleich, gilt mir als elendeste Feigheit. Auf den Plantagen in Sumatra hatte man seinerzeit die Affenherden durch vergiftete kleine Brötchen, die stark gesüßt waren, von den Pflanzungen vertreiben wollen. Eines Morgens hatten wir fünfzig tote Affen gefunden. Abends verließ ich das sonst sehr gastliche Haus. Ich hatte aus meiner Empörung kein Hehl gemacht, und – man hatte mich ausgelacht.

      Ich denke, jeder hätte wohl beim Anblick des frischen Mörtels (es war ein Gemisch von Muschelkies, Lehm und Vogeldünger, wie wir nachher feststellten) die Turidos und ihren Anhang für die Hersteller dieses Schachtes gehalten, denn andere Leute lebten hier nicht in der Nähe.

      Mein Zündholz erlosch, und ich nahm ein zweites.

      Jetzt machte ich eine neue Wahrnehmung, die noch eigenartiger war. Der Schacht mochte zwei Meter im Quadrat messen und drei Meter tief sein. In der einen Wandung war eine kleine dunkel gestrichene Tür zu erkennen.

      Das zweite Zündholz erlosch. Ich überlegte. Hier oben im Fußboden war bestimmt keine Falltür vorhanden. Sie hätte Coys Augen nie entgehen können, den meinen auch nicht. Wozu also der Schacht?! Wozu die kleine Tür unten?!

      Ich mußte Näsler erzählen, was ich entdeckt hatte. Leise schlich ich aus der Stube ins Freie. Wir hatten die ebenfalls schon halb verfaulten Türen weit offen gelassen. Ich trat in den Mondschein der Waldlichtung hinaus. Die Nacht war klar, aber kühl …

      Ich schaute mich nach Joachim um. Rechts weideten unsere Guanacos, nur leicht angeseilt, die Lämmer frei. Und diese kamen mir sofort entgegengesprungen. Unseren Stückenzuckervorrat hatten wir fast ganz an die Tierchen verfüttert, und ich war dabei neben Allan der Hauptspender gewesen. Die Lämmer schoben mir ihre kalten Mäulchen suchend in die Hand. Ich kraute ihnen den Kopf, faßte in die Tasche … Es waren ausgerechnet die beiden letzten Stückchen Zucker.

      Joachim war nirgends zu sehen. Das überraschte mich. Ich schritt nach Osten zu, wo die Grassteppe nur durch eine dünne Baumreihe von der Lichtung getrennt war. Um Mitternacht hatte ich Näsler ablösen sollen. Jetzt war es erst elf. Und er?! Wo steckte er?! Coy hatte doch so eindringlich zur Vorsicht gemahnt.

      Ich war im Baumschatten. Mein Fuß versank in nassem, totem Laub. All diese Bauminseln und Wälder am Magelhaens haben die Eigentümlichkeit einer sehr dicken Schicht faulenden Laubes. Ich ging wie auf einem Gummistoff, und so überraschte ich denn an einer einzeln stehenden Buche, an der Coy ein heute geschossenes und ausgeweidetes Guanaco aufgehängt hatte, drei diebische Wildhunde, eine Spezialität dieser südlichsten Region, ähnlich den nordamerikanischen Coyoten, nur größer und dunkler gefärbt. Die Tiere

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