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Gesichtspunkten aus zu betrachten, und zwar erstens vom reitsportlichen überhaupt, zweitens vom medizinischen und drittens endlich auch vom ästhetischen Standpunkt aus.

      Ich will dabei nicht nur meine eigene Ansicht, welche vielen Damen vielleicht nicht kompetent erscheinen könnte, in die Wagschale werfen, sondern möglichst international sein. – Bekanntlich sind England, Amerika, Frankreich und noch viele andere Länder unserem Deutschland auch mit Bezug auf den Damenreitsport noch weit überlegen, und so wollen wir denn auch Stimmen aus jenen Ländern hören – natürlich nur um zu lernen und dann das Fazit zu ziehen.

      Wie schon eingangs angeführt, ging der zweifellos ursprüngliche Reitsitz der Damen zum Seitsitz über, nachdem die zunehmende Verbesserung des Damensattels diesen Sitz angenehmer und bequemer gemacht hatte. Aber – die Zeichen des neuen Jahrhunderts sind die auf allen Gebieten zunehmenden Emanzipationsbestrebungen der Damen – logischerweise mußten sie sich demnach auch auf den Reitsport erstrecken. Die Damen wollen es auch darin den Männern gleich tun und à la cavalier reiten.

      Das ist nur – pardon, beinahe hätte ich wieder gesagt »logisch«, – doch kaum ist mir das Wort entfahren, möcht ich's im Busen gern bewahren! Denn, so leid es mir auch tut, es aussprechen zu müssen, einen anderen Grund, den bisherigen Reitsitz der Damen zu ändern, habe ich nicht finden können![A] Aber die Frage ist zur cause célèbre geworden, seitdem sogar die »Deutsche Medizinische Wochenschrift« – wie ich voranschicken will, leider nur in gänzlich unzureichender Weise, d. h. mehr vom sportlichen, laienhaften, wie vom wissenschaftlich medizinischen Standpunkte aus – sich damit beschäftigt hat. Es ist das eigentlich recht bedauerlich, denn die Gegner des angestrebten Reitsitzes können nicht mit diesem schwersten Geschütz dagegen vorrücken, bevor nicht die Wissenschaft gesprochen hat. Der praktische Reiter aber kann dann mindestens mit dem Maschinengewehr vorgehen. – Doch – wie immer – wollen wir den Damen den Vorrang lassen und ihre Forderungen nebst den Gründen dafür hören.

      [A]: Confiteor, daß auch ich in früheren Jahren zu denen gehörte, welche dem Damensitz nach Herrenart das Wort geredet, und daß ich dieser meiner Meinung in älteren Schriften mehrfach Ausdruck verliehen habe. Seitdem aber bin ich infolge der mannigfachen Erfahrungen, die ich auf diesem Gebiete machte, vom Saulus zum Paulus geworden, und auf Grund dessen kann ich nicht anders, als mich ohne Einschränkung für den bisherigen Seitsitz der Damen zu entscheiden.

      Als Erste erschien auf dem Kampfplatz, um gegen den bestehenden Seitsitz eine Lanze zu brechen, schwer gerüstet, aber mit offenem Visier, niemand geringeres als Fräulein Dr. Anita Augspurg, und der »Berliner Lokal-Anzeiger« hatte die Ehre, als Herold zu fungieren. Ich weiß nicht, ob die Dame selbst Reiterin ist, oder ob sie nur akademisch spricht – letzteres ist ja durchaus modern – jedenfalls tritt sie als eifrige Verfechterin des Herrensitzes auf, und ich will einige ihrer Sentenzen hier anführen, ohne ihnen deshalb durchaus zustimmen zu können. So z. B. kann ich mich durchaus nicht unbedingt ihrer Meinung anschließen, daß der Damensattel – wir kommen auf denselben später zurück – nach mehreren Jahrhunderten seiner Herrschaft (sic!) ein widersinniges Marterinstrument für Pferd und Reiterin sei. Doch nur unter Umständen! Mit Vergnügen aber stimme ich ihrer Ansicht bezüglich Verwerfung des Korsetts zu, dem ich – nach den Belehrungen meiner Frau – nur insoweit eine Berechtigung zugestehen kann, als es sich um das Tragen, bezw. die Befestigung der Unterkleider handelt. Da diese aber – es dürfen nur Reitbeinkleider getragen werden, die sich auch anders befestigen lassen – beim Reiten fortfallen, so kann es das Ungeschöpf wohl auch.

      Wie schon angedeutet, ist Fräulein Augspurg denn auch der Ansicht, daß das Reiten im Herrensattel gesünder, gefahrloser, interessanter und vor allem schöner sei, als im Damensattel.

      Was das erstere betrifft, so kann ich nur sagen, daß ich unter den Hunderten von Damen, welche ich als Reitdamen kennen lernte, noch keine einzige gefunden habe, welche durch das Reiten im Damensattel ihre Gesundheit geschädigt hätte, außer einer einzigen, welche sich durch den Sturz aus dem Damensattel eine schwere Kreuzverletzung zugezogen hatte. Ein Sturz aber kann vom Herrensattel aus noch viel leichter eintreten, wie wir es bei Herren leider sehr oft hören und sahen. »Gefahrloser« – das widerlegt sich aus dem eben Gesagten von selbst. Jemand, der infolge langer Beine in der Lage ist, sich bei gewissen Bewegungen des Pferdes mit den Beinen an dasselbe anklammern zu können – sit venia verbo – reitet relativ gefahrloser, als ein solcher mit kurzen Beinen, der nur auf Balance angewiesen ist. Und letzteres würde doch in den meisten Fällen bei den Damen zutreffen. Beim Damensattel aber, wo beide Beine an den beiden Hörnern einen durchaus sicheren Halt finden, ist die Gefahr des Herabstürzens eine ganz bedeutend geringere. Ob es interessanter ist, im Herren- oder Damensitz zu reiten, darüber kann allerdings nur jemand ein Urteil fällen, der beide Reitarten ausübt; ich sehe jedoch nicht ein, weshalb die eine weniger interessant sein soll, als die andere. Und schöner – das ist Geschmackssache. Ich für meine Person finde eine elegante, gut sitzende und ihr Pferd anmutig führende Reiterin im Seitsitz interessanter und schöner aussehend, als eine solche im Herrensitz, die mich – als Erscheinung – gar nicht interessiert. Pardon! Also – darüber läßt sich streiten.

      »Einem unvoreingenommenen Auge«, sagt die Verfasserin, »muß eine Reiterin im Quersitz (der Herrensitz ist gemeint!) gefälliger erscheinen, denn wenn man imstande ist, von der Gewöhnung zu abstrahieren und den Anblick, den sie im Damensattel bietet, ganz objektiv zu erfassen, so muß man diesen fast von allen Seiten für direkt unschön erklären. Von vorne wie von hinten gesehen, hat die Figur von Pferd und Reiterin eine unglückliche Kontur. Man sucht ängstlich, wo wohl der Schwerpunkt dieser Unform sich befinde; nicht ganz so schlimm ist es von der rechten, am erträglichsten von der linken Seite (na also!), zeigt uns aber der Zufall die Rückansicht einer »englisch« trabenden Dame, so fühlen sich Ästhetik und Anstandsgefühl in gleicher Weise gekränkt (na na!) und alle Grazien verhüllen entsetzt das Haupt. Hierbei ist natürlich nur das anerzogene Anstandsgefühl gemeint, das die Existenz bestimmter Körperteile, die es hier besonders zum Ausdruck gebracht sieht, nun einmal ignoriert wissen will. (Und unsre heutige Damenmode???)«

      Ich bekenne offen, mich nicht zu jener Objektivität aufschwingen zu können, um mich dieser Auffassung anzuschließen. Im Gegenteil finde ich, daß z. B. eine graziös und korrekt englisch trabende Dame von allen Seiten ein äußerst sympathisches Bild abgibt, vorausgesetzt, daß sie eine gute Figur hat und tadellos reitet. Von Karikaturen brauchen wir nicht zu sprechen. Sobald aber in die Haltung der Damen eine Pose hineinkommt, welche wir nicht zu sehen gewöhnt sind – eine Dame pflegt doch auch sonst nie Spreitzsitz oder -Stellung einzunehmen – so wird das bald für die meisten Männer uninteressant, vielfach sogar widerwärtig. Dies allein schon sollte für die Damen maßgebend sein.

      »Auch das ärztliche Urteil«, führt die Autorin ferner aus, »sofern es sachverständig ist hinsichtlich des Reitens, (?) bevorzugt stets den Quersitz (Herrensitz) für die gesunde Frau: Die wahrhaft verschrobene Haltung, die ein guter Sitz im Damensattel erfordert (sic!), hemmt die Zirkulation des Blutes und bringt für den noch nicht ausgewachsenen jugendlichen Körper entschieden ernstliche Gefahr des Verkrümmens und Schiefwerdens, für den voll Erwachsenen aber zum mindesten große Unbequemlichkeit, die man erst zu ermessen versteht, wenn man nach längerer Gewöhnung an den Quersitz wieder einmal den Damensattel probiert. Viele Ärzte gestatten ihren Patientinnen das Reiten nur unter der Bedingung, daß es im Herrensattel geschieht.«

      Ein definitives ärztliches Urteil darüber steht wohl noch aus, obwohl – wie schon angeführt – die »Deutsche Medizinische Wochenschrift« sich in zwei Artikeln mit diesem Thema beschäftigt hat, leider nicht klinisch genug, um auch den hippologischen Fachmann zu befriedigen, der anders darüber denkt. Ich komme noch einmal darauf zurück.

      Ich muß es durchaus leugnen, daß ein korrekter Damenreitsitz auf gutem Damensattel zu den angeführten Körperschäden führt. Ich führe wiederum die Hunderte von Reiterinnen an, die ich kenne – aber keine einzige ist krumm oder schief geworden, noch hat sie, infolge des Seitsitzes, irgend eine körperliche Verunstaltung erfahren. Ich habe selbst vielfach im Damensattel geritten, um mich von der Wirkung des Sitzes auf den Körper zu überzeugen, mich aber sehr bald und ohne die geringste Unbequemlichkeit

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