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und Klubgenosse Kriminalkommissar von Perbram meldete sich.

      Harst erblaßte. Ganz schonend teilte ihm Perbram das Furchtbare mit. Marga war vor einer halben Stunde in einer Laube des Laubengeländes an der Bahnstrecke Halensee-Heerstraße mit einer Stichwunde im Herzen tot, ermordet offenbar, aufgefunden worden.

      2. Kapitel

       Das Taschentuch

       Inhaltsverzeichnis

      Harst jagte in einem Auto an den Tatort. Eine Reihe von Lauben mit sorgfältig gepflegten Gärtchen zog sich hier an der Bahn entlang. Nur die letzte Laube dicht am Rande des Grunewalds unweit des Bahnhofs Heerstraße war von dem Besitzer aufgegeben worden, sah verwahrlost aus und hatte nicht einmal mehr eine Tür. Es war nichts als eine Bretterbude mit dem nach hinten abfallendem Pappdach und einem großen Fenster.

      Die Mordkommission war vor kaum zehn Minuten eingetroffen und hatte auch einen Polizeihund mitgebracht, der aber völlig versagte. Die Herren machten dem ihnen wohlbekannten Assessor bereitwilligst Platz. Höfliche, teilnehmende und herzliche Händedrücke nahm Harst mit völlig versteinertem Gesicht schweigend hin. Der Photograph hatte seinen Apparat gerade über der mitten in der Hütte liegenden Leiche aufgestellt. Als Harst die tote Marga erblickte, hörte er das leise Knacken des Objektivverschlusses. Das Geräusch empfand er wie einen körperlichen Schmerz. Es machte ihm klar, daß seine Braut jetzt nicht mehr sein eigen war. Sie gehörte der Kriminalpolizei; sie war – ein neuer Kriminalfall geworden.

      Er schaute der geliebten Toten in das von einem Ausdruck furchtbaren Entsetzens entstellte Gesicht. Er schloß schnell die Augen. Er merkte, wie alles um ihn herum sich zu drehen begann. Doch seine Willenskraft siegte. Dann sprach er mit dem Vorsitzenden der Mordkommission ganz sachlich über dieses in jeder Einzelheit rätselhafte Verbrechen.

      Nichts war in der Laube gefunden worden, das irgendwie auf den Täter hingedeutet hätte, nicht einmal die Waffe, die wahrscheinlich ein langes Dolchmesser gewesen. Der Polizeihund hatte nur dreißig Schritt nach dem nahen Vorort Halensee zu eine Fährte aufgenommen. – Was hatte Marga Milden hierher geführt? – Das war eine der Hauptfragen. – Man konnte sie nur an diesen vormittags ganz einsamen Platz gelockt haben. Aber – wodurch? – Und dann das Motiv zu diesem Mord an einem jungen Weibe, die durch ihre gesellschaftliche Stellung und ihre Lebensgewohnheiten nie Gelegenheit gehabt hatte, sich die Rachsucht irgend eines Menschen zuzuziehen und deren ganzer Charakter ebenso sehr dagegen sprach, daß sie etwa sich auf irgend welche verhängnisvollen Abenteuer eingelassen haben könnte.

      Gewiß – die Leiche war vollständig ausgeplündert worden. Ringe, Brosche, das goldene Handtäschchen mit Inhalt, – alles fehlte. Dennoch erklärte der Kriminalkommissar Stolten, der Spezialist für Kapitalverbrechen war, daß er an einen Raubmord nicht recht glaube. »Der Schmuck ist nur zur Verdunkelung der Tat mitgenommen worden, Herr Assessor,« sagte er kurz. Er war für seine rücksichtslose Art bekannt. »Da ein Mord aus Rache wohl ausscheiden muß, bleibt nur verschmähte Liebe als Motiv übrig. An diesen Punkt müssen wir uns halten. Helfen Sie mir. Kennen Sie jemand, den Fräulein Milden als Freier abgewiesen hat?«

      Harst verneinte. »Meine Braut hat vor mir keinen Bewerber gehabt. Sie war eine so zurückhaltende Natur, daß sie in Herrenkreisen wenig Anklang fand.«

      Nachher fuhr Harst zu seinen Schwiegereltern. Diese waren durch den Verlust des einzigen Kindes gänzlich gebrochen. Die Präsidentin hatte man zu Bett bringen müssen. Gleich nach Harst traf Kommissar Stolten ein. – »Ich bitte mir zu gestatten, das Zimmer der jungen Dame zu durchsuchen,« sagte er zu dem tief gebeugten Vater.

      Harst half ihm und dem Kriminalwachtmeister Salewski, einem der besten Beamten der Berliner Polizei, bei dieser Arbeit. In Margas behaglichem Zimmer packte ihn abermals für Sekunden ein namenloser Jammer, dem er zu erliegen drohte. Stolten sah den halb irren Blick seiner umflorten Augen, sagte leise: »Denken Sie an die Vergeltung, Herr Assessor! Das lenkt die Gedanken wohltätig ab!«

      Das war das rechte Wort zur rechten Zeit. – Vergeltung! Marga sollte gerächt werden! – So war er denn jetzt der eifrigste bei dieser peinlich genauen Durchsuchung, der nichts entging, bei der jede Kleinigkeit sorgfältig geprüft wurde, besonders alles, was an Briefen und Schriftstücken vorhanden. Doch – auch diese zweistündige Arbeit war umsonst. Dann fragte Stolten den Präsidenten und die beiden Hausangestellten, die bejahrte Köchin Marie und das Stubenmädchen Helene, beide seit Jahren bei Mildens im Dienst und goldtreu, danach aus, ob Marga vielleicht in letzter Zeit oder gar heute früh von einer ihr fernstehenden Person oder in sonstwie auffälliger Art an den Fernsprecher gerufen worden wäre. Er betonte bei dieser zwanglosen Besprechung, der er alle Förmlichkeit nahm, um die beiden Mädchen nicht einzuschüchtern, daß hier jede, auch die unscheinbarste Beobachtung von großem Wert sein könnte.

      Abermals nichts! Das Dunkel, in das dieser Mord gehüllt war, wurde nur noch undurchdringlicher. – Der Präsident Stolten und Harst vereinbarten nun, daß eine Belohnung von 20 000 Mark für die Ermittlung des Täters oder für sachdienliche Angaben ausgesetzt werden sollte.

      Erst gegen sieben Uhr abends war Harst wieder daheim. Seine Mutter nahm die Hände ihres großen Jungen in die ihren und ließ sich erzählen, was er inzwischen getan hatte. Sie war eine einfache Frau geblieben, trotz des Millionenvermögens, war auch eine kluge Frau, soweit es auf Lebenserfahrungen und praktischen Blick ankam. Sie hätte es gern erreicht, daß ihres Sohnes ungeheurer Schmerz sich in Tränen Luft gemacht hätte. Diese Starrheit an ihm, diese unnatürliche Ruhe, mit der er von den Bemühungen der Polizei sprach, erschreckten sie.

      Harst fand keine Tränen. Jetzt nicht mehr, denn erst allmählich war er sich über die ganze Größe seines Verlustes klar geworden. Marga war die restlose Ergänzung seines eigenen Ichs gewesen. Mit ihr war jedes Interesse am Leben, an der Zukunft in ihm gestorben. –

      Die Tage gingen hin. Marga Milden war längst beerdigt; der Mörder aber noch immer unentdeckt. So ungeheures Aufsehen dieses Verbrechen auch zunächst in der Reichshauptstadt erregt hatte, – nur zu bald drängte es der stetig neue Sensationen erzeugende Pulsschlag der Millionenstadt immer mehr in den Hintergrund. Trotzdem blieb der Eifer der Polizei und verschiedener Privatdetektive, die freiwillig der hohen Belohnung wegen sich der Sache angenommen hatten, noch eine Weile der gleiche. Doch: jedes Streben muß früher oder später erlahmen, wenn es auch nicht von dem geringsten Erfolg gekrönt wird. Und so war es hier. Nirgends der kleinste Hinweis auf den Täter, nirgends die Möglichkeit, ein Motiv für diese Ermordung eines jungen, harmlosen Weibes zu finden!

      Harald Harsts Gemütszustand änderte sich nicht. Er hatte sich sofort auf längere Zeit von seiner Behörde beurlauben lassen, wollte später seinen Abschied einreichen und auf Reisen gehen. Die abwechselnden Eindrücke fremder Länder und Völker sollten ihm helfen, sein seelisches Gleichgewicht wiederherzustellen. Frau Auguste hatte ihm dies geraten. Sie verzehrte sich in Sorge um den Sohn, der in stumpfem Brüten die Tage verbrachte und sich ganz von der Außenwelt abschloß. Sie hatte mit Kommissar Stolten hierüber gesprochen. Und dieser hatte ihr erklärt, er hätte gehofft, daß bei dem Herrn Assessor die Anregung, die er ihm gleich am Tage des Mordes durch den Hinweis auf die Vergeltung gegeben, etwas länger wirken und ihn veranlassen würde, selbst sich mit Ermittlungen zur Aufklärung des Verbrechens zu beschäftigen und auf diese Weise wohltuend seine schmerzlichen Gedanken abzulenken. »Freilich,« hatte er hinzugefügt, »wo soll man in diesem Falle mit Ermittlungen beginnen?! Man muß doch wenigstens einen Ausgangspunkt dafür haben. Hier gibt es keinen.« – Frau Harst nickte traurig. »Das hat mir mein Sohn auch gesagt, Herr Kommissar. – Mutter, hat er zu mir gesagt, wenn ich irgendwo auch nur den Schimmer einer Spur sehen würde, die zu dem Mörder hinführen könnte, dann sollte die Welt es erleben, daß der Wunsch nach Vergeltung den Täter in meine Gewalt bringt! Doch – selbst dieser Schimmer einer Spur fehlt! Ich kann doch nicht zwecklos durch die Straßen laufen und auf einen blinden Zufall hoffen, der mich den Anfang einer Fährte entdecken läßt! – Solche Zufälle sind doch zu selten.« –

      Frau Auguste drängte den Sohn immer wieder, abzureisen und zunächst nach Italien zu gehen. Inzwischen

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